0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat mit der Einführung des SGB IX (Gesetz v. 19.6.2001, BGBl. I S. 1046) zum 1.7.2001 in Kraft (Art. 68 des Gesetzes). Bis zum 31.12.2017 hatte § 2 einen verhältnismäßig ungenauen Begriff der Behinderung, der sich an die um die Jahrtausendwende angewandte Klassifikation von Behinderungen – auch ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps bzw. Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen; vgl. Rz. 6 ff.) genannt – orientierte. Allerdings hatte sich im Laufe der Zeit der Begriff der Behinderung durch die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health bzw. Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung; vgl. Rz. 8 ff.) weiter entwickelt. Eine weitere Veränderung der Definition von Behinderung erfolgte durch die im Jahr 2006 bekannt gewordene UN-Behindertenrechtskonvention (Rz. 9 ff.).

Durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurde § 2 zum 1.1.2018 den Vorschriften der UN-Behindertenrechtskonvention angepasst – allerdings mit einer Ausnahme: § 2 Abs. 1 fordert für die Anerkennung einer Behinderung eine Abweichung vom alterstypischen Zustand (vgl. Rz. 15).

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Das SGB IX regelt die Rechte von Menschen mit Behinderungen bzw. mit drohenden Behinderungen. § 2 bestimmt, wann eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung vorliegt und grenzt dadurch zugleich ab, für wen die Regelungen des SGB IX gelten. Wird z. B. eine Unterarmgehstütze verordnet, muss u. a. wegen der Frage der Anwendung des § 14 geprüft werden, ob eine Behinderung i. S. d. § 2 besteht (u. a. Aktivitäts- bzw. Partizipationsstörungen für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten). Wird dieses bejaht, ist § 14 anwendbar, sonst nicht (vgl. Rz. 3).

 

Rz. 1b

Liegt eine Behinderung i. S. d. § 2 vor, ist der Rehabilitationsträger vorbehaltlich der §§ 14 und 15 nur dann für die Teilhabeleistung zuständig, wenn das Teilhabeziel durch die Leistungsgruppe, für die er auch zuständig ist (vgl. Komm. zu §§ 4, 5 und 6), erreicht werden kann (§ 7 Abs. 1).

Ob bei Vorliegen einer Behinderung (nach Zuordnung des für die Leistungsgruppe zuständigen Rehabilitationsträgers) auch die für den Rehabilitationsträger jeweils geltenden Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, richtet sich gemäß § 7 Abs. 1 unverändert nach den für den Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen (vgl. BT-Drs. 18/9522 S. 227). Das bedeutet, dass z. B. die Krankenkassen aufgrund rehabilitationsträgerspezifischen Leistungsvorschriften (§§ 40 ff. SGB V) Rehabilitationsleistungen auch dann bereitzustellen haben, wenn die Merkmale einer Behinderung i. S. d. § 2 SGB IX deshalb nicht vorliegen, weil die Erkrankung eine Störung der Teilhabe für eine Dauer von nicht mehr als 6 Monaten verursacht.

 

Rz. 1c

§ 2 Abs. 1 bestimmt für die in § 5 aufgeführten

  • Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
  • Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
  • Leistungen zur sozialen Teilhabe

die Voraussetzungen, nach denen Menschen i. S. d. SGB IX als behindert anzusehen sind. Zu dem Personenkreis der nach dem SGB IX Anspruchsberechtigten zählt die Vorschrift auch Menschen, bei denen eine Behinderung (voraussichtlich mindestens 6 Monate anhaltende Aktivitäts- bzw. Partizipationsstörung) noch nicht eingetreten ist, aber kurz-, mittel- oder langfristig droht (z. B. chronisch Kranke; vgl. Rz. 12 ff.).

Abs. 2 definiert, wann ein Mensch als schwerbehindert gilt. Der Begriff der Schwerbehinderung ist für Teil 3 des SGB IX von Bedeutung (ab § 151), der u. a. die arbeitsrechtlichen und sonstigen Nachteilsausgleiche von schwerbehinderten Menschen regelt. Diese Schwerbehinderung wird dabei nach eigenen Kriterien ermittelt und ist nicht mit dem Begriff "wesentliche Behinderung" des bis 31.12.2019 geltenden § 53 SGB XII (vgl. Rz. 10 f.) zu verwechseln. Eine Schwerbehinderung liegt bei einem Grad von 50 bis 100 vor (vgl. Rz. 17 ff.).

Ergänzend bestimmt Abs. 3, unter welchen Voraussetzungen ein Mensch mit einem Grad der Behinderung von 30 bis 50 einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist, wenn er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht in der Lage ist, einen geeigneten Arbeitsplatz zu behalten oder zu erlangen (vgl. Rz. 21).

2 Rechtspraxis

 

Rz. 2

Mit § 2 definiert der Gesetzgeber die Begriffe

Während § 2 Abs. 1 bei der Definition des Begriffs der Behinderung auf eine individuelle behinderungsbedingte Störung an der Teilhabe unter Berücksichtigung der individuellen Lebenshintergründe (Kontextfaktoren) abstellt (z. B. Wohnung im 3. Obergeschoss nur über Treppen zu erreichen), bedient man sich bei der Definition der Schwerbehinderung genereller schematisc...

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