Preisverleihung CHRO of the Year 2019

Seit gestern Abend ist es bekannt: Julia Bangerth, Personalvorständin der Datev, ist "CHRO of the Year 2019". 3.700 HR-Interessierte hatten in einem Online-Voting über die Titelvergabe abgestimmt, die Preisverleihung erfolgte auf der Abendveranstaltung "Human Work/s" im Rahmen der Zukunft Personal Europe 2019. Ein Interview mit der Preisträgerin.

Dreizehn Personalmanager schafften es 2019 auf die Liste der "40 führenden HR-Köpfe", die die Redaktion des Personalmagazins alle zwei Jahre bekanntgibt. Aus diesem Kreis an Persönlichkeiten wählten 3.700 HR-Interessierte in einem Online-Voting erstmals den "CHRO of the Year". Das Ergebnis überrascht: Mit Julia Bangerth, Personalvorständin der Datev eG, hatte eine Kandidatin aus einem mittelständischen Traditionsunternehmen deutlich die Nase vorne. Das Personalmagazin sprach mit ihr über den Transformationsprozess der Datev, ihre bisherigen Erfolge und aktuelle Herausforderungen.

Personalmagazin: Frau Bangerth, was bedeutet die Wahl zum "CHRO of the Year" für Sie?

Julia Bangerth: Ich habe mich wahnsinnig gefreut. Schon die Auszeichnung zu einem der "40 führenden HR-Köpfe 2019" war für mich überraschend. Dass nun sogar noch diese weitere Ehrung dazukommt, konnte ich anfangs gar nicht glauben. Das ist eine tolle Bestätigung für meine persönliche Arbeit, für mein Team und das ganze Unternehmen. Und ich werte es als eine Anerkennung dafür, dass neben den Konzernen auch kleinere und mittelgroße Unternehmen herausragende HR-Arbeit leisten!

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Personalmagazin: Unter den zur Wahl stehenden Persönlichkeiten waren viele bekannte Personalvorstände aus Konzernen. Wie erklären Sie sich Ihre Popularität?

Bangerth: Da kann ich natürlich nur Vermutungen anstellen. Zum einen haben wir bei der Datev in den letzten Jahren einen Transformationsprozess eingeleitet, den die HR-Branche mit zunehmender Aufmerksamkeit verfolgt. Durch verschiedene Veranstaltungen und Formate, die auch für Externe offen sind, gestalten wir diesen Prozess sehr transparent – wie etwa beim Digicamp oder Co-Creation-Camp. Wir sprechen öffentlich über unsere Ideen – das ist für so ein etabliertes Unternehmen, das es jetzt schon mehr als 50 Jahre gibt, durchaus ungewöhnlich. Zum anderen setzen sich auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür ein, unseren Transformationsprozess gemeinsam voranzutreiben.

Im Spannungsfeld zwischen Bestandsgeschäft und Innovation

Personalmagazin: Sie sind seit drei Jahren bei der Datev und haben vor einem Jahr als Personalvorstand die Nachfolge von Herrn von Pappenheim angetreten, der 14 Jahre im Amt war. Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger?

Bangerth: Die Datev leistet seit vielen Jahren hervorragende Personalarbeit. Allerdings verändern sich die Rahmenbedingungen heute in nie dagewesener Geschwindigkeit: Wir erleben aktuell eine exponentielle Dynamik in Märkten und Arbeitsfeldern. Organisationen stehen dabei häufig im Spannungsfeld zwischen Bestandsgeschäft und Innovation – also zwischen Stabilität und Veränderung. Stabilität und Innovation – es ist wichtig, beides zu beherrschen und als Organisation vor allem extrem anpassungsfähig zu sein. Der Mensch als zentraler Faktor gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das ist eine Chance! Personalthemen können heute einen viel strategischeren Wertbeitrag liefern.

Personalmagazin: Was sind die schwierigsten Themen, die man als Personalvorstand zu bewältigen hat?

