Rz. 709

Für Grundstücksveräußerungen ist die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unverändert geblieben, sodass insoweit auf ältere Quellen zurückgegriffen werden kann.[473]

Von der Besteuerung ausgenommen hat der Gesetzgeber eigengenutzte Grundstücke, die gemäß den § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Eine (willentliche) Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt.[474]

Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.[475]

 

Rz. 710

 

Hinweis

Zieht einer der Ehegatten im Vorfeld der Trennung aus dem bislang gemeinsam genutzten Haus oder der gemeinsam genutzten Wohnung aus, können sich steuerliche Nachteile daraus ergeben.

Es besteht nämlich die Gefahr, dass die Vorschriften über die Eigennutzung nicht eingehalten werden.

 

Rz. 711

 

Beispiel 1

Die Eheleute bewohnten bislang das im alleinigen Eigentum des Ehemannes stehende, mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück. Nach Trennung der kinderlosen Ehe bewohnt die Ehefrau weiter das Objekt. Der Ehemann zieht aus. Später erfolgt die Übertragung des Grundbesitzes vom Ehemann auf die Ehefrau zum Ausgleich des Zugewinns.[476]

Lösung

Die Nutzungsüberlassung an den getrenntlebenden Ehegatten ist keine Eigennutzung[477] im Sinne des Gesetzes, da der Eigentümer die Wohnung nicht eine ausreichende Zeit zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Die Steuerpflicht kann umgangen werden, wenn die entgeltliche Scheidungsvereinbarung noch in dem Jahr abgeschlossen wird, in dem der ausgezogene Ehegatte die Immobilie noch mit bewohnt hat. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Steuerpflicht könnte dadurch umgangen werden, dass die Eheleute innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben. Dies erscheint aber mit den üblicherweise bestehenden Spannungen der Trennungszeit und der daraus resultierenden räumlichen Trennung wenig praxisnah.

 

Rz. 712

 

Beispiel 2

Wie bei Beispiel 1; die Ehefrau verbleibt aber mit den gemeinsamen minderjährigen Kindern in dem Objekt.

Lösung

In diesem Fall liegt eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung der ganzen Wohnung an einen Angehörigen vor. Nach der Rechtsprechung[478] liegt keine Nutzung "zu eigenen Wohnzwecken" vor. Dies wäre nur der Fall, wenn die Wohnung von Kindern bewohnt wird, die einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden, d.h., wenn es sich bei dem Begünstigten um ein zum Kindergeldbezug/Kinderfreibetrag berechtigtes Kind gem. § 32 Abs. 6 EStG handelt (z.B. Studenten).

 

Rz. 713

 

Hinweis

Steuerrechtlich ist die Übertragung von Sachwerten zur Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung ein entgeltliches Rechtsgeschäft (Erfüllung einer Rechtspflicht gegen Übertragung eines Sachwertes und damit tauschähnliches Geschäft), das den Veräußerungstatbestand des § 23 EStG erfüllen kann[479] (Beispiele 3–5 der Einfachhalt halber ohne AfA; hierzu siehe Beispiel 6, Rdn 717).

 

Rz. 714

 

Beispiel 3

Das Ehepaar A und B lebt im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Der Ehemann erwarb 1996 für 100.000 EUR ein Grundstück zum alleinigen Eigentum, das von ihm seither vermietet wurde.

Die Ehe wurde im Jahre 2003 geschieden. Der geschiedenen Ehefrau stand daraufhin ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 250.000 EUR zu. Zur Abgeltung dieses Anspruchs übertrug ihr A das Grundstück, das im Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert von 250.000 EUR hatte.[480]

Lösung

Der Zugewinnausgleichsanspruch i.S.d. § 1378 BGB ist eine auf Geld gerichtete persönliche Forderung an den geschiedenen Ehegatten.

Im oben genannten Beispielsfall erfüllt A diese Forderung der B, indem er ihr an Erfüllung statt (dies ist steuerrechtlich immer ein entgeltliches Tauschgeschäft!) das Grundstück übertrug. Wird ein Grundstück vom Eigentümer (Steuerpflichtigen) an einen Dritten zur Tilgung einer dem Dritten – gleich aus welchem Rechtsgrund – zustehenden Geldforderung an Erfüllung statt übereignet, handelt es sich dabei um ein Veräußerungsgeschäft für den Steuerpflichtigen und beim Erwerber um ein Anschaffungsgeschäft. Veräußerungserlös bzw. Anschaffungskosten ist der Forderungsbetrag, der mit der Übertragung des Grundstücks an Erfüllung statt abgegolten wurde. Danach hat A das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb wieder veräußert, sodass ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt.

Der von A zu versteuernde Gewinn beträgt mithin:

 
Veräußerungserlös 250.000 EUR
Anschaffungskosten – 100.000 EUR
Veräußerungsgewinn 150.000 EUR
 

Rz. 715

 

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