Rz. 24

Auf den Geräten und Speichermedien des Erblassers werden sich häufig Daten finden, die nach ihrem Inhalt insbesondere das Persönlichkeitsrecht Dritter betreffen. Das können bspw. Fotografien sein, auf den andere Personen abgebildet sind, oder private Nachrichten, die der Erblasser erhalten hat.

In unserem Beispielsfall tritt das besonders deutlich im Fall der intimen Fotos zutage, die A von seiner Geliebten G angefertigt hat, denn diese betreffen sogar den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung[18] der G.

Aber auch hier ist die Interessenlage im digitalen Bereich nicht anders gelagert als im analogen Bereich. Ob der Erblasser Fotos oder Nachrichten in analoger oder in digitaler Form hinterlässt, macht für die betroffenen Dritten in der Regel keinen Unterschied.

Zudem besteht insoweit auch kein Unterschied zu den Fällen, in denen Immaterialgüterrechte Dritter an den Inhalten bestehen (vgl. Rdn 5 ff.), als dass auch im privaten Bereich die Nutzung durch den Erblasser und die Erben von der Zustimmung der Betroffenen gedeckt sein kann.

I. Die Rechtslage zu Lebzeiten des Erblassers

 

Rz. 25

Um uns der Frage zu nähern, wie im Erbfall mit solchen Hinterlassenschaften umzugehen ist, die das Persönlichkeitsrecht Dritter betreffen, betrachten wir zunächst die Rechtslage zu Lebzeiten des Erblassers. Sehr aufschlussreich ist dafür eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2015 zu der Frage, ob nach dem Ende einer Beziehung die Partner einen Anspruch auf Löschung intimer Fotos haben, die der andere Partner besitzt.

1. Intime und weniger intime Fotos

 

Rz. 26

Die Klägerin hatte nach dem Ende der Beziehung von ihrem ehemaligen Lebenspartner die Löschung aller Fotos und Filmaufnahmen verlangt, die er im Laufe ihrer Beziehung von der Klägerin angefertigt hatte und die er überwiegend in digitaler Form aufbewahrte. Das in der 1. Instanz zuständige LG Koblenz hatte diesem Antrag nur insoweit entsprochen, als die jeweiligen Aufnahmen die Klägerin in besonders intimen Momenten zeigten. Auf die Löschung anderer Aufnahmen, die sie in bekleidetem Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigten, habe sie keinen Anspruch, wie das LG Koblenz feststellte.[19] Diese Wertung wurde vom OLG Koblenz auf die Berufung sowohl der Klägerin als auch des Beklagten hin bestätigt.[20] Auf die (eingeschränkte) Revision des Beklagten hin bestätigte der BGH wiederum die Entscheidung des OLG Koblenz.[21]

[19] LG Koblenz, Urt. v. 24.9.2013 – 1 O 103/13, BeckRS 2016, 00559.

2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

 

Rz. 27

Im Kern geht es in den zitierten Entscheidungen um das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im BGB nicht näher kodifiziert. Es ist aber als "sonstiges Recht" (vgl. § 823 Abs. 1 BGB) anerkannt und wird aus dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag der Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus dem Schutzauftrag des Art. 8 Nr. 1 EMRK hergeleitet.[22]

[22] Vgl. MüKo-BGB/Rixecker, Abschnitt Allg. PersönlR Rn 2 m.w.N.

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht und das Prinzip des überwiegenden Interesses

 

Rz. 28

Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht nicht von vornherein fest. Sie kann vielmehr erst durch Abwägung nach dem Prinzip des überwiegenden Interesses im Einzelfall bestimmt werden. Dazu der BGH in seiner bereits oben angesprochenen Entscheidung:[23]

Zitat

"Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rahmenrecht, dessen Reichweite nicht absolut feststeht. Diese muss vielmehr durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 30.9.2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536; vom 29.4.2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn 8; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn 22). Der Bereich der Intimsphäre genießt überragend bedeutenden Schutz (vgl. BVerfGE 119, 1 Rn 102). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich (BVerfG AfP 2009, 365 Rn 25)."

b) Die Einwilligung

 

Rz. 29

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht nur soweit, wie der Betroffene des Schutzes auch bedarf. Insoweit spielt die Einwilligung des Betroffenen eine entscheidende Rolle, denn durch sie kann der Betroffene sogar auf den Schutz des eigentlich unantastbaren Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung verzichten. Auch das hat der BGH in seiner angesprochenen Entscheidung anschaulich ausgeführt:

Zitat

"Der Schutz des Persönlichkeitsrechts kann allerdings entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebens...

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