Human Works Talks: Individualisierung der Arbeit

Zum ersten Human Works Talk versammelten sich prominente Gäste wie Julia Bangerth, Antje von Dewitz, Karsten Kühn und Matthias Horx. Sie fanden in der steigenden Individualisierung von Arbeitsbedingungen schnell ein gemeinsames Thema. Die Umstellung des Kongresses auf eine virtuelle Talkreihe war für den Veranstalter Mercer-Promerit ein Experiment, doch es entwickelte sich eine spannende Debatte.

Sollte die übliche Arbeitszeit kollektiv verkürzt werden? An dieser Frage schieden sich beim ersten Human Works Talk am 30. Juni 2020 die Geister. Zukunftsforscher Matthias Horx stellte in seiner impulsgebenden Keynote verschiedene Thesen zur Arbeitswelt nach Corona auf. Die steilste Prognose, die er den vier Diskutanten und den rund 520 Zuschauern zu Hause mitgab: Auch in Deutschland werde, nach dem Modell vieler skandinavischer Länder, eine 30-Stunden-Woche bald zum Standard.

Keine kollektive Verkürzung der Arbeitszeit in Aussicht

In der anschließenden Diskussion unter HR-Verantwortlichen über Horx' Thesen wurde diese Idee jedoch schnell verworfen: "Die 30-Stunden-Woche ist zu vereinfacht gedacht", wehrt sich Karsten Kühn gegen die Idee einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung. Der CMO von Hornbach ist auch für das Personalressort der Baumarktkette verantwortlich. Gerade mit Blick auf die skandinavischen Verhältnisse – wo es häufig keinen Ruhetag für Geschäfte und Baumärkte gebe – stelle sich für viele seiner Mitarbeiter gar nicht die Frage nach Stunden, sondern erst einmal, an welchen und an wie vielen Tagen in der Woche sie arbeiten müssten.

Auch für Julia Bangerth, CHRO des Softwareanbieters Datev, ist die Frage nach neuen, kollektiven Stundenmodellen von vornherein falsch gestellt. Für sie sind nicht die Stunden, sondern die Aufgaben das Maß der Dinge. Mit Blick auf die nördlichen Nachbarländer sehe sie aber durchaus alternative Modelle: Morgens im Büro arbeiten, mittags nach Hause zur Familie gehen und Abends nochmal in den Computer schauen, so ein Alltag sei in Deutschland gar nicht umzusetzen, denn: "Das Arbeitszeitgesetz macht das derzeit nicht möglich."

Flexible und individuelle Lösungen gefordert

Der Sportartikelhersteller Vaude biete seinen Mitarbeitenden bereits jetzt die notwendige Flexibiltät, um individuelle Zeitkontingente zu vereinbaren, darauf lege Vaude-CEO Antje von Dewitz besonderen Wert. Die outdoor-begeisterte Belegschaft arbeite bereits zu 40 Prozent in Teilzeitmodellen, erzählt sie. Alle hätten Anspruch auf einen Monat unbezahlten Zusatzurlaub.

Welche Grenzen setzt die unternehmerische Verantwortung?

Individualisierung und Flexibilisierung werden beim Talk schnell zu den treibenden Schlagwörtern. Homeoffice für alle? "Was bleibt, ist der große Wunsch nach Flexibilität," so fasst Achim Lüder, CEO von Mercer Deutschland, seine Erfahrungen mit den vergangenen Wochen zusammen. Kühn fehle häufig die Verhältnismäßigkeit, etwa wenn einzelne Mitarbeiter Fotos vom "Homeoffice" am Strand in Social Media posteten, während andere Mitarbeiter weiterhin im Baumarkt stehen müssten. Das zeigt: Einfache, allgemeinverbindliche Antworten gibt es nicht. Letztlich bewahrheitet sich damit bereits jetzt eine von Horx' Thesen: "Die Individualisierung der Arbeit ist das größte Projekt der kommenden zehn Jahre."

Kai Anderson, Partner von Mercer-Promerit, moderierte die Talkrunde, bei der sich die Gäste in vielen Fragen einig waren. Doch bei der Frage nach der regulierenden Kraft der Märkte zeigten sich deutliche Unterschiede in den Statements, die Anderson seinen Gesprächsteilnehmern entlockte. Von Dewitz meinte, dass sich in bestimmten Bereichen leider zeige, dass sich der Markt eben nicht ausreichend selbst reguliere, weshalb es Mindeststandards und Regeln brauche. "Verantwortung an Sub-Sub-Subunternehmer auszulagern und dann zu sagen 'ich kann mich ja nicht auskennen'", das dürfe einfach nicht möglich sein. Kühn zeigte sich in seinem Konter zwar grundsätzlich "regulierungsskeptisch", aber in dieser speziellen Frage gab er zu, dass Regeln unter bestimmten Voraussetzungen notwendig sein können – solange sie die unternehmerischen Freiheiten nicht begrenzen würden. Denn, so Kühn, "man tut sich zu leicht, zu sagen, dass der Markt das so will". Nur Lüder, der bei Mercer auch die Investitionen seiner Vorsorge-Fonds verantworten muss, glaubt weiterhin an die "positive Kraft der nachhaltigen Investition".


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