Entscheidungsstichwort (Thema)
Baugewerbe. Estrichaufrauarbeiten. Parkettleger
Orientierungssatz
Werden Hilfs- oder Nebentätigkeiten zu einer im Katalog des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannten Beispielstätigkeit von einem Betrieb als Hauptzweck erbracht, kann dieser Betrieb die Beispielstätigkeit nur dann erfüllen, wenn überhaupt für dieses Beispiel typische Tätigkeiten erbracht werden.
Normenkette
Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 und vom 20. Dezember 1999 (VTV) § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 11, 38, Abschn. VII Nr. 9
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juli 2006 – 16 Sa 2258/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in der Zeit von Januar 1999 bis Januar 2003 einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und deshalb Beiträge entrichten muss.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die Beklagte unterhält seit dem Jahre 1999 einen Betrieb, von dem im Auftrag von Parkettverlegeunternehmen von der Beklagten selbst und ein bis zwei Mitarbeitern mittels einer Schleifmaschine Estrichflächen aufgeraut werden. Anschließend verlegten die jeweiligen Auftraggeber Parkett darauf. Zur Winterbauförderung wird die Beklagte nicht herangezogen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe einen baugewerblichen Betrieb unterhalten. Es handele sich um Teiltätigkeiten der Estrichverlegung, jedenfalls aber um bauliche Leistungen im Sinne der Bautarifverträge. Die danach zu entrichtenden Beiträge habe sie aus den Ermittlungen des Arbeitsamts über die Höhe der Bruttolöhne in Verbindung mit dem tariflichen Beitragssatz errechnet.
Die ZVK hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.112,32 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag ausgeführt, die Estrichaufrauarbeiten seien notwendige Vorarbeiten zur anschließenden Verlegung von Bodenbelägen und seien daher diesen zuzurechnen. Hierbei handele es sich nicht um bauliche Tätigkeiten. Jedenfalls führe sie Teiltätigkeiten des Parkettlegerhandwerks aus, das ausdrücklich vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen sei. Nur im Rahmen solcher Aufträge werde sie auch beauftragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der beantragten Beiträge verurteilt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei den von der Beklagten ausgeübten Arbeiten handele es sich zwar nicht um Estricharbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11 VTV, denn die Vorschrift erfasse nur die Herstellung von Estrich. Auch handele es sich nicht um Bodenverlegearbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV, die nur in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen zur Erfassung führten. Auch wenn es sich um Neben- und Hilfsarbeiten des Parkettlegerhandwerks handele, müsse dazu dennoch die Kerntätigkeit ebenfalls ausgeübt werden. Die Tätigkeit des Auftraggebers sei nicht erheblich, da Betriebszweck der Beklagten nicht das Parkettlegen sei, sondern das Aufrauen des Untergrundes. Wenn notwendige Vorarbeiten, die von einem Betrieb isoliert ausgeführt würden, zu den jeweiligen Tatbeständen des Beispielskatalogs gezählt würden, würden diese uferlos ausgedehnt. Es handele sich aber um bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV, da die Arbeiten auf einem kleinen und speziellen Gebiet der Vollendung eines Bauwerks zu dienen bestimmt seien. Sie seien auch baulich geprägt, da Schleifmaschinen jedenfalls auch in Betrieben des Bautenschutzes verwendet würden.
Der Betrieb sei auch nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 9 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen, da es sich nicht um einen Betrieb des Parkettlegerhandwerks handele. Die von der Beklagten ausgeführten Arbeiten würden zwar als Vor- oder Nebenarbeiten von solchen Betrieben ausgeführt, sie seien aber ebenfalls dem Estrichlegerhandwerk sowie dem Bodenlegergewerbe zuzurechnen. Damit handele es sich um sog. “Sowohl-als-auch-Tätigkeiten”, die nur dann zur Herausnahme aus dem betrieblichen Geltungsbereich führten, wenn zu mindestens 20 % der gesamten betrieblichen Arbeitszeit Arbeiten durchgeführt würden, die ausschließlich dem vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommenen Gewerk zuzuordnen seien oder die in nicht unerheblichem Umfang von gelernten Arbeitnehmern dieses Gewerks ausgeführt würden oder von einem Fachmann dieses Gewerks beaufsichtigt würden. All dies sei nicht der Fall.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen der Klägerin ist für das Kalenderjahr 1999 § 24 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) in den für dieses Kalenderjahr gültigen Fassungen, für die Zeit ab 1. Januar 2000 § 18 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV 2000) in der jeweils gültigen Fassung.
Durch diese tarifvertraglichen Vorschriften wurden für den Klagezeitraum für die Beklagte Zahlungsverpflichtungen begründet, weil der VTV bzw. VTV 2000 für die Beklagte galt.
