Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. anderweitige Beschäftigung. Abbau von Leiharbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kündigung, die der Arbeitgeber wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erklärt, ist nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis „bedingt”, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin anderweitig beschäftigen kann.

2. Bei der Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sind auch die Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist dem betrieblichen Weisungsrecht unterstehende Leiharbeitnehmerinnen einsetzt.

3. Tritt der Arbeitgeber einem dahingehenden Sachvortrag der Arbeitnehmerin mit der Argumentation entgegen, der Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen erfolge jeweils nur kurzfristig und unstet bei einem Ausfall von Stammarbeitnehmerinnen, so obliegt dem Arbeitgeber der Beweis, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen über den Kündigungstermin hinaus nicht absehbar war (Beweisführung hier nicht gelungen).

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Urteil vom 06.07.2006; Aktenzeichen 1 Ca 451/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2006 – 1 Ca 451/06 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29.03.2006 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Näherin weiterzubeschäftigen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ¼ und die Beklagte ¾ der Kosten des Rechtsstreits.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine aus betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung vom 29.03.2006 zum 31.05.2006 und begehrt ihre Weiterbeschäftigung. Daneben verfolgt die Klägerin ein Feststellungsbegehren betreffend die Widerruflichkeit finanzieller Arbeitgeberleistungen.

Die Klägerin ist seit dem 05.10.1998 als Näherin bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt verdiente sie monatlich 1.827,00 EUR brutto. Die Beklagte stellt Polstermöbel her. Die Beklagte beschäftigte im Zeitpunkt der Kündigung mehr als 90 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 28.10.1998 (voller Text: Kopie Bl. 10 – 11 R GA) enthält unter anderem die nachfolgende Regelung:

„§ 3 Vergütung

Der Arbeitnehmer erhält einen Grundlohn von derzeit 16,50 DM/Stunde.

Hinzu kommen folgende Zuschläge:

keine

Soweit darüber hinaus Zahlungen geleistet werden, insbesondere Gratifikationen, handelt es sich um freiwillige Zahlungen, die jederzeit widerruflich und bei Ausscheiden rückzahlbar in den von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen sind.

Lohnforderungen des Arbeitnehmers dürfen außer an seine unterhaltsberechtigten Personen oder an seine frühere Arbeitgeber nicht abgetreten oder verpfändet werden. Bestehende Lohnabtretungen oder – verpfändungen hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen.

Entsprechende betriebliche Bearbeitungskosten werden dem Arbeitnehmer mit 10 % des jeweils an den Gläubiger überwiesenen Betrages in Rechnung gestellt.”

In einer Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 (Bl. 39 GA) heißt es unter 4.) und 5.):

„4.) Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist für das Jahr 2005 / 2006 garantiert.

Grundsätzlich handelt es sich beim Weihnachts- und Urlaubsgeld um eine freiwillige jederzeit kündbare Sonderzahlung des Arbeitgebers.

5.) Die Betriebsvereinbarung gilt bis zum 31.12.2006 und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum 31.12.2006 gekündigt werden. Die Punkte eins und zwei bleiben so lange bestehen, bis eine neue Vereinbarung getroffen wird.”

Die Klägerin war als Näherin in der Näherei- und Vliesabteilung eingesetzt. Dieser Abteilung gehörten im März 2006 16 Arbeitnehmerinnen an, von denen sich die Arbeitnehmerin B6xxxxxx M2xxxxx seit dem 01.01.2004 und weiterhin in Elternzeit befindet. Wegen der Namen und Sozialdaten der 16 Arbeitnehmerinnen der Näherei- und Vliesabteilung wird auf die tabellarische Aufstellung der Beklagten in der Klageerwiderung vom 19.05.2006 Bezug genommen (Bl. 20 GA). In der Abteilung Näherei / Vlies waren seit 2004 zu verschiedenen Zeiten sieben verschiedene Leiharbeitnehmerinnen tätig (Einzelheiten: Aufstellung der Beklagten Bl. 254 GA). Im Zeitpunkt der Kündigung waren in der Abteilung die Leiharbeiterinnen Frau F1xxxxx und Frau S7xxxxxxx, beide seit dem 04.01.2006, und Frau P2xxxx seit dem 11.01.2006 tätig.

Der Einsatz von Frau S7xxxxxxx währte bis zum 15.09.2006. Frau F1xxxxx und Frau P3xxxx sind seit Januar 2006 durchgehend bis heute (März 2007) in der Abteilung tätig. Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 wurden die Leiharbeitnehmerinnen T2xxxxxxxx und K2xxxxxxx vom 25.04.2006 bis zum 24.05.2006 bzw. vom 03.05.2006 bis zum 24.05.2006 in der Abteilung eingesetzt. Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Anhörungsbogen vom 17.03.2006 nebst Anlage zu einer gegenüber der Klägerin auszusprechenden Kündigu...

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