Rz. 45

Nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB kann die gemeinsame elterliche Sorge durch übereinstimmende Sorgeerklärungen begründet werden. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Elternschaft nach den §§ 1591 ff. BGB feststeht. Die Motive für eine solche Sorgeerklärung sind gesetzlich nicht geregelt und ergeben sich in der Regel aus persönlichen Gründen der Eltern. Dies kann etwa die gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme für das nicht in der Ehe geborene Kind – auch bei Unterhaltung getrennter Lebenskreise – sein. Denn die Sorgeerklärung kann insbesondere bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Elternteil (noch) mit einem Dritten verheiratet ist.

 

Rz. 46

Im Fall der anderweitigen Ehe des Vaters ist die Abgabe der Sorgeerklärung nach Vaterschaftsanerkennung und erteilter Zustimmung der Mutter unproblematisch möglich. Soweit hingegen die Mutter noch verheiratet ist, gilt nach § 1592 Nr. 1 BGB die gesetzliche Vaterschaft ihres Ehemannes.[211] Es bedarf daher zur Abgabe der Sorgeerklärung und Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht nur der Vaterschaftsanerkennung des leiblichen Vaters, sondern auch der Vaterschaftsanfechtung hinsichtlich des rechtlichen Vaters.[212]

 

Rz. 47

Die Anfechtungsberechtigten ergeben sich aus § 1600 BGB. Hinzuweisen ist insoweit vor allem auf die Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit des lediglich leiblichen Vaters. Dieser kann wegen § 1600 Abs. 2 BGB die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nur anfechten, wenn zwischen diesem und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat. Diese Regelung geht auf eine Grundsatzentscheidung des BVerfG zurück, das die vorherige Fassung dieser Norm für verfassungswidrig erklärt hatte;[213] auch der leibliche Vater könne Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sein, weshalb ihm (allerdings nur) für den vorgenannten Fall eine eigenständige Anfechtungsbefugnis einzuräumen sei. Der EuGHMR hat mit Urteilen vom 22.3.2012 den Anfechtungsausschluss des leiblichen Vaters für den Fall des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind für mit der EMRK vereinbar erklärt,[214] ebenso in der Nachfolge – wie bereits zuvor – das BVerfG.[215]

[211] Rauscher, FPR 2002, 352.
[212] Warnitzek, FPR 2002, 390.
[213] BVerfG FamRZ 2003, 816.
[214] EuGHMR, Urteile vom 22.3.2012 – Individualbeschwerden Nr. 45071/09 [Ahrens/Deutschland] und Nr. 23338/09 [Kautzor/Deutschland], juris; Anm. Wellenhofer, FamRZ 2012, 828; vgl. auch EuGHMR, Urt. v. 11.12.2012 – Individualbeschwerde Nr. 11858/10 [Koppikar/Deutschland]; ebenso OLG Nürnberg FamRZ 2013, 327.

aa) Rechtsnatur der Sorgeerklärung

 

Rz. 48

Bei der Sorgeerklärung handelt es sich um eine höchstpersönliche, formbedürftige, bedingungsfeindliche und nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit keiner Entscheidung des Familiengerichts, sondern lediglich der Einhaltung des Formerfordernisses des § 1626d BGB, d.h. der öffentlichen Beurkundung. Beurkundende Stelle ist regelmäßig das Jugendamt. In diesem Fall ist die Beurkundung kostenfrei, anders, wenn der Notar die Beurkundung vornimmt. Nicht berechtigt zur Beurkundung ist der Standesbeamte.[216] Ist ein Elternteil der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, so bedarf es zur Beurkundung der Sorgeerklärung eines Dolmetschers; dabei sind die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes über die Ausschließung eines Dolmetschers wegen Verwandtschaft mit einem der Elternteils zu beachten (§ 7 Nr. 3 BeurkG).[217] Eine Sorgeerklärung kann gemäß § 155a Abs. 5 FamFG nunmehr erstmals auch beim Familiengericht im laufenden Verfahren in einem Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts abgegeben werden oder formwirksam in einem gerichtlichen Vergleich erfolgen,[218] da dieser der Protokollierung zur Niederschrift des Gerichts gleichgestellt werden kann. Hingegen kommt eine Sorgeerklärung durch schriftlichen Vergleich i.S.v. § 36 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO nicht in Betracht.[219] Dieser kann allerdings nicht gerichtlich gebilligt werden, da ein gerichtlich gebilligter Vergleich nur über das Umgangsrecht mit einem Kind und über die Herausgabe eines Kindes geschlossen werden kann (§ 156 Abs. 2 FamFG, siehe dazu § 2 Rdn 237).[220] Ergeht trotzdem ein Genehmigungsbeschluss, so richtet sich dieser ins Leere, da ihm die formale Grundlage eines wirksam geschlossenen gerichtlich gebilligten Vergleichs fehlt.[221]

 

Rz. 49

Da es nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB zweier übereinstimmender Sorgeerklärungen bedarf, war eine gemeinsame elterliche Sorge gegen den Willen der Mutter nach früherer Gesetzeslage nur sehr eingeschränkt über § 1680 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1666 BGB erreichbar.[222] Dies hat indessen bereits die Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010[223] und schließlich das zum 19.5.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern[224] grundlegend geändert (siehe hierzu Rdn 35 ff.).

[216] BT-Drucks 13/4899, S. 95.
[217] OVG Münster JA...

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