Rz. 39

Für unsere weiteren Überlegungen zum digitalen Nachlass können wir an dieser Stelle das Folgende festhalten:

Dateien sind grds. keine Sachen und damit auch nicht selbst Gegenstand von Eigentumsrechten (vgl. Rdn 24).
Gegenstand von Eigentumsrechten sind aber die jeweiligen Datenträger, auf denen Dateien gespeichert sind. Insoweit kann die konkrete Verkörperung von Dateien auf einem Datenträger – wenn auch nicht selbst, so doch mittelbar über das Eigentum am Speichermedium – Sachqualität haben (vgl. Rdn 25 f.).
Der Schutz des Eigentums am Datenträger, also die Befugnis mit dem Datenträger nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, erstreckt sich auch auf die dort gespeicherten Dateien (Zeichenebene, vgl. Rdn 28 f.).
Im Falle der Speicherung von Dateien in einer Cloud stehen nur dem Cloudinhaber Rechte aus dem Eigentumsschutz zu. Der Nutzer hat aber gegen den Cloudinhaber einen Anspruch aus dem dem Cloudverhältnis zugrunde liegenden Vertrag dahingehend, dass seine Daten unverändert abgespeichert werden können und darauf, dass er sie unverändert abrufen, ändern und löschen kann. "Beschädigungen" von Dateien sind grds. "inter partes", also zwischen dem Drittschädiger und dem Eigentümer bzw. dem Nutzer und dem Cloudinhaber, abzuwickeln. Im Einzelfall können ggf. die Grundsätze der Drittschadensliquidation helfen.[70]
Von dem Bestimmungsrecht über die Dateien zu unterscheiden ist das Recht an den durch die Daten verkörperten Inhalten (Bedeutungsebene, Rdn 27). Dieses folgt nicht dem Recht am Datenträger (vgl. Rdn 33 ff.). Es mag im Einzelfall auch dem Inhaber der Dateien zustehen; ein zwingender Automatismus ist das aber nicht.
Ein absolutes Recht an solcherlei in Daten verkörperten Inhalten existiert allerdings nicht.[71] Vielmehr genießen diese unter einer Vielzahl unterschiedlicher Ansatzpunkte rechtlichen Schutz, der aber eher als "Flickenteppich" denn als umfassender, dem Eigentumsschutz vergleichbarer Schutz bezeichnet werden kann.[72]
Bestehen im Einzelfall Rechte an den Inhalten, die bspw. aus einem Immaterialgüterrecht, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder auch aus vertraglichen Ansprüchen folgen können,[73] kann und muss der Inhaber diese Ansprüche gegen den Erblasser als Eigentümer des Datenträgers oder Nutzer der Cloud geltend machen. Diese können bspw. auf Löschung oder Herausgabe von Daten oder ggf. sogar auf Herausgabe des Datenträgers selbst gerichtet sein (vgl. Rdn 36 ff.).
 

Rz. 40

Mögliche Gegenstände des Erbgangs sind mithin im Zusammenhang mit dem digitalen Nachlass insbesondere zwei Rechte:[74] Zum einen das Eigentumsrecht am Datenträger samt dem diesem folgenden Recht an den dort gespeicherten Dateien (der Zeichenebene, siehe Rdn 27) bzw. im Falle der Speicherung in einer Cloud die vertraglichen Ansprüche gegen den Cloudinhaber die eingestellten Dateien unverändert abrufbar zu halten und zum anderen das Recht an den Inhalten (Bedeutungsebene, Rdn 27), die in den Dateien verkörpert werden.

[70] Zum Ganzen siehe Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Nachlass" v. 15.5.2017, S. 45 ff.
[71] Siehe auch DAV-Stellungnahme zur Frage des Eigentums an Daten und Informationen, Nr. 75/2016.
[72] So auch Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Nachlass" v. 15.5.2017, S. 98.
[73] So auch Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Nachlass" v. 15.5.2017, S. 34 ff.
[74] Vgl. auch Alexander, K&R 2016, 301, 305; Biermann, in: Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht (Manuskriptfassung – Stand: 22.8.2017), Rn 8 ff.

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