Die Beklagte unterhielt im gesamten Klagezeitraum einen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV bzw. VTV 2000 fiel.
a) § 1 Abs. 2 VTV und – insoweit gleichlautend VTV 2000 – lautet:
“Betrieblicher Geltungsbereich
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt I
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
11. Estricharbeiten (unter Verwendung von Zement, Asphalt, Anhydrid, Magnesit, Gips, Kunststoffen oder ähnlichen Stoffen);
…
38. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen;
…
Abschnitt VII
Nicht erfasst werden Betriebe
…
9. des Parkettlegerhandwerks,
…”
b) Für die Frage, ob im Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, ist auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen (st. Rspr. vgl. BAG 23. August 1995 – 10 AZR 105/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 193 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 79; 14. Januar 2004 – 10 AZR 182/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 263; 27. Oktober 2004 – 10 AZR 119/04 –; 8. März 2006 – 10 AZR 392/05 –; 18. Oktober 2006 – 10 AZR 576/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 287 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 128; 15. November 2006 – 10 AZR 637/05 – und – 10 AZR 698/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 289 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 132). Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III geprüft werden müssen (st. Rspr. vgl. BAG 18. Januar 1984 – 4 AZR 41/83 – BAGE 45, 11; 14. Januar 2004 – 10 AZR 182/03 – aaO; 13. Mai 2004 – 10 AZR 488/03 –; 8. März 2006 – 10 AZR 392/05 –; 18. Oktober 2006 – 10 AZR 576/05 – aaO; 15. November 2006 – 10 AZR 637/05 – und – 10 AZR 698/05 – aaO). Erläutern die Tarifvertragsparteien ein solches Tätigkeitsbeispiel in einem Klammerzusatz, bringen sie damit zum Ausdruck, dass die im Klammerzusatz genannten Beispiele das Tätigkeitsbeispiel erfüllen (vgl. BAG 29. September 2004 – 10 AZR 562/03 –; 20. September 1995 – 10 AZR 1018/94 –; 22. September 1993 – 10 AZR 207/92 – BAGE 74, 238).
Ob die Beklagte zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft herangezogen wird, ist unerheblich, da die gesetzlichen Regelungen der Winterbauförderung in Verbindung mit der Baubetriebeverordnung einerseits und die Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes andererseits unterschiedliche Voraussetzungen festlegen und unterschiedliche Zwecke verfolgen (st. Rspr. vgl. BAG 20. März 2002 – 10 AZR 507/01 –).
2. Die in § 1 Abs. 2 VTV genannten Tarifbegriffe bedürfen der Auslegung.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229, zu 3a der Gründe).
3. Danach handelt es sich bei der Beklagten im ganzen Klagezeitraum um einen baugewerblichen Betrieb.
a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Beklagte keine Estricharbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11 VTV ausführte. Zwar gehören diese Arbeiten zum Berufsbild des Estrichlegers, worauf das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf § 53 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 (BGBl. I S. 1102) hingewiesen hat. Bei den zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnissen des Estrichlegers wird auch das Sanieren und Instandsetzen von Estrichen und Belägen aufgeführt. Dazu gehören Abschleifarbeiten. Auch in der “Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Estrichleger-Handwerk” vom 16. Februar 1995 (BGBl. I S. 214) ist dem Estrichlegerhandwerk die Tätigkeit des Beurteilens und Vorbereiten des Untergrundes und das Schleifen von Estrichen zuzurechnen. Wenn es aber in dem Klammerzusatz in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11 VTV heißt “unter Verwendung von” bestimmten Stoffen, so bedeutet dies, dass Estrich hergestellt werden muss, andernfalls werden diese Stoffe nicht “verwendet”. Die Sanierung von Estrichflächen ist nicht gesondert genannt (vgl. BAG 24. Oktober 2001 – 10 AZR 45/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 245 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 112). Anders ist dies beispielsweise bei den Betonsanierungsarbeiten in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 5.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass es sich bei den von der Beklagten durchgeführten Arbeiten nicht um Bodenverlegearbeiten iSd. des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV handelt. Wäre dies der Fall, fiele der Betrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, denn das Verlegen von Bodenbelägen soll nach dem Wortlaut des Tarifvertrages nur dann vom VTV erfasst sein, wenn es “in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen” geschieht. Solche Leistungen führt die Beklagte nicht aus.
aa) Die Beklagte verlegt keine Bodenbeläge. Auch wenn die von ihr durchgeführten Arbeiten der späteren Verlegung von Parkett, also einer Art der in Frage kommenden Bodenbeläge dienen, besteht der Zweck des Betriebes nicht darin, solche Beläge zu verlegen.
bb) Zu den in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten gehören grundsätzlich nicht nur die eigentlichen in den tarifvertraglichen Bestimmungen genannten Kerntätigkeiten, sondern darüber hinaus auch alle Arbeiten, die als Neben- oder Hilfsarbeiten zur sach- und fachgerechten Ausführung derartiger Tätigkeiten notwendig sind.
