BAG-Urteil: Bei Sonderurlaub entsteht kein Erholungsurlaub

Nach Urteilen zu Verfall, Übertragbarkeit oder Vererbbarkeit von Urlaub hat das BAG nun erneut zu Urlaubsfragen entschieden – und dabei seine bisherige Rechtsprechung geändert. Im konkreten Fall ging es darum, ob ein Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub auch während der Zeit eines unbezahlten Sonderurlaubs entsteht.

Noch im Jahr 2014 hatte das Bundesarbeitsgericht einen Urlaubsanspruch nach Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) im Zusammenhang mit unbezahltem Sonderurlaub wie folgt begründet (BAG, Urteil vom 6.5.2014, Az. 9 AZR 678/12): "Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat." Das bedeutete im konkreten Fall: Trotz neun Monaten Sonderurlaub war in dieser Zeit ein Anspruch auf elf Tage Erholungsurlaub entstanden.

Der Fall: Zwei Jahre unbezahlter Sonderurlaub vereinbart

Diese Rechtsprechung hat das BAG mit dem aktuellen Fall nun explizit aufgegeben. Dabei klagte eine Beschäftigte, die mit dem Arbeitgeber von September 2013 bis Ende August 2015 unbezahlten Sonderurlaub vereinbart hatte. Zwar hatte der Arbeitgeber 2013 bereits 16 und 2015 insgesamt 23 Urlaubstage gewährt. Die Mitarbeiterin verlangte jedoch die gesamten noch offenen Urlaubstage aus den Jahren 2013 bis 2015. Sie vertrat die Auffassung, Urlaubsansprüche entstünden auch im ruhenden Arbeitsverhältnis. Eine Kürzung dieser Ansprüche sei daher unzulässig.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wiederum hatte der Beschäftigten den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Urlaubstagen für das Jahr 2014 zugesprochen.

BAG: Kein Anspruch auf Erholungsurlaub bei unbezahltem Sonderurlaub

In der Revision vor dem BAG ging es nun noch um die 20 Urlaubstage aus dem Jahr 2014. Diese seien nach Auffassung des Arbeitgebers gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD in Verbindung mit § 7 Abs. 3 BUrlG bereits Ende Dezember 2014, spätestens jedoch Ende März 2015 und allerspätestens Ende Mai 2015 untergegangen. Im Ergebnis hat das BAG nun dem Arbeitgeber zugestimmt. Die Mitarbeiterin hat für das Jahr 2014 keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub.

In der Begründung nahmen die Erfurter Richter jedoch zunächst Bezug auf die Umrechnung in § 3 Abs. 1 BUrlG. Danach beläuft sich laut Gesetz der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünf-Tage-Woche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten.

Neue Rechtsprechung: Unbezahlter Sonderurlaub bei Urlaubsdauer berücksichtigen

Diese Umrechnung hat das BAG in Fällen des Sonderurlaubs bislang gerade nicht vorgenommen, wie der Blick auf das anfänglich zitierte Urteil vom 6. Mai 2014 (Az. 9 AZR 678/12) zeigt. Eben diese Rechtsprechung wollte der Senat nun jedoch nicht mehr aufrechterhalten.

Vielmehr legt das BAG nun fest: Es müsse bei der Berechnung der Urlaubsdauer berücksichtigt werden, wenn sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub befinde und daher die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch vereinbarten Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führe dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zustehe.

Auswirkungen auf andere unbezahlte Freistellungen

Ob sich diese neue Rechtsprechung auch auf andere unbezahlte Freistellungen auswirkt, bei denen das Arbeitsverhältnis ruht und die Hauptleistungspflichten durch Vereinbarung ausgesetzt sind, dürfte wohl erst die ausführliche Urteilsbegründung zeigen.

In dieselbe Kürzungs-Kerbe schlug das BAG auch mit einem anderen aktuellen Urteil (Urteil vom 19.3.2019, Az. 9 AZR 362/18) vom selben Tag, das die bestehende Sonderregel des § 17 BEEG explizit bestätigt hat. Danach darf der Arbeitgeber den Urlaub wegen Elternzeit kürzen.Das BAG folgte damit auch der Rechtsprechung des EuGH.

Hinweis: BAG, Urteil vom 19. März 2019, Az. 9 AZR 315/17; Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 2017, Az. 11 Sa 2068/16


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