Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung. Freistellungsanspruch des Betriebsrats. Wiederholungs-, Vertiefungsschulung. Spezialschulung über Arbeitszeit und Überstunden. aktueller betriebsbezogener Anlass. Berücksichtigung bereits erworbener Kenntnisse und Erfahrungen. Auswahl der Schulungsteilnehmer. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats. Feststellungsinteresse. Übergang vom Feststellungsantrag zum Leistungsantrag in der Beschwerdeinstanz. Vorrang der Leistungsklage. Sachaufwand des Betriebsrats. Kosten und Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung [Wiederholungs-, Vertiefungs- bzw. Spezialschulung über Arbeitszeit und Überstunden]

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung zählt nach §

37

abs. 6

BetrVG

zur Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne des §

40

Abs.

1

, weshalb Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind.

2. a) Die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen ist dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können.

b) Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 14.12.2011; Aktenzeichen 4 BV 34/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 14.12.2011 - 4 BV 34/11 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A

Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.

Die Arbeitgeberin entwickelt und vertreibt unter anderem elektronischen Geldautomaten. In ihrem Betrieb in P1, in dem ca. 1.400 Mitarbeiter beschäftigt sind, gelten die Flächentarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie NRW sowie ein unternehmensbezogener Ergänzungstarifvertrag. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist ein aus 15 Personen bestehender Betriebsrat gewählt.

Bei der Betriebsratswahl im März 2010 wurde der Beteiligte zu 2. erstmals in den Betriebsrat gewählt. Seither war er Mitglied des vom Betriebsrat gebildeten Arbeitszeitausschusses, der aus fünf Personen besteht und in dem er, der Beteiligte zu 2., zunächst zum stellvertretenden Sprecher gewählt worden war. Nachdem der damalige Ausschussvorsitzende im Oktober 2011 in Altersteilzeit gegangen war, wurde der Beteiligte zu 2. zum Vorsitzenden dieses Ausschusses gewählt.

In der Zeit vom 08. bis 11.06.2010 nahm der Beteiligte zu 2. an einer Schulungsveranstaltung "Einführung Betriebsverfassungsgesetz I" teil (Bl. 39, 66 ff. d. A.). Im Juli 2010 besuchte er das Seminar "Einführung in das Arbeitsrecht I" (Bl. 62 ff. d. A.). In der Zeit vom 18. bis 22.10.2010 nahm der Beteiligte zu 2. an dem Seminar "Einführung Betriebsverfassungsgesetz II" (Bl. 41, 70 ff. d. A.) teil. Vom 31.01. bis 04.02.2011 besuchte er das Einführungsseminar "Einführung Arbeitsrecht II" (Bl. 44, 58 ff. d. A.). Hinsichtlich der einzelnen in den Seminaren behandelten Themen wird auf die zu den Akten gereichten Themenpläne Bezug genommen (Bl. 39 ff., 58 ff. d. A.).

Im Betrieb der Arbeitgeberin wird seit Jahren Mehrarbeit in erheblichem Umfang abgeleistet. Insbesondere in der Abteilung Hardwareentwicklung werden aufgrund von Qualitätsproblemen und Problemen bei der Bereitstellung von neuen Produkten zahlreiche Mitarbeiter regelmäßig über die tarifliche Arbeitszeit hinaus beschäftigt.

Im Jahre 2010 verhandelten die Arbeitgeberin und der Betriebsrat wiederholt über die Einführung von Vertrauensarbeitszeit im gesamten Betrieb. Für einen begrenzten Mitarbeiterkreis wurden entsprechende Regelungen getroffen. Am 04.10.2010 gab die Arbeitgeberin hierzu folgende Erklärung ab (Bl. 20 d. A.):

"Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Betriebsvereinbarung Vertrauensarbeitszeit für außertarifliche Mitarbeiter hat die Betriebsleitung P1 der W1 N1 I1 GmbH erklärt, in Abhängigkeit von den Erfahrungen mit der Vertrauensarbeitszeit nach Ablauf einer adäquaten Erprobungsphase mit dem Betriebsrat in Verhandlungen über die Einbeziehung von Tarifmitarbeitern aus definierten Pilotbereichen verhandeln zu wollen. Unternehmerisches Ziel ist weiterhin die Verankerung von Vertrauensarbeitszeit über alle Mitarbeitergruppen hinweg.

Der Betriebsleitung ist dabei bewusst, dass den Besonderheiten der tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsbedingungen im Rahmen dieser Verhandlungen Rechnung getragen werden muss."

Am 20.05.2011 wurde der Betriebsrat von der Arbeitgeberin erneut aufgefordert, über die Einführung der Vertrauensarbe...

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