Die Beklagte führt Hilfstätigkeiten für die Parkettverlegung durch, für die sie durch das Parkettverlegeunternehmen beauftragt wird. Für die Frage, ob eine Beispielstätigkeit des Katalogs des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV erfüllt wird, sind aber Nebenarbeiten nur im Zusammenhang mit im Betrieb selbst durchgeführten eigenen baulichen Leistungen diesen zuzurechnen. Dies hat der Senat im Urteil vom 20. März 2002 bezüglich Transportarbeiten von anfallendem Aushub entschieden (– 10 AZR 458/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253; vgl. 20. März 2002 – 10 AZR 507/01 –). Wenn die Schleifarbeiten den in Nr. 38 des Beispielskatalogs erwähnten Verlegungsarbeiten von Bodenbelägen zuzurechnen sein sollten, müsste die Beklagte selbst solche Verlegungsarbeiten durchführen. Der Zweck ihres Betriebs ist jedoch nicht das Verlegen der Bodenbeläge, sondern das Durchführen von Schleifarbeiten. Damit ist der arbeitstechnische Zweck darauf beschränkt, aufgeraute Böden zu schaffen. Dass nach Durchführung der Arbeiten von anderen Betrieben andere arbeitstechnische Zwecke, wie hier das Verlegen von Parkett, verfolgt werden, ändert daran nichts. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es für § 1 Abs. 2 VTV allein auf die betriebliche Tätigkeit des Arbeitgebers und nicht auf solche von Dritten ankommt.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die Entscheidung des Senats vom 14. Januar 2004 (– 10 AZR 182/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 263) bezüglich Kugelstrahlarbeiten. Diese waren als Teil der Betonsanierungsarbeiten angesehen worden, da sie an Betonflächen ausgeübt wurden und der Sanierung dienten. Diese Arbeiten führte der beklagte Betrieb jenes Verfahrens selbst aus. Vergleichbar wäre der Fall, wenn es einen Tatbestand der “Estrichsanierungsarbeiten” im Katalog des Abschnitts V in § 1 Abs. 2 VTV gäbe. Auch die Entscheidung vom 12. Februar 2003 (– 10 AZR 294/02 –) stützt die Ansicht der Beklagten nicht. Danach war das völlige oder teilweise Abfräsen der Asphaltdecke einer Straße, wenn die Tragschicht der Straße erhalten bleibt und diese anschließend – auch durch ein anderes Unternehmen – neu beschichtet wird, den Straßenbauarbeiten zuzurechnen. Auch hierbei handelte es sich um Arbeiten an dem zu reparierenden Baukörper, nämlich der Straße. Bei der Aufrauung des Estrichs handelt es sich aber nicht um Arbeiten bei der Verlegung von Bodenbelägen, sondern um begleitende Hilfstätigkeiten. Ebenso hat der Senat in der Entscheidung vom 26. September 2001 (– 10 AZR 669/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 244 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 110) ausgeführt, dass das Ausheben von Kabelgräben dann den Kabelleitungstiefbauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV zuzurechnen ist, wenn derselbe Betrieb auch Kabel in die selbst hergestellten Gräben verlegt.
Unerheblich ist es, dass die Beklagte ausschließlich von Parkettlegeunternehmen beauftragt wird. Der Charakter der beauftragten Tätigkeit wird weder durch die Person noch den Charakter von deren Betriebszweck bestimmt. Genauso wenig wie das Herstellen einer Wand den Maler- und Lackiererarbeiten zuzurechnen wäre, wenn der Maler die Wand schließlich streicht, ist das Vorbereiten eines Untergrundes dem nachfolgenden Gewerk zwingend zuzuordnen, wenn es als Haupttätigkeit geleistet wird. Der Estrich kann auch deshalb aufgeraut werden, damit er anschließend mit Farbe oder Kunststoff beschichtet wird.
c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass es sich bei den von der Beklagten durchgeführten Arbeiten um bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV handelt. Von dieser Bestimmung werden Betriebe erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die ua. der Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken dienen. Dazu zählen alle Leistungen, die irgendwie, wenn auch nur auf einem kleinen oder speziellen Gebiet, der Vollendung eines Bauwerks zu dienen bestimmt sind (BAG 7. Juli 1999 – 10 AZR 582/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 221 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 95). Der entscheidende Zweck der betrieblichen Tätigkeit ist es, durch die Schleifarbeiten die Grundlage für die anschließende Parkettverlegung zu schaffen. Damit dienen diese Arbeiten der Erstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken. Die Arbeiten sind auch baulich geprägt, da die verwendeten Schleifmaschinen auch im Betrieb des Bautenschutzes genutzt werden.
