Entscheidungsstichwort (Thema)

Erholungsurlaub. Geltendmachung. Kündigungsschutzklage. Übertragung

 

Orientierungssatz

1. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erlischt ersatzlos, wenn er den Arbeitgeber nicht im Urlaubsjahr oder im Fall der Übertragung des Urlaubs nicht innerhalb der Übertragungsfrist auffordert, den Urlaub zeitlich festzulegen.

2. Eine Kündigungsschutzklage enthält regelmäßig keine verzugsbegründende Mahnung.

3. Der Urlaub wird nur dann auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, wenn einer der gesetzlichen Übertragungsgründe vorliegt. Die Ungewißheit, ob das Arbeitsverhältnis im Urlaubsjahr fortbestanden hat, ist kein gesetzlicher Übertragungsgrund.

 

Normenkette

BUrlG § 7

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 08.06.2000; Aktenzeichen 3 Sa 1143/99)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.04.1999; Aktenzeichen 5 Ca 3097/98)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. Juni 2000 – 3 Sa 1143/99 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Abgeltung von Urlaub für das Jahr 1998.

Der schwerbehinderte Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Im Jahr 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1997. Die hiergegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzfeststellungsklage war erfolgreich. Das Arbeitsverhältnis endete aus anderen Gründen zum 31. Dezember 1999. Die Beklagte hatte den Kläger im Jahr 1998 nicht beschäftigt.

Der Kläger hat zunächst Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn erhoben. Im Februar 1999 hat er seine Klage erweitert und zusätzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Urlaubsjahr 1998 30 Urlaubstage zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er hilfsweise Zahlung von 11.500,00 DM brutto Urlaubsabgeltung verlangt hat, ist von dem Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden.

In der Revision hat der Kläger zuletzt beantragt,

an ihn aus dem Rechtsgrund der Urlaubsabgeltung bzw. des Schadenersatzes 11.500,00 DM brutto zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 11.500,00 DM. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden.

I. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht nach § 7 Abs. 4 BUrlG.

1. Mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wandelt sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG ein bis dahin noch nicht erfüllter Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um, ohne daß es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf(ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vgl. BAG 21. September 1999 – 9 AZR 705/98 – BAGE 92, 299 mwN). Abzugelten ist der Urlaub, der zur Zeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber noch geschuldet ist.

2. Zur Zeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schuldete die Beklagte dem Kläger für das Jahr 1998 keinen Urlaub mehr. Der Anspruch des Klägers auf Urlaub für das Jahr 1998 war bereits erloschen.

Der Urlaubsanspruch ist ein gesetzlich bedingter Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Er entsteht nach Ablauf der Wartezeit mit Beginn des jeweiligen Urlaubsjahres und erlischt mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern er nicht vom Arbeitnehmer so rechtzeitig geltend gemacht wird, daß er noch vorher vom Arbeitgeber erfüllt werden kann (so schon BAG 26. Juni 1969 – 5 AZR 393/68 – BAGE 22, 85; 7. Dezember 1993 – 9 AZR 683/92 – BAGE 75, 171 mwN). Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BUrlG verlängert sich die Frist bis zum 31. März des Folgejahres.

Die gesetzliche Befristungsregelung gilt auch für den einzelvertraglich vereinbarten Urlaub, dessen Dauer den gesetzlichen Mindestanspruch von 24 Werktagen (20 Arbeitstagen) übersteigt, sofern der Arbeitsvertrag keine vom Gesetz abweichende Regelung enthält (vgl. zum Tarifurlaub BAG 25. August 1987 – 8 AZR 118/86 – BAGE 56, 53). Eine derartige abweichende Vereinbarung hat der Kläger nicht vorgetragen. Die Beklagte hat ihm für 1998 auch keinen Urlaub erteilt. Sein Anspruch ist mithin wegen Zeitablaufs untergegangen.

II. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht als Schadenersatz.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 16. März 1999 – 9 AZR 428/98 – AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 25 = EzA BUrlG § 7 Nr. 107 mwN) kann der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber wegen des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, anstelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadenersatz Urlaub (Ersatzurlaub) im gleichen Umfang und im Fall der Beendigung einen entsprechenden Abgeltungsbetrag dann verlangen, wenn die Urlaubsgewährung während des Verzugs des Arbeitgebers unmöglich wird (§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 280 Abs. 1, § 249 Satz 1 BGB). Der Arbeitgeber gerät in Verzug, wenn er den vom Arbeitnehmer angemahnten (§ 284 Abs. 1 BGB) Urlaub grundlos nicht gewährt. Er hat für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs auf Grund der gesetzlichen Befristung einzustehen.

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger hat die Beklagte nicht rechtzeitig vor dem Untergang des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt.

a) Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage war nicht geeignet, seinen Anspruch zu wahren.

aa) Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt (vgl. zuletzt BAG 21. September 1999 – 9 AZR 705/98 – BAGE 92, 299 mwN). Daran ist festzuhalten. Die vom Kläger unter Hinweis auf das Schrifttum (Adam AiB 2000, 447 ff.) geäußerten Bedenken greifen nicht durch. Richtig ist, daß das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, der Arbeitnehmer wahre mit der Kündigungsschutzklage Ausschlußfristen für die vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses abhängigen Vergütungsansprüche, soweit die mündliche oder schriftliche Geltendmachung verlangt werde (schon 16. Juni 1976 – 5 AZR 224/75 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 56 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 27). Diese Auffassung wird mit der Überlegung begründet, daß der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage nicht nur das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen will, sondern für den Arbeitgeber erkennbar zugleich deutlich macht, er wolle sich die aus dem Fortbestehen ergebenden Entgeltansprüche sichern.

