Rz. 82

Eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) gilt das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG); im BGB ist nur § 1587 BGB als Grundnorm mit dem Verweis auf das Versorgungsausgleichsgesetz verblieben.[84]

Verfahrensrechtlich gelten, ebenfalls ab dem 1.9.2009, §§ 111 Ziff. 7, 137 Abs. 2 i.V.m. §§ 217 ff. FamFG.

 

Rz. 83

Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:

Abschaffung des Einmalausgleichs zugunsten des Hin- und Her-Ausgleichs aller einzelnen Versorgungsanrechte.
Eine Verrechnung von Versorgungen gleicher Art nimmt nicht das Familiengericht vor; sie wird von dem Versorgungsträger beim Vollzug der rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts vorgenommen. Gleiches gilt, wenn verschiedene Versorgungsträger zuständig sind und eine Verrechnung vereinbart haben, § 10 Abs. 2 VersAusglG.
Bei einer Ehedauer von unter drei Jahren findet der Versorgungsausgleich nur auf Antrag statt. Der Antrag kann voraussetzungslos und ohne anwaltliche Vertretung gestellt werden, § 3 Abs. 3 VersAusglG, § 114 Abs. 4 Nr. 7 FamFG. Der Antrag ist nicht fristgebunden. Für ihn gilt insbes. nicht die Zweiwochenfrist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG für die Einbeziehung von Folgesachen in den Verbund, weil der Versorgungsausgleich auch in Fällen kurzer Ehezeit ab Stellung des Ehescheidungsantrages im Verbund steht: Die Dauer der Ehezeit konkretisiert sich erst mit der Zustellung des Scheidungsantrages. Der Verbundcharakter bleibt bis zur Endentscheidung bestehen, so dass der Antrag auch noch im Beschwerdeverfahren gestellt werden kann.[85]

Kein Ausgleich von Anrechten bei Geringfügigkeit, § 18 VersAusglG. Nach dieser Vorschrift soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz der Ausgleichswerte gering ist, § 18 Abs. 1 VersAusglG. Einzelne Anrechte sollen nicht ausgeglichen werden, wenn sie einen geringen Ausgleichswert haben, § 18 Abs. 2 VersAusglG. Gering ist der Wertunterschied/Ausgleichswert nach § 18 Abs. 3 VersAusglG, wenn er bestimmte Bezugsgrößen nach § 18 Abs. 2 SGB IV nicht übersteigt; d.h. für 2012: Renten von monatlich 26,20 EUR und Kapitalwerte von (2.625 EUR x 120 %) 3.150 EUR. Die zu § 18 VersAusglG in Literatur und Judikatur der Oberlandesgerichte kontrovers diskutierten Fragen sind inzwischen durch den BGH wie folgt entschieden worden:[86]

Die Abs. 1 und 2 stehen nicht in einem Rangverhältnis der Art, dass gleichartige Anrechte, deren Ausgleichswertdifferenz die Bagatellgrenze überschreiben, anschließend noch einzeln einer Überprüfung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG unterzogen werden können; vielmehr findet auf Anrechte gleicher Art i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG Abs. 2 der Vorschrift keine Anwendung.[87]
Für die Feststellung der Geringfügigkeit ist in der gesetzlichen Rentenversicherung der Kapitalwert maßgebend, weil die maßgebliche Bezugsgröße nach § 64 Ziff. 1 SGB VI die Entgeltpunkte und kein Rentenbetrag sind.
Anrechte in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung Ost sind wegen der abweichenden Dynamik bis zur Einkommensangleichung nicht mit Anrechten in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung West i.S.d. § 18 Abs. 1 VersAusglG gleichzusetzen.
Die Entscheidung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG ist unter besonderer Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes zu treffen, der den Ausgleich eines einzelnen Anrechts mit geringem Ausgleichswert gebieten kann, wenn mit dem Ausgleich kein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand für die Versorgungsträger verbunden ist.[88]
Erleichterte Möglichkeit vertraglicher Regelungen, §§ 68 VersAusglG, sie unterliegen nicht mehr der Genehmigung des Gerichts, sondern nur seiner Inhaltskontrolle. Maßgeblich sind die von der Rspr. für Eheverträge und Ehescheidungsfolgenvereinbarungen entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle und die maßgeblichen Regelungen der betroffenen Versorgungsträger bzw. deren Zustimmung, § 8 Abs. 1 und 2 VersAusglG. Eine Veränderung der Ehezeit durch vertragliche Regelung ist nicht möglich, wohl aber die Herausnahme eines bestimmten Teils der Ehezeit aus dem Versorgungsausgleich.[89]
Nicht nur private Rentenversicherungen, sondern auch private Kapitalversicherungen unterfallen dem Versorgungsausgleich, wenn es sich um Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung oder Versorgungsverträgen i.S.d. BetrAVG oder des AltZertG handelt, § 2 Abs. 3 Nr. 3 VersAusglG.[90] Der BGH hat seine (umstrittene) Rspr. zum alten Recht auf das neue Recht übertragen, wonach bei einer privaten Rentenversicherung die Ausübung des Kapitalwahlrechtes selbst dann dazu führt, dass diese Versicherung nicht mehr im Versorgungsausgleich ausgeglichen werden kann, wenn die Ausübung des Kapitalwahlrechts nach dem Ende der Ehezeit oder sogar während des laufenden Beschwerdeverfahrens erfolgt ist; § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG kann danach nicht im Wege einer teleologischen Auslegung auf private Rentenversicherungen nach Ausübung eines Kapitalwahlrechts an...

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