Rz. 54

Nach § 50 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat in Angelegenheiten, bei denen es an der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fehlt, gleichwohl aber die Behandlung durch diesen als zweckmäßig angesehen wird, den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Dabei bleibt der Betriebsrat Träger des Mitbestimmungsrechts, der Gesamtbetriebsrat nimmt es gegenüber dem Arbeitgeber wahr.[1] Zur Beauftragung des Gesamtbetriebsrats ist ein Beschluss mit der Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder (absolute Mehrheit), nicht nur der in der jeweiligen Sitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder, erforderlich.

Die Delegationsentscheidung kann weder dem Betriebsausschuss noch einem sonstigen Ausschuss oder einer Arbeitsgruppe i. S. d. § 28a BetrVG überlassen werden.[2]

 

Rz. 55

Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 27 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bedarf die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats der Schriftform (§ 126 BGB). Der Beschluss muss vom Vorsitzenden des Betriebsrats eigenhändig unterzeichnet sein, die Aufnahme in das Sitzungsprotokoll genügt dagegen nicht.[3] Er kann nicht stillschweigend erteilt werden, daher reicht zur Annahme eines Auftrags nicht aus, dass der Einzelbetriebsrat die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in der Vergangenheit nicht beanstandet hat (BAG, Urteil v. 26.1.1993, 1 AZR 303/92[4]). Die schriftliche Form kann aber durch die elektronische Form ersetzt werden (§§ 126 Abs. 3, 126a BGB).[5] Bei Nichteinhaltung der Schriftform ist der Beschluss nichtig (§ 125 Satz 1 BGB).[6] Fehlt es an einem Delegationsbeschluss, kann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht aus Rechtsscheingrundsätzen hergeleitet werden (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 9.6.2015, 1 TaBV 4b/15[7]).

 

Rz. 56

Der Betriebsratsvorsitzende hat dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats die Beauftragung mitzuteilen.[8] Erst mit Zugang der schriftlichen Mitteilung beim Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats wird die Beauftragung wirksam.[9] Die Unterrichtung des Arbeitgebers ist für die Wirksamkeit der Übertragung zwar nicht erforderlich, sie entspricht aber dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.[10]

 

Rz. 57

Die Beauftragung kann nur für eine konkrete Angelegenheit erfolgen. Eine generelle Beauftragung für einen ganzen Sachbereich ist nicht zulässig, sie käme einer vom Gesetz nicht vorgesehenen "teilweisen Selbstabdankung" des Einzelbetriebsrats gleich (BAG, Beschluss v. 21.7.2004, 7 ABR 58/03[11]; BAG, Urteil v. 26.1.1993, 1 AZR 303/92[12]). Von der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kraft Beauftragung ist auch die Anrufung der Einigungsstelle umfasst (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 3.7.2002, 12 TaBV 22/02[13]).

 

Rz. 58

Der Gesamtbetriebsrat kann seine Beauftragung nur dann ablehnen, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist, z. B. bei offensichtlicher Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses oder offensichtlich fehlendem Mitbestimmungsrecht des übertragenden Betriebsrats.[14]

[1] ErfK/Koch § 50 BetrVG, Rz. 9.
[2] Richardi/Annuß, § 50 BetrVG, Rz. 59; Rieble, RdA 2005, S. 26, 29.
[3] Fitting, § 50 BetrVG, Rz. 64; Richardi/Annuß, § 50 BetrVG, Rz. 60.
[4] NZA 1993 S. 714, 717.
[5] Richardi/Annuß, § 50 BetrVG Rz. 60; a. A. DKKW/Trittin, § 50 Rn. 167: Textform nach § 126b BGB genügt.
[6] Richardi/Annuß, § 50 BetrVG Rz. 61.
[7] BeckRS 2015, 72257.
[8] DKK/Trittin, § 50 BetrVG Rz. 66.
[9] Fitting, § 50 BetrVG Rz. 64.
[10] Fitting, § 50 BetrVG, Rz. 64.
[11] NZA 2005 S. 170, 173.
[12] NZA 1993 S. 714, 717; Schwab, NZA-RR 2007, S. 505, 508.
[13] NZA-RR 2003 S. 83; Schwab, NZA-RR 2007, S. 505, 508.
[14] Fitting, § 50 BetrVG Rz. 70; a. A. für ein Recht zur "Rückdelegation" durch Beschluss des Gesamtbetriebsrats Rieble, RdA 2005, S. 26, 30 f.

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