Rz. 216

Vertritt der Anwalt im gerichtlichen Verfahren mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3 – maximal auf einen Erhöhungssatz von 2,0. Die erhöhte Gebühr bezieht sich aber nur auf denjenigen Gegenstand, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind.

 

Rz. 217

 

Beispiel

E ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. Er beauftragt Anwalt A, den Sachschaden in Höhe von 12.000 EUR gegenüber dem Unfallgegner G einzuklagen. G erhebt Widerklage gegen E sowie gegen Fahrer F und Haftpflichtversicherer V auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.000 EUR. Auch F und V beauftragen daraufhin A mit ihrer Vertretung im Klageverfahren.

Insgesamt beläuft sich der Gegenstandswert auf 19.000 EUR (§ 22 Abs. 1 RVG). Die Beteiligung der drei Auftraggeber des A ist allerdings unterschiedlich: An einem Teilwert von 12.000 EUR ist nur E beteiligt, da weder F noch V etwas mit der Geltendmachung des Sachschadens zu tun haben. An einem Teilwert von 7.000 EUR sind alle drei Auftraggeber beteiligt, da sie alle für den Sachschaden des G haften können.

Die Gebühren des A berechnen sich entsprechend der Teilwerte[150] wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100    
aus 12.000 EUR 865,80 EUR  
2. 1,9-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008    
aus 7.000 EUR 847,40 EUR  
gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,9 aus 19.000 EUR 1.463,00 EUR
3. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 1.483,00 EUR  
4. Umsatzsteuer, VV 7008   281,77 EUR
Gesamt   1.764,77 EUR

Die Gegenmeinung hält § 15 Abs. 3 RVG in diesen Fällen nicht für anwendbar. Sie ermittelt zunächst eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem gesamten Streitwert und nimmt sodann für den Teil mit demselben Gegenstand die Erhöhung vor.[151]

 

Rz. 218

Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG findet aber nicht statt, wenn der Anwalt für eine im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Partei und zugleich für diese als Streithelfer einer anderen Partei tätig wird. Denn in diesem Fall vertritt er nicht mehrere Auftraggeber, sondern nur einen Auftraggeber, der in verschiedenen Rollen am Verfahren teilnimmt.[152]

 

Rz. 219

 

Beispiel

Der Anwalt vertritt den Haftpflichtversicherer, der vom Unfallgegner (Kläger) im Wege des Direktanspruchs als Beklagter in Anspruch genommen wird. In demselben Rechtsstreit ist der Haftpflichtversicherer den durch einen eigenen Anwalt vertretenen anderen Beklagten (Fahrer und Halter) als Streithelfer beigetreten, weil wegen des Einwands der Unfallmanipulation eine Interessenkollision nicht ausgeschlossen werden konnte. Der Anwalt des Haftpflichtversicherers vertritt in einer solchen Konstellation nicht mehrere Auftraggeber, sondern nur den Haftpflichtversicherer, der sowohl die Rolle des Beklagten zu 3) als auch die Rolle des Streithelfers einnimmt.

[150] Vgl. LG Bonn Rpfleger 1995, 384; AG Augsburg AGS 2008, 434; N. Schneider, ProzessRB 2003, 130; N. Schneider, AnwBl 2008, 773; Mayer/Kroiß (Dinkat), RVG, VV 1008 Rn 7; Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 2, § 8 Rn 494; Hergenröder, AGS 2007, 53; Engels, MDR 2001, 355; AnwK-RVG ­(Volpert), VV 1008 Rn 72 ff.
[151] Gerold/Schmidt (Müller-Rabe), RVG, VV 1008 Rn 225 ff.; OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 601; OLG Hamburg MDR 2001, 56; OLG München MDR 1998, 1439; OLG Köln JurBüro 1987, 692.
[152] BGH AGS 2010, 166. Anders liegt dagegen der Fall, dass der Anwalt den Nebenintervenienten und die von diesem unterstützte Partei vertritt.

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