Wenn Arbeitnehmer den Urlaub verfallen lassen - Rechtsfolgen und Sonderfälle
Urlaub soll angeblich die schönste Zeit des Jahres sein. Das klappt aber in der Realität nicht immer und das scheitert oft nicht erst am Urlaubsdomizil. Jeder dritte Arbeitnehmer in Deutschland verzichtet laut der Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) auf Urlaubstage und geht stattdessen arbeiten. Das ist nicht nur schade für ihn. Es ist nicht nur ungesund, sondern auch arbeitsrechtlich problematisch, wenn der #Urlaub von Mitarbeitern #verfällt.
Wann ist Urlaub zu nehmen, wann verfällt er?
Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) muss der Jahresurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden , § 7 Abs. 3 BUrlG.
- Dringende betriebliche (termingebundene Aufträge) oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe (Arbeitsunfähigkeit, Pflege von erkrankten Angehörigen) können es jedoch rechtfertigen, den Urlaub in das darauf folgende Kalenderjahr zu übertragen.
- Dann aber muss er in den ersten drei Monaten genommen werden.
Andernfalls verfällt er. Einige Ausnahmen hiervon finden sich in verschiedenen Gesetzen, beispielsweise aus Gründen des Mutterschutzes oder in der Elternzeit (§ 7 Abs. 3 BurlG, § 17 MuSchG, § 17 BEEG, § 4 ArbPlSchG).
Hinweis: Eine vorzeitige Erfüllung in Form der Gewährung des erst im nächsten Jahr entstehenden Urlaubsanspruchs ist unwirksam; sie führt nicht zum Erlöschen des Urlaubsanspruchs des nächsten Jahres.
Die Vorschriften dienen in ihrer Gesamtheit dem Ziel, zu verhindern, dass durch eine übermäßige Ansammlung von Urlaubstagen der Zweck des Urlaubs, nämlich die Erholung des Arbeitnehmers, verfehlt wird.
Urlaubsansprüche können verfallen
Hat der Arbeitnehmer den Urlaub innerhalb des Urlaubsjahres oder bei zulässiger Übertragung innerhalb des Übertragungszeitraums nicht geltend gemacht und abgewickelt, verfällt sein Anspruch sowohl auf die Freizeit als auch auf die Zahlung des entsprechenden Urlaubsentgelts.
Achtung: Hinweispflichten für Arbeitgeber
Diese Regel, dass Urlaubsansprüche verfallen, gilt nach der neueren Rechtsprechung des BAG - in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH - nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auf den drohenden Verfall des Urlaubs hingewiesen und er dem Arbeitnehmer eine angemessene Gelegenheit zum rechtzeitigen Antritt des noch bestehenden Urlaubsanspruchs gegeben hat (BAG, Urteil v. 19.2.2019, 9 AZR 541/15; EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-684/16).
Haftung des Arbeitgebers für nicht genommenen Urlaubstage
Auch Schadensersatz wegen nicht gewährten Urlaubs kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub rechtzeitig geltend gemacht hat und der Arbeitgeber den Urlaub pflichtwidrig vorsätzlich oder fahrlässig nicht gewährt hat oder nicht auf den möglichen Verfall hingewiesen hat.
Schadenersatz auch ohne Urlaubsantrag?
Eine Ausnahmeentscheidung hierzu bildete früher das Urteil des Landgerichts Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.6.2014, 21 Sa 221/14).
- Die Richter entschieden, dass allein der Arbeitgeber Sorge dafür zu tragen habe, dass Mitarbeiter ihren Urlaub im vorgesehenen Zeitraum nutzen.
- Der Arbeitgeber müsse den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters vergleichbar mit dem gesetzlichen Anspruch auf Ruhepausen und Ruhezeiten von sich aus erfüllen.
- Komme er dieser Verpflichtung nicht nach und der Urlaubsanspruch verfalle deshalb, drohten ihm Schadensersatzansprüche.
Das Berliner Urteil korrespondiert nun mit der neuen Rechtsprechung des BAG zu den Hinweispflichten des Arbeitgebers auf den zu nehmenden Jahresurlaub und dürfte daher nun allgemein Anwendung finden.
Sonderfall Scheinselbstständigkeit
Nach einer Entscheidung des EuGH verfällt der Anspruch auf Jahresurlaub bei Scheinselbstständigen dann nicht, wenn der Arbeitnehmer diesen aus Gründen, die unabhängig von seinem Willen sind, nicht nehmen konnte und/oder er nicht wusste, dass er Arbeitnehmer ist und für seinen Urlaubsanspruch Verfallsfristen gelten (EuGH, Urteil v. 29.11.2017, C 214/16).
Urlaub und lange Krankheit
Probleme in Sachen Urlaubsverfall ergeben sich insbesondere, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt. Hier hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu einer grundlegenden Änderung der Rechtsprechung des BAG geführt.
- Jahrelang vertrat das BAG die Ansicht, dass ein Urlaubsanspruch spätestens dann verfällt, wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsübertragungszeitraums, also dem 31. März des Folgejahrs, krank war.
- Der EuGH kassierte diese Rechtsprechung des BAG, da sie gegen die europäische Arbeitszeitrichtlinie verstieß.
- Mittlerweile gilt: Kann der Arbeitnehmer seinen Urlaub aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraumes nicht nehmen, bleibt der Urlaubsanspruch als Freizeitanspruch zunächst erhalten.
Verfall nach 15-Monatsfrist ist laut EuGH zulässig
Weil sich bei Arbeitnehmern, die über mehrere Jahre arbeitsunfähig erkrankt sind, die so jährlich erworbenen Urlaubsansprüche ins Unermessliche addierten, setzte der EuGH ein Limit fest.
Mit Urteil vom 22.11.2011 hat der EuGH entschieden:
- dass Artikel 7 I. der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates dahingehend auszulegen ist,
- dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften wie Tarifverträgen nicht entgegensteht,
- die das Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub aus vergangener Zeit auf einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten beschränken.
Nach dem Urteil des EuGH ist der § 11 Abs. Unterabs. 3 des EMTV, der einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten bei Krankheit vorsieht, nicht zu beanstanden, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers über diesen Zeitraum hinaus ununterbrochen andauert, und verstößt nicht gegen Europarecht.
Dem folgte auch das Bundesarbeitsgericht (BAG v. 18.09.2012, 9 AZR 623/10).
Das BAG hat jedoch auch klargestellt, dass die Arbeits- oder Tarifvertragsparteien die den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch übersteigenden Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche frei regeln können. So kann zum Beispiel auch deren Verfall - allerdings bedarf es hierfür einer ausdrücklichen Regelung - vereinbart werden.
Arbeitsplatzwechsel
Bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines laufenden Jahres kann der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz dem ihm noch verbliebenen Urlaub aus der alten Beschäftigung übernehmen. Gemäß § sechs Abs. 2 BurlG ist der bisherige Arbeitgeber verpflichtet, eine Bescheinigung über den bereits genommenen Urlaub auszustellen. Damit soll eine doppelte Beanspruchung von Urlaub vermieden werden.
Vererblichkeit des Urlaubsanspruchs
Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers können von dessen ehemaligem Arbeitgeber eine Vergütung für den vom Arbeitnehmer noch nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen (EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-569/16).
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