Wenn die Beklagte argumentiert, die Aufrauarbeiten könnten deshalb nicht unter § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV fallen, weil sie Vorarbeiten zu Parkettlegearbeiten seien, verkennt sie, dass auch diese grundsätzlich bauliche Tätigkeiten darstellen, andernfalls müssten sie nicht im Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV enthalten sein.
4. Der Betrieb der Beklagten ist nicht als ein solcher des Parkettlegerhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 9 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten dieses Handwerkszweigs durchgeführt werden müssen, wenn die Ausnahmevorschrift greifen soll. Dies ist der Fall, da die ausgeführten Arbeiten nach Berufsrecht und Berufskunde auch dem Parkettlegerhandwerk zuzurechnen sind. Die Verordnung über die Berufsausbildung zum Parkettleger vom 3. Oktober 1973 (BGBl. I S. 1471) erwähnt in § 3 Nr. 16 unter den notwendigen Kenntnissen und Fertigkeiten das Vorbereiten und Prüfen des Untergrundes. Die Nachfolgeverordnung vom 17. Juni 2002, die ab 1. August 2002 galt (BGBl. I S. 1852), nennt in § 3 Nr. 11 ua. das Herstellen von Untergründen. Der Ausbildungsrahmenplan (Anlage zu § 4) enthält unter Ziffer 11 auch das Bearbeiten von Untergründen, insbesondere durch Bürsten, Schleifen, Fräsen und Absaugen. Auch die “Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Parkettleger-Handwerk” vom 28. August 1974 (BGBl. I S. 2154) zählt zu den nötigen Kenntnissen und Fertigkeiten ebenfalls das Prüfen des Untergrundes sowie das Vorbereiten des Untergrundes für das Verlegen (§ 1 Abs. 2 Nr. 15 und 16).
b) Die Arbeiten sind jedoch ebenfalls den baulichen Tätigkeiten des Estrichlegerhandwerks, wie oben dargelegt, zuzurechnen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass in der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Bodenleger/Geprüfte Bodenlegerin vom 22. September 1982 (BGBl. I S. 1348) als notwendige Kenntnisse und Fertigkeiten das Prüfen, Beurteilen und Vorbereiten von Untergrundoberflächen genannt sind; in der ab 1. August 2002 geltenden Verordnung über die Berufsausbildung zum Bodenleger/zur Bodenlegerin (BGBl. I S. 1861) ist ebenfalls ua. das Herstellen von Untergründen in § 3 Nr. 11 erwähnt. Nach dem Ausbildungsrahmenplan (Anlage zu § 4) gehört gemäß Ziffer 11 das Bearbeiten von Untergründen, insbesondere durch Bürsten, Schleifen, Fräsen und Absaugen zu den zu vermittelnden Fertigkeiten. Sie gehören zu den Bodenverlegetätigkeiten.
c) Damit handelt es sich um sog. “Sowohl-als-auch-Tätigkeiten”, die sowohl unter § 1 Abs. 2 Abschn. II bis V VTV als auch unter Abschn. VII fallen. Ein solcher Betrieb ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, soweit nicht Rückausnahmebestimmungen eingreifen, ein solcher des ausgenommenen Tätigkeitsbereichs, wenn daneben auch zu mindestens 20 % der gesamten betrieblichen Arbeitszeit Arbeiten durchgeführt werden, die ausschließlich dem vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommenen Gewerk zuzuordnen sind, die also für dieses Gewerk typisch sind. Dies ist nicht der Fall.
Es reicht auch aus, dass die “Sowohl-als-auch-Tätigkeiten” in nicht unerheblichem Umfang von gelernten Arbeitnehmern dieses Gewerks ausgeführt werden oder eine entsprechende Aufsicht durch einen Fachmann dieses Gewerks besteht (BAG 24. November 2004 – 10 AZR 169/04 – BAGE 113, 21). Für beide Tatbestände sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Beklagte hat weder vorgetragen, dass sie oder einer ihrer Mitarbeiter gelernte Parkettleger sind oder ein Parkettleger die Aufsicht geführt hat. Wenn sie in der Revisionsbegründung darauf hinweist, dass die im Rahmen der Werkverträge zu erstellenden Parkettlegearbeiten von einem Parkettleger abgenommen werden müssen, ist damit keine Aufsichtstätigkeit über die laufend durchzuführenden Arbeiten dargelegt.
5. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung, zur Einhaltung der Verfallfrist des § 31 VTV und zur Höhe der Forderung sind mit der Revision nicht angegriffen worden.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Bittelmeyer, Trümner
Fundstellen