Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung. Arbeitszeitbetrug. Interessenabwägung. Kündigung. außerordentliche. Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur korrekten Dokumentierung der Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestätigt ein Vorgesetzter zwei ihm unterstellten Technikern die Ableistung eines vollen Arbeitstages von acht Stunden, obwohl sie auf seine Weisung mindestens zwei Stunden weniger gearbeitet haben, so ist eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorhergehende Abmahnung gerechtfertigt.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 27.11.2012; Aktenzeichen 4 Ca 428/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 27. November 2012, Az.: 4 Ca 428/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich über die Wirksamkeit von zwei fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 21.07.2012 und vom 28.07.2012.

Der 1962 geborene Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger. Er wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Fa. I.) am 11.12.2006 als Radartechniker eingestellt. Am 01.10.2007 erfolgte seine Beförderung zum leitenden Radartechniker; sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 5.760,00. Am 01.04.2011 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Mit Schreiben vom 06.07.2011 wies die Beklagte dem Kläger die Betreuung eines besonderen Projekts zu. Ob der Kläger (zunächst) damit einverstanden war, ist streitig. Mit Anwaltsschreiben vom 16.04.2012 verlangte er seine vertragsgemäße Beschäftigung. Nach außergerichtlichem Schriftwechsel beschäftigt ihn die Beklagte seit 01.06.2012 wieder in der Position des leitenden Radartechnikers. In der Zwischenzeit hatte der Techniker R. W. diese Aufgabe wahrgenommen.

Die Beklagte ist ein international tätiges Serviceunternehmen mit Sitz in den USA, das technische Dienste anbietet. In der Westpfalz stellt sie in Umsetzung von US-Regierungsaufträgen auf einer Militärbasis die technischen Rahmenbedingungen (Polygone-Radarstationen) für Luftkampfübungen zur Verfügung. Die Beklagte ist gegenüber dem US-Militär vertraglich verpflichtet, sämtliche Anlagen 24 Stunden am Tag - mit Ausnahme von Wochenenden und Feiertagen - einsatzbereit zu halten. Die Anlagen müssen in den Sommermonaten von 09:00 bis 17:00 Uhr und in den Wintermonaten von 09:00 bis 21:30 Uhr betrieben werden. An Freitagen werden die Anlagen in der Regel von 09:00 bis 12:00 Uhr betrieben. Außerhalb dieser Zeiten müssen der Ein- und Abschaltvorgang sowie jegliche Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten durchgeführt werden.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in P. 20 Arbeitnehmer; der Betriebsrat besteht aus einer Person. Die Radartechniker sind in zwei Schichten eingeteilt: die Tagschicht von 07:30 bis 16:00 Uhr, die Spätschicht von 13:00 bis 21:00 Uhr. Dem Kläger waren seit 01.06.2012 sieben Radartechniker unterstellt, darunter: C. M., T. C., V. F., R. W., D. J. und G. S.. Vorgesetzter des Klägers war der Betriebsleiter ("Site Manager") T. E., der mittlerweile in die USA zurückkehrt ist. Seit 01.08.2012 ist der Techniker R. W. neuer Betriebsleiter ("Deputy Program Manager").

Der Kläger hat am 05.07.2012 die ihm unterstellten Techniker J. und S., deren Schicht von 13:00 bis 21:00 Uhr dauerte, früher nach Hause entlassen, weil sie infolge eines Stromausfalls während eines Gewitters seiner Ansicht nach nicht mehr arbeiten konnten. Dies teilte er am Folgetag seinem damaligen Vorgesetzten T. E. mit. Die zwei Arbeitnehmer hatten auf ihren Zeiterfassungskarten für den 05.07.2012 ("Time Cards", Bl. 84-85), die der Kläger als deren Vorgesetzter geprüft und gegengezeichnet hat, einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden aufgeschrieben, obwohl sie fast 3 Stunden vor dem Ende ihrer Arbeitszeit nach Hause gegangen sind. Im Sicherheitsprotokoll ("Activity Security Checklist", Bl. 86 d.A.) ist als Gehenszeit 18:15 Uhr eingetragen worden.

Nach Befragung der beiden Techniker J. und S. und Anhörung des Betriebsrats erklärte die Beklagte am 21.07.2012 die erste fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, hilfsweise kündigte sie fristgerecht zum 30.09.2012.

Im Zuge der Aufklärung des Kündigungssachverhalts führte der Vorgesetzte des Klägers, T. E., mit sechs der sieben Techniker, die dem Kläger unterstellt waren, Gespräche. Diese berichteten ihm von einem Bereitschaftsschichtmodell ("standby-shift"), das Mitte Juni 2012 in einem Meeting entwickelt worden sei. Der Kläger habe ihnen gestattet, den Arbeitsplatz früher zu verlassen, ohne die festgelegte Arbeitszeit zu erfüllen. Er habe sie angewiesen, sich auf telefonischen Abruf bereit zu halten, um erforderlichenfalls zum Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach erneuter Anhörung des Betri...

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