Rz. 5

Obwohl der Rechtsanwalt bei der Annahme von Mandaten frei ist, können ihn berufsrechtliche Grundpflichten daran hindern, das Mandat anzunehmen oder fortzuführen.

 

Rz. 6

Die Berufspflichten werden in der juristischen Ausbildung meist stiefmütterlich behandelt, da sie nur selten einen Schwerpunkt der Ausbildung darstellen. Insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen weisen im Berufsrecht Lücken auf. Diesbezüglich hat der Bundestag jüngst im Rahmen der BRAO-Reform die Einführung von § 43f BRAO beschlossen, wonach Anwältinnen und Anwälte künftig in einer Lehrveranstaltung von mindestens zehn Zeitstunden Kenntnisse im Berufsrecht, spätestens bis zum Ende des ersten Jahres nach Zulassung, erwerben müssen.[7]

Schließlich scheuen aber auch ältere Kolleginnen und Kollegen teilweise die Auseinandersetzung mit den Berufspflichten. Insbesondere im Erbrecht spielt jedoch die Berufspflicht des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen bzw. des strafrechtlichen Parteiverrats eine bedeutende Rolle. Daher muss das Verbot der widerstreitenden Interessen aufgrund seiner hohen Praxisrelevanz im erbrechtlichen Mandat in den Vordergrund der vorliegenden Bearbeitung gerückt und der anwaltlichen Vergütung in Erbsachen vorangestellt werden.

[7] Die BRAO-Reform tritt zum 1.8.2022 in Kraft.

1. Unabhängigkeit

 

Rz. 7

Den Rechtsanwalt trifft zunächst die allgemeine Verpflichtung zur Unabhängigkeit, wonach er keine Bindungen eingehen darf, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden, § 43a Abs. 1 BRAO. Daneben darf der Rechtsanwalt sich im Rahmen seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten, § 43a Abs. 3 S. 1 BRAO. Unsachlich ist danach insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzende Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrenslauf keinen Anlass geben, § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO.

2. Verschwiegenheit

 

Rz. 8

Im Verhältnis zum Mandanten bildet die Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB einen Hauptpunkt der anwaltlichen Berufspflichten. Die Verschwiegenheitspflicht bildet die unerlässliche Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant.[8] Der Mandant darf darauf vertrauen, dass der Rechtsanwalt ohne seinen Willen keine Informationen offenbart, die ihm anvertraut worden sind.[9] Die Verschwiegenheitspflicht umfasst daher alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat.[10] Hierzu gehört nicht das Wissen, was dem Rechtsanwalt nur anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit zur Kenntnis kommt, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht.[11] Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt das Wissen als wartender Zuhörer einer Gerichtsverhandlung erwirbt, die mit seinem Mandat nichts zu tun hat.[12]

 

Rz. 9

Neben der Verschwiegenheitspflicht treffen den Rechtsanwalt Sorgfaltspflichten bezogen auf die Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte aus § 43a Abs. 5 BRAO sowie die Pflicht zur Anlegung und Aufbewahrung von Handakten, § 50 Abs. 1 und Abs. 2 BRAO.

[8] Kleine-Cosack, § 43a BRAO Rn 5.
[9] Henssler/Prütting/Henssler, § 43a BRAO Rn 45.
[10] BGH NJW 2011, 1077, 1078.
[11] BGH NJW 2011, 1077, 1078.
[12] BGH NJW 2011, 1077, 1078.

3. Interessenkollision

 

Rz. 10

Für das erbrechtliche Mandat bildet das Verbot der Vertretung der widerstreitenden Interessen aus § 43a Abs. 4 BRAO einen Grundpfeiler der anwaltlichen Berufspflichten im Verhältnis zum Mandanten. In der alltäglichen Praxis ist es vielen Rechtsanwälten gerade bei der Vertretung von erbrechtlichen Mandanten nicht bewusst, dass eine Interessenkollision vorliegt, welche den Rechtsanwalt dazu zwingt, die Annahme des Mandats abzulehnen bzw. das angenommene Mandat insgesamt sofort niederzulegen. Eine empirische Studie[13] aus dem Jahre 2011 führt das Problem vor Augen. Durchschnittlich mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den zurückliegenden drei Jahren fünf Mandate wegen einer Interessenkollision ablehnen.[14] Aus diesem Grund soll im Folgenden zunächst das Verbot der widerstreitenden Interessen abstrakt unter Berücksichtigung seiner gebührenrechtlichen Folgen dargestellt werden, bevor mögliche Fallstricke im Erbrecht skizziert werden. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen aktuell vom Gesetzgeber in § 43a Abs. 4 BRAO reformiert wird. Der Bundestag hat die Reform jüngst verabschiedet und § 43a Abs. 4 BRAO neu gefasst und Abs. 5 und Abs. 6 neu eingeführt:

 

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung...

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