Die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen ist damit nicht vergleichbar. Für die monatlichen Entgeltansprüche ist die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt; der Arbeitgeber kommt mithin ohne weitere Handlungen des Arbeitnehmers in Schuldnerverzug (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB). Für den Urlaubsanspruch greift diese Vorschrift nicht ein. Der Arbeitnehmer hat zwar nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Arbeitgeber ist aber nach § 7 Abs. 1 BUrlG nicht verpflichtet, den Urlaub des Arbeitnehmers von sich aus festzulegen. Das gilt im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis. Für das gekündigte Arbeitsverhältnis gilt nichts anderes. Der Urlaub ist in beiden Fällen vom Arbeitnehmer ausdrücklich iSv. § 284 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Der Arbeitnehmer muß den Arbeitgeber auffordern, den Urlaub zeitlich festzulegen(vgl. Senat 21. September 1999 – 9 AZR 705/98 – aaO).

bb) Die Erwägung des Klägers, im gekündigten Arbeitsverhältnis werde der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den beanspruchten Urlaub nur „vorsorglich” gewähren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch mit der für den Fall des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses gewährten Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers; dieser erlischt (§ 326 BGB). Hierfür ist ohne Bedeutung, daß der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt erst dann zahlen will, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt ist. Der Urlaubsanspruch ist kein sog. Einheitsanspruch, der sich aus den Merkmalen „Freistellung” und „Entgelt” zusammensetzt. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt ist vielmehr nichts anderes als der für die Dauer der Freistellung aufrechterhaltene Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach § 611 BGB (BAG 20. Juni 2000 – 9 AZR 405/99 – AP BUrlG § 7 Nr. 28 = EzA BUrlG § 1 Nr. 23). Da der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, Urlaub nachträglich auf Zeiten des Annahmeverzugs anzurechnen, kann er nur mit einer vorsorglichen Festlegung des Urlaubs nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 BUrlG die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsansprüchen vermeiden (vgl. auch BAG 9. November 1999 – 9 AZR 915/98 – nv.).

b) Die im Februar 1999 vom Kläger erhobene Klage auf Gewährung von Urlaub für das Jahr 1998 hat das Erlöschen des Anspruchs ebenfalls nicht verhindert.

Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG wird der Urlaubsanspruch auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, wenn der Urlaub aus betrieblichen Gründen oder aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, nicht innerhalb des Urlaubsjahres genommen werden kann. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist vom Arbeitnehmer darzulegen. Das ist dem Kläger nicht gelungen.

aa) Persönliche Gründe hinderten den Kläger nicht an einer rechtzeitigen Geltendmachung.

Der Kläger meint, er habe 1998 keinen Urlaub nehmen können, weil das Arbeitsverhältnis wegen der von der Beklagten erklärten Kündigung nicht vollzogen worden sei und eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefehlt habe. Die Beklagte habe ihn von keiner Arbeitspflicht freistellen können. Damit übersieht der Kläger, daß das Arbeitsverhältnis zur Beklagten rechtlich fortbestanden hat. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten erklärten Kündigung wirkt nicht konstitutiv, sondern enthält nur die (deklaratorische) Feststellung ihrer Rechtsunwirksamkeit. Der Kläger war mithin weiterhin zur Arbeitsleistung und die Beklagte zur Entgeltzahlung nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet. Die Beklagte war rechtlich nicht gehindert, ihn von der Arbeitspflicht freizustellen. Daß die Beklagte den Kläger tatsächlich nicht beschäftigt hat, ändert hieran nichts.

bb) Betriebliche Gründe lagen ebenfalls nicht vor.

Die Überlegung des Klägers, die Beklagte habe ihn aus betrieblichen Gründen nicht freistellen können, weil sie – dokumentiert durch die betriebsbedingte Kündigung – gar keine Möglichkeit gehabt habe, ihn zu beschäftigen, geht fehl. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigen kann. Im Gegenteil setzt der betriebliche Übertragungsgrund des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG voraus, daß der Arbeitgeber auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz angewiesen ist; betriebliche Gründe also der Freistellung des Arbeitnehmers entgegenstehen(ErfK/Dörner 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 67).

cc) „Sinn und Zweck” der Übertragungsvorschriften rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Mit ihnen wird dem Bedürfnis nach einer Verlängerung des für die Inanspruchnahme von Urlaub zur Verfügung stehenden Zeitraums Rechnung getragen. Ein solches Bedürfnis ist gesetzlich anerkannt, wenn der Arbeitnehmer auf Grund persönlicher Umstände oder aus betrieblichen Gründen seinen Urlaub nicht im Urlaubsjahr realisieren kann. Andere Gründe sind außer Acht zu lassen. Die Entscheidung des Senats vom 21. September 1999 (– 9 AZR 705/98 – aaO) besagt nichts anderes. Der Satzteil, der Arbeitnehmer müsse den Urlaub im Urlaubsjahr „oder spätestens im Übertragungszeitraum” verlangen, betrifft ausschließlich die Sachverhalte, in denen der Urlaubsanspruch aus den in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG genannten Gründen auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen ist.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Düwell, Schmitz-Scholemann, Reinecke, Dr. Gaber, Otto

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 18.09.2001 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 662758

ARST 2002, 85

EWiR 2002, 757

NZA 2002, 895

ZIP 2002, 143

ZTR 2002, 139

EzA

LL 2002, 171

SPA 2002, 7

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