Rz. 1

Der BGH[1] weist auf die Ungleichheit von unterhalts- und steuerrechtlichem Einkommen hin.

Er macht damit deutlich, dass das steuerrechtliche Einkommen die Basis für die Ermittlung bildet und im Anschluss unterhaltsrelevante Korrekturen vorzunehmen sind.[2]

Das Ergebnis dieser Korrekturen stellt das Unterhaltseinkommen dar.

Hierbei ist zwischen Unterhaltseinkünften und Unterhaltseinkommen zu unterscheiden.

Dabei ist das Steuerrecht vielen Zivilrechtlern suspekt. "Daraus resultiert eine gewisse Neigung, sich diesem Rechtsgebiet fernzuhalten."[3]

 

Rz. 2

Das Unterhaltseinkommen ergibt sich aus der Summe der Unterhaltseinkünfte abzüglich von Vorsorgeaufwendungen und Einkommensteuer.

Während die Unterhaltseinkünfte und das Unterhaltseinkommen allein auf steuerlichen Einkünften und Einkommen basieren, umfasst das "unterhaltsrechtlich relevante Einkommen" auch die weiteren dem Unterhaltsschuldner zufließenden und fiktiven Einkünfte, wie z.B. Wohnvorteile.[4]

Dabei ist es gleich, welcher Art sie sind und aus welchem Anlass sie erzielt werden.

Auch die potenziellen und fiktiven Einkünfte werden im Gegensatz zum Unterhaltseinkommen berücksichtigt.

 

Rz. 3

Warum benötigen Familienrechtler bei der Ermittlung des Unterhaltseinkommens Kenntnisse vom Steuer-, Handels-, Gesellschafts- und Bilanzrecht?

Der anwaltliche Berater muss sich besonders bei der Ermittlung des Unterhaltseinkommens mit zahlreichen, steuerrechtlich ermittelten Materialien und Unterlagen befassen.

Er muss steuerrechtliche Unterlagen nach unterhaltsrechtlichen Aspekten analysieren und im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzung erläutern.

Besonders vor Gericht wird oft mit heftiger Intensität über Positionen der Jahresabschlüsse von Unternehmen gestritten.

Bei der Ermittlung der Unterhaltseinkünfte wird in der Literatur kritisch hinterfragt, ob bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften schon wegen der dem Unternehmen obliegenden Liquiditätsverpflichtungen von einer Vollausschüttung der Gewinne auszugehen ist.[5]

Betriebswirtschaftlich zeigt der Gewinn nämlich nicht nur den kalkulatorischen Unternehmerlohn,[6] sondern ist auch Entgelt für die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals und Ausgleich des unternehmerischen Risikos.

Auch bei Nichtselbstständigen, die oft noch weitere Überschusseinkünfte, wie z.B. aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen haben, ergeben sich u.a. Fragen zur Bewertung, Abgrenzung zur Privatveranlassung und zu Abschreibungen.

Ferner sind die Angemessenheit von Bezügen (gilt auch im Steuerrecht gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG) bei Gesellschaftern/Geschäftsführern, Manipulationen und "Schwarzgeld" zu prüfen bzw. aufzudecken.

Ohne steuer- und betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind die Aufgabenstellungen in der familienrechtlichen Praxis nicht zu lösen und der Bearbeiter setzt sich darüber hinaus auch noch einer potenziellen Haftung aus.

Da hilft es auch nicht, den Steuerberater zu fragen, weil diesem die unterhaltsrechtlichen Differenzierungen fremd sind.[7]

Ihm fehlen die grundsätzlichen unterhaltsrechtlichen Kenntnisse und Differenzierungen zur interdisziplinären Diskussion.

Neben der Ermittlung des Unterhaltseinkommens sind auch weitere familienrechtliche Probleme wie zur steuerlichen Veranlagung, Abzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen und Aufteilung von Steuerschulden zu lösen.

Die folgenden Ausführungen behandeln speziell die Unterhaltseinkünfte und das Unterhaltseinkommen, wie sie sich aus dem Steuerrecht und seiner Systematik ableiten.

Damit wird der Vorgabe des BGH[8] Rechnung getragen, bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens das steuerliche Einkommen zugrunde zu legen.

Die Begriffe "selbstständige Arbeit/Selbstständige" und die schrittweise Ermittlung des Einkommens und seiner Besteuerung orientieren sich an der Definition, Schreibweise und Systematik des Einkommensteuergesetzes.

Familienrechtliche Modifizierungen aus dem Steuerrecht werden innerhalb des jeweiligen Ermittlungsschrittes behandelt.

 

Rz. 4

Was unterscheidet Unterhaltseinkünfte vom Steuereinkommen?

Das Steuerrecht geht von der reellen Leistungsfähigkeit,[9] das Unterhaltsrecht von der potenziellen Leistungsfähigkeit aus.[10]

Dieses erläutern auch die relevanten Definitionen:[11]

Die Unterhaltseinkünfte basieren auf den steuerrechtlich ordnungsgemäß ermittelten Einkünften/Einkunftsarten des Einkommensteuerrechts nach deren unterhaltsrechtlicher Modifikation.[12]

Die Summe der Unterhaltseinkünfte nach Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen und Einkommensteuer ergeben das Unterhaltseinkommen.

Über das Unterhaltseinkommen hinaus umfassen das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen auch alle anderen dem Unterhaltsschuldner zufließenden Einkommenspositionen wie fiktive Einkünfte[13] und Wohnvorteile.[14]

Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen ist somit nicht stets mit dem steuerpflichtigen Einkommen identisch. Das Steuerrecht privilegiert einzelne Einkommensarten. Der "Selbstständige" genügt daher seiner Darlegungs- und Beweislast nicht, wenn er n...

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