Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugewerbliche Tätigkeiten. Betrieb des Glaserhandwerks

 

Leitsatz (amtlich)

  • Verrichtet ein Betrieb Tätigkeiten, die sowohl baugewerbliche Tätigkeiten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis V VTV als auch solche eines in Abschnitt VII ausgenommenen Handwerks sind, so ist der Betrieb als Handwerksbetrieb vom Geltungsbereich des VTV nur dann ausgenommen, wenn die von ihm in nicht unerheblichem Umfang verrichteten Tätigkeiten gerade solche sind, die für das entsprechende Handwerk typisch sind oder von Fachkräften dieses Handwerks ausgeführt oder beaufsichtigt werden.
  • Glasversiegelungsarbeiten zwischen Scheibe und Rahmen sind keine für das Glaserhandwerk typischen Tätigkeiten, da sie auch zum Berufsbild des Ausbaufacharbeiters mit Schwerpunkt Trockenbau gehören.
  • Führt ein Betrieb Glasversiegelungsarbeiten und Anschlußverfugungen zwischen Rahmen und