Rz. 372

Eine betriebsbedingte Kündigung ist aber nur dann wirksam, wenn durch das dringende betriebliche Erfordernis der Arbeitsplatz bzw. das Bedürfnis zur weiteren Beschäftigung des Arbeitnehmers dauerhaft wegfällt.[393] Nicht erforderlich ist aber, dass aufgrund der Veränderungen der betrieblichen Bedürfnisse ein bestimmter Arbeitsplatz wegfällt.

 

Rz. 373

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sind die dringenden betrieblichen Erfordernisse, die zum Wegfall eines Arbeitsplatz geführt haben, zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung nur dann geeignet, wenn keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht. Eine Kündigung, die der Arbeitgeber wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erklärt, ist nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin anderweitig beschäftigen kann.

 

Rz. 374

 

Hinweis

Bei der Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sind auch die Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist dem betrieblichen Weisungsrecht unterstehende Leiharbeitnehmer einsetzt. Tritt der Arbeitgeber einem dahingehenden Sachvortrag des Arbeitnehmers mit der Argumentation entgegen, der Einsatz von Leiharbeitnehmern erfolge jeweils nur kurzfristig und unstet bei einem Ausfall von Stammarbeitnehmern, so obliegt dem Arbeitgeber der Beweis, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Einsatz von Leiharbeitnehmern über den Kündigungstermin hinaus nicht absehbar war.[394]

1. Freie Arbeitsplätze

 

Rz. 375

Trotz Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers kann eine betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt sein, wenn die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht; diese besteht grundsätzlich nur auf einem freien oder voraussehbar bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers frei werdenden Arbeitsplatz,[395] auf dem der Arbeitnehmer ohne Änderung des Arbeitsvertrages kraft Weisungsrechts weiter beschäftigt werden könnte.[396]

 

Rz. 376

 

Hinweis

Kommen mehrere Arbeitnehmer, deren Kündigung ansteht, für einen freien Arbeitsplatz in Betracht, hat die Auswahl unter ihnen nach den Kriterien der sozialen Auswahl (siehe Rdn 404 ff.) zu erfolgen.

 

Rz. 377

Frei ist also ein Arbeitsplatz,

der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt ist oder
der mit hinreichender Sicherheit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird oder
unmittelbar nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung steht oder
für den im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass er in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden wird, falls die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist.
 

Rz. 378

Ausnahmsweise gilt als freier Arbeitsplatz also auch ein solcher, von dem im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass er in absehbarer Zeit nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers frei wird, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist: Nach der Rechtsprechung des BAG ist jedenfalls ein solcher Zeitraum zumutbar, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung ebenfalls benötigen würde.[397]

 

Rz. 379

 

Beispiel

Die Überbrückung von sechs Monaten bei einem noch keine drei Jahre währenden Arbeitsverhältnis ist dem Arbeitgeber schon außerhalb der Insolvenz unzumutbar, wenn die Einarbeitungszeit eines neu eingestellten Mitarbeiters erheblich kürzer wäre.[398] Die Zeitspanne einer zumutbaren Überbrückung in der Insolvenz wird noch deutlich kürzer zu bemessen sein.

 

Rz. 380

Soll als anderweitige Beschäftigung eine solche auf einem anderweitigen Arbeitsplatz in Betracht kommen, kann die betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt sein, wenn er beiden Parteien zumutbar ist und der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung ein ihm – infolge Vorhersehbarkeit der künftigen Entwicklung – mögliches Änderungsangebot unterlassen hat, sofern der Arbeitnehmer einem solchen Angebot zumindest unter Vorbehalt zugestimmt hätte (hypothetische Zustimmung und Zumutbarkeit).[399]

 

Rz. 381

 

Beispiel

Hypothetische Zustimmung und Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer sind im Zweifel nicht anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer Herabstufungen vom Verkaufsleiter zu einem – einem anderen Verkaufsleiter unterstellten – Außendienstmitarbeiter mit Gehaltseinbußen von monatlich etwa 3.000 DM sowie einen weiträumigen Ortswechsel hätte hinnehmen müssen.[400]

 

Rz. 382

Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht demgegenüber nicht, wenn der Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solcher bereits nicht mehr exist...

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