Rz. 95

Das Internet verführt zahlreiche Arbeitnehmer zum Besuch pornographischer Seiten. In den Fällen, in denen dies vom Arbeitgeber festgestellt wird, besteht regelmäßig der Wunsch, unmittelbar fristlos zu kündigen. Zunächst muss auch in diesen Konstellationen festgestellt werden, ob der Arbeitgeber jegliche private Nutzung ausgeschlossen hat, ob er die private Nutzung grundsätzlich erlaubt hat oder aber ob er die private Nutzung eingeschränkt für zulässig erklärt hat, bspw. mit dem ausdrücklichen Verbot, pornografische Seiten aufzurufen.

 

Rz. 96

Auch hier gilt: Fehlt es an jeglichen Regelungen, gehen Unklarheiten zu Lasten des Arbeitgebers. Das bloße Aufrufen pornografischer Seiten lässt das Abmahnungserfordernis nicht entfallen. Ist der Besuch bei erlaubter privater Nutzung solcher Seiten ausgeschlossen, handelt es sich um ein abmahnungsfähiges Fehlverhalten. Eine Abmahnung ist dann aber entbehrlich, wenn umfangreiche pornografische Dateien heruntergeladen und geordnet gespeichert werden. Kein Arbeitnehmer könne nach Auffassung des BAG damit rechnen, der Arbeitgeber sei, selbst wenn er prinzipiell eine private Nutzung des Internets duldet, damit einverstanden, dass er sich umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet herunterlädt.[126]

Zu den Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung in diesem Zusammenhang siehe auch Rdn 126 f. Bei der Frage, ob der Aufruf pornografischer Seiten zum Ausspruch einer Abmahnung, einer ordentlichen und/oder außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist auch der im deutschen Arbeitsrecht geltende Grundsatz zu beachten, wonach der Arbeitgeber nicht zum Sittenwächter über die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer berufen ist.[127] Solange nicht die Grenzen des Strafrechts überschritten (siehe Rdn 129) oder Arbeitgeber, Kollegen oder Dritte durch den Aufruf solcher Seiten belästigt werden, besteht regelmäßig kein unmittelbares Kündigungsrecht. Das BAG berücksichtigt insbesondere auch die mögliche Rufschädigung des Arbeitgebers bei dem Aufruf pornografischer Internetseiten, da eine Rückverfolgung auf den Nutzer technisch jedenfalls möglich sei und den Eindruck erwecken könne, der Arbeitgeber befasse sich mit Pornografie.[128]

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