Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Filialleiters einer Bank wegen unrichtiger Dokumentation der Arbeitszeit in einem Gleitzeitmodell

 

Leitsatz (redaktionell)

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden. Denn der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit an einem Gleitzeitmodell teilnehmende Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer selbst und macht dieser bei der Dokumentation in einer elektronischen Zeiterfassung vorsätzlich falsche Angaben, so verletzt er damit in erheblicher Weise seine gegenüber dem Arbeitgeber gem. § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (BAG - 2 AZR 381/10 - 09.06.2011).

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 23.06.2016; Aktenzeichen 7 Ca 109/16)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.6.2016, Az.: 7 Ca 109/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 28.09.1956 geborene Kläger war seit dem 18.02.1991 zunächst befristet und sodann ab dem 01.10.1992 unbefristet bei der Beklagten, die mehrere Bankfilialen betreibt, als Kundenberater und Filialleiter beschäftigt. Er war zuletzt Ersatzmitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats und als solcher zuletzt auch für ein verhindertes Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt.

In der vom Kläger geleiteten Filiale ist ein Alarmsystem installiert. Dieses kann durch einen im Kassenbereich befindlichen Schalter aktiviert werden. Das Büro des Klägers war von dem Kassenbereich durch einen Glasscheibe getrennt. In seinem Büro verfügte der Kläger über ein Festnetztelefon. Im Kassenbereich war eine weitere Mitarbeiterin eingesetzt, die auch für die ordnungsgemäße Verwahrung der Geldbestände verantwortlich war. Der Kläger war zeitweise auch im Kassenbereich tätig.

Bei der Beklagten wurde ein elektronisches Zeiterfassungssystem eingerichtet. Es existiert eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung, die am 01.04.2011 in Kraft getreten ist. Die Betriebsvereinbarung enthält unter anderem unter Ziffer 3) allgemeine Regelungen zur Arbeitszeit und unter Ziffer 4) Regelungen für Arbeitnehmer, die in gleitender Arbeitszeit beschäftigt sind. Unter Ziffer 3.5.2. heißt es auszugsweise wie folgt:

"3.5.2. Nichtanrechenbare Fehlzeiten

Nicht auf die Arbeitszeit anrechenbar sind alle über die in Ziffer 3.5.1. festgelegten Rahmenbedingungen hinausgehenden Fehlzeiten, z.B. - Erledigung privater Besorgungen [... ]".

Gemäß Ziffer 4) sind die an der gleitenden Arbeitszeit teilnehmenden Mitarbeiter verpflichtet, ihre täglichen Arbeitszeiten im Zeitwirtschaftsprogramm ATOSS zu erfassen. Unter anderem heißt es unter Ziffer 4.2.:

"4.2. Zeiterfassung

[...] jeder/jede Mitarbeiter/in ist verpflichtet, seine/ihr Arbeitszeitkonto täglich zu führen in dem er/sie die entsprechenden Buchungen im Zeitwirtschaftsprogramm ARTOSS vornimmt."

Der Kläger war in Gleitzeit tätig.

Die Beklagte erteilte dem Kläger u. a. mit Schreiben vom 27.11.2012 eine Abmahnung. In dem Text des Schreibens wies die Beklagte den Kläger auf Ziffer 3.2.2.) der Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung hin, gemäß welcher jeder Mitarbeiter der Beklagten grundsätzlich verpflichtet sei, sich bei Antritt bzw. Beendigung der Mittagspause an- bzw. abzumelden. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

"Gegen diesen Punkt verstoßen sie regelmäßig, letztmalig am 23.11.2012. [...] Am Freitag, dem 23.11.2012, haben Sie sich nachweislich ohne Abmeldung vom Arbeitsplatz entfernt und sind gegen 14:55 Uhr ohne eine

entsprechende Anmeldung wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Aus diesem Grund ist für uns nicht feststellbar, wie lange Sie sich von Ihrem Arbeitsplatz entfernt haben.

Unter Berücksichtigung dieses wiederholten Verstoßes sind wir gezwungen, diesen Pflichtverstoß hiermit abzumahnen.

Darüber hinaus fordern wir Sie auf, ab sofort die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeitverteilung einzuhalten. Sollten Sie diese weiterhin missachten sind wir gehalten weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten."

Wegen des weiteren Inhalts der Abmahnung im Einzelnen wird auf Bl. 127 f d. A. Bezug genommen.

Am 05.11.2015 wurde das Mobiltelefon des Klägers bei einem Wegeunfall beschädigt. Es blieb jedoch insofern nutzbar, als dass Anrufe sowohl getätigt als auch empfangen werden konnten.

Am 07.12.2015 loggte sich der Kläger im Zeitraum von 07:44 Uhr bis 13.07 Uhr und im Zeitraum von 13:50 Uhr bis 17:52 Uhr im Zeiterfassungssystem der Beklagten ein. Gegen 11.00 Uhr des betreffenden Tages verlie...

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