Rz. 30

Neben dem Recht an den Daten als solchen (Zeichenebene) existiert auch ein Recht an den durch die Zeichen verkörperten Inhalten (Bedeutungsebene, siehe Rdn 27).

1. Immaterialgüterrechte, allgemeines Persönlichkeitsrecht etc.

 

Rz. 31

Wie wir bereits oben (siehe Rdn 25 ff.) gesehen haben, ist das Recht an den Inhalten der gespeicherten Daten zu trennen vom Eigentum am Datenträger und dem von diesem Eigentum auch auf die dort gespeicherten Daten ausstrahlenden Schutz der Daten.[58] Wenn auf einem Datenträger etwa ein Computerprogramm gespeichert ist, so bleibt das Urheberrecht an diesem Programm nach § 69a UrhG von dieser Speicherung unberührt.[59] Dasselbe gilt für sonstige Immaterialgüterrechte, die durch die auf dem jeweiligen Datenträger gespeicherten Daten verkörpert sind, sowie für die Nutzungsrechte an solchen Inhalten (§ 3 Rdn 5 ff.).[60]

 

Rz. 32

Auch wenn die gespeicherten Inhalte nicht Gegenstand eines Immaterialgüterrechts sind, etwa weil die notwendige Verdichtung zu einem Werk i.S.d. UrhG nicht erreicht ist, so können sie doch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sein (§ 3 Rdn 24 ff.). Für personenbezogene Daten folgt das aus der eingangs zitierten Rechtsprechung des BVerfG ("Volkszählungsurteil", vgl. Rdn 2) zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teilaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.[61] Über die Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinaus können die durch Daten verkörperten Inhalte bspw. auch dem Fernmeldegeheimnis als weiterem Teilaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegen.[62]

[58] BGH, Urt. v. 10.7.2015 – V ZR 206/14 (Helmut Kohl), NJW 2016, 317.
[60] Vgl. zum Erbgang an Nutzungsrechten auch Biermann, in: Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht (Manuskriptfassung – Stand: 22.8.2017), Rn 17 ff.
[61] BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, 41 ff.; vgl. auch MüKo-BGB/Wagner, § 823 BGB Rn 295 m.w.N.
[62] Zur Ausstrahlungswirkung des Art. 10 GG in das Privatrecht vgl. etwa BGH, Urt. v. 20.2.1990 – VI ZR 241/89, NJW-RR 1990, 764 = FamRZ 1990, 846; siehe ferner MüKo-BGB/Rixecker, Abschnitt "Allg. PersönlichR" Rn 119.

2. Das Recht an den Inhalten folgt anderen Regeln als das Recht am Datenträger

 

Rz. 33

Da das Recht an den Inhalten vom Eigentum an einem Datenträger zu trennen ist, führt auch die Berechtigung am Inhalt der auf einem Datenträger gespeicherten Daten nicht automatisch zu einer Berechtigung am Datenträger und den darauf gespeicherten Dateien.[63] Der BGH hat das kürzlich in einem prominenten Fall ausgeführt:[64]

 

Rz. 34

Geklagt hatte der ehemalige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Kohl. Er verlangte von dem von ihm mit der Erstellung seiner Memoiren beauftragten "Ghostwriter" die Herausgabe von Tonbändern, auf die dieser mit dem Einverständnis Helmut Kohls die ausführlichen gemeinsamen Gespräche aufgezeichnet hatte. Die Vorinstanz, das OLG Köln, hatte dem Klagebegehren stattgegeben, und zwar mit der Begründung, Helmut Kohl habe einen Anspruch auf Herausgabe der Tonbänder, weil er durch die Aufzeichnung seiner Stimme jeweils eine neue bewegliche Sache hergestellt und so gem. § 950 BGB Eigentum an den Tonbändern erlangt habe.[65]

 

Rz. 35

Dem ist der BGH zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung gefolgt.[66] So hat der BGH insbesondere ausgeführt, dass die Speicherung von Inhalten auf einem Speichermedium nicht zu einer Veränderung der Funktion des Speichermediums führt, weshalb durch die Speicherung keine neue Sache hergestellt wird und § 950 BGB keine Anwendung findet.[67] Selbst bei Aufnahmen, die nach dem Willen der Beteiligten nicht mehr gelöscht werden sollen, bspw. wie im vorliegenden Fall aufgrund ihrer historischen Bedeutung, führt die Speicherung nicht zu einer Verbindung von Inhalt und Speichermedium, denn, so der BGH weiter:

Zitat

"Ihre Bedeutung und Einmaligkeit zeichnen nur die Inhalte, aber nicht die Tonbänder als Speichermedien aus und besagen über die eigentumsrechtliche Zuordnung des Speichermediums nichts. Die Berechtigung an den Inhalten folgt anderen Regeln als das Eigentum an den Speichermedien. Ihre Anwendung muss nicht zu denselben Ergebnissen führen (vgl. MüKoBGB/Füller, 6. Aufl., § 950 Rn 4). Auch das Urheberrecht gewährt dem Werkschöpfer nur Ausschließlichkeitsrechte am (immateriellen) geistigen Eigentum, nicht aber ein Recht auf Eigentum oder Besitz an den einzelnen Werkstücken (vgl. BGH, Urteile vom 26.10.1951 – I ZR 93/51, NJW 1952, 661, 662 und vom 27.9.1990 – I ZR 244/88, BGHZ 112, 243, 247). Der an den Inhalten Berechtigte kann zwar auch Eigentümer des Tonbands sein, auf dem sie gespeichert sind, etwa wenn er es käuflich erworben hat. Notwendig ist das aber nicht. Entschließt er sich etwa dazu, dieselben Inhalte nicht auf einem eigenen Tonband zu speichern, sondern beispielsweise auf einem über das Internet zugänglichen Speicherplatz in einem entfernten Rechenzentrum (sog. Cloud), bleibt er weiterhin alleiniger Berechtigter der gespeicherten Inhalte. Er wird dadurch indessen weder rechtsgeschäftlich noch kraft Gesetzes Miteig...

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