Schadensersatz für verfallenen Urlaub auch ohne Antrag

Ob zuvor gefordert oder nicht: Verfällt der Urlaub zum Ende des Jahres oder Übertragungszeitraums, können Mitarbeiter vom Arbeitgeber Schadensersatz verlangen. Die Folge: Ersatzurlaub oder Urlaubsabgeltung. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden und damit dem BAG widersprochen.

In schöner Regelmäßigkeit hat der Europäische Gerichtshof zuletzt das deutsche Urlaubsrecht umgestaltet und teils jahrelang geltende Grundsätze des BAG umgekrempelt. Jüngst entschieden die Luxemburger Richter etwa, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bestehen bleibt, auch wenn der Arbeitnehmer verstirbt. Das Bundesarbeitsgericht werde seine bisherige Rechtsprechung wohl ändern müssen, erläuterte kurz nach der Bekanntgabe des Urteils etwa Dr. Marcus Richter im Interview. "Die Urlaubsabgeltung wird damit Teil des Erbes."

Arbeitgeber hat für Urlaub zu sorgen

Nun scheint das LAG Berlin-Brandenburg an die Tradition des EuGH anzuknüpfen und begehrt wohl – momentan liegt lediglich eine Pressemitteilung, nicht jedoch die gesamten Urteilsbegründung vor – gegen das BAG auf. Die Berliner Richter entschieden, dass allein der Arbeitgeber Sorge dafür zu tragen hat, dass Mitarbeiter ihren Urlaub im vorgesehenen Zeitraum nutzen. Er muss den Anspruch des Mitarbeiters aus dem Bundesurlaubsgesetz ebenso wie den Anspruch auf Ruhepausen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz von sich aus erfüllen.

Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und verfällt der Urlaubsanspruch deshalb, beispielsweise nach Ablauf des Übertragungszeitraums Ende März des Folgejahres, drohen ihm Schadenersatzansprüche. Der Mitarbeiter kann sodann Ersatzurlaub verlangen oder – wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist – die Abgeltung des noch ausstehenden Urlaubs.

Schadensersatz – unabhängig vom Urlaubsantrag

Im aktuellen Fall hatten Kläger und Beklagter das Arbeitsverhältnis bereits beendet. Der Arbeitnehmer forderte vom Arbeitgeber jedoch, dass dieser den ausstehenden Urlaub für das Jahr 2012 noch ausbezahlen sollte. Das Unternehmen lehnte ab mit der Begründung, dass der Mitarbeiter den Urlaubsanspruch nicht während des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht hatte – weder bis 1. Januar 2013 noch bis zum Ende des Übertragungszeitraums im März 2013.

Dennoch verurteilte das LAG das Unternehmen dazu, den noch offenen Urlaub abzugelten. Es komme nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer vor dem Verfall des ursprünglichen Urlaubsanspruchs rechtzeitig Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber in Verzug gesetzt hatte, urteilten die Richter. Der Arbeitgeber habe dagegen seine Verpflichtung, den Urlaub zu erteilen, schuldhaft verletzt und müsse daher Schadensersatz leisten.

Widerspruch zum Bundesarbeitsgericht

Mit ihrer Entscheidung setzte sich das LAG in Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 15. September 2011, Az. 8 AZR 846/09). Nach Ansicht der obersten Arbeitsrichter ist der Arbeitgeber nämlich nur berechtigt, nicht jedoch verpflichtet, den Urlaubsanspruch zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubswunsch äußert. Daher setzt ein Schadensersatzanspruch für den Mitarbeiter voraus, dass dieser den Arbeitgeber in Verzug gesetzt hat. Konkret: Er musste den Urlaub fordern, geltend machen oder für einen bestimmten Zeitraum beantragen.

Da laut LAG der Schadensersatzanspruch gerade nicht davon abhängt, ob sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hat, wurde die Revision zugelassen. Man darf gespannt sein, ob das BAG an seiner Rechtsprechung festhält. Zumindest hat es in diesem Fall – anders als im Verhältnis zum EuGH – das letzte Wort.

Hinweis: Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2014, Az. 21 Sa 221/14

Schlagworte zum Thema:  Urlaub, Schadensersatz, Urlaubsabgeltung