Bangerth: Unsere Welt verändert sich radikal. Wenn wir die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen beantworten wollen, brauchen wir zunehmend agile Ablauforganisationen und Netzwerkorganisationen. Oft wissen wir dabei zu Beginn des Veränderungsprozesses noch nicht, wie das Ergebnis am Ende im Detail aussehen wird. Die heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind mit dieser notwendigen Flexibilität überfordert. Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wird zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Mit dem klassischen Feindbild Arbeitgeber vers. Arbeitnehmer kommt man nicht weit. Ich bin überzeugt, dass wir das gleiche Ziel verfolgen: Dass die Mitarbeiter einen guten und zukunftsfähigen Arbeitsplatz haben und dass wir den Kunden die bestmöglichen Lösungen bieten.

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Trotz aller anfänglichen Skepsis haben wir es geschafft, eine iterative Betriebsvereinbarung abzuschließen. Wir haben ein Lenkungsboard geschaffen, das paritätisch vonseiten des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer besetzt ist und gemeinsam Entscheidungen trifft. Die dafür notwendige Gesprächsbereitschaft haben wir in den letzten Jahren geübt. Das Ergebnis ist gegenseitig wachsendes Vertrauen. So haben wir schon einige Veränderungsvorhaben in der Organisation gemeinsam erfolgreich begleitet.

Personalmagazin: Welche konkreten Veränderungen oder Errungenschaften in der Personalarbeit können Sie denn aus Ihrer bisherigen Amtszeit als CHRO schon vorweisen?

Bangerth: Mir ist es wichtig, konkrete Schmerzpunkte in der Organisation aktiv anzugehen. Ein Beispiel: In der Vergangenheit gab es bei uns zwei harte Karrierepfade – die Fach- und die Führungslaufbahn. Dazwischen existierte nicht viel. Das agile Arbeiten erfordert mehr und differenziertere Führungsrollen. Wir haben nun die Bandbreite der möglichen Job- und Führungsrollen vergrößert. So können wir die Fokussierung und Passgenauigkeit zwischen Mensch und Stellenanforderung erhöhen. Wenn wir solche Themen angehen, verändern wir dadurch auch die Rahmenbedingungen und unsere Organisationskultur. Begleitend kommunizieren wir extrem viel aus solchen Experimentierräumen heraus, um unsere Learnings für alle erlebbar und transparent zu machen.

Anpassungsfähigkeit der Organisation als wesentlicher Erfolgsfaktor

Personalmagazin: Welche weiteren Themen sehen Sie als zukünftiges Aufgabenfeld in den nächsten zwei Jahren?

Bangerth: Die Anpassungsfähigkeit der Organisation ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor und wird auch weiterhin eine der Hauptherausforderungen sein. Um das zu gewährleisten, arbeiten wir mit Organisationsprototypen, die wir in Anlehnung an agile Softwareentwicklung "Minimum Viable Organisations" nennen. Wir probieren mit einzelnen, sehr verschiedenen Einheiten neue Organisationsformen aus. Denn als Organisation ist es wichtig, nie aufzuhören, sich weiterzuentwickeln, zu reflektieren und zu lernen.

Personalmagazin: Was macht Ihnen an der Personalarbeit besonders Spaß?

Bangerth: Ich arbeite unglaublich gerne mit Menschen und das ist auch eine zwingende Voraussetzung, die man als Personaler haben sollte. Und ich liebe Veränderung. Das ist nicht immer ganz einfach, weil ich damit hin und wieder Menschen überfordere. Ich habe über die Jahre gelernt, da etwas geduldiger zu werden. Aber mich begeistert es einfach, Neues zu lernen.


Das Interview führte Stefanie Hornung, freie Journalistin. Es erschien in voller Länge im Personalmagazin 11/2019. Lesen Sie die gesamte Ausgabe auch in der Personalmagazin-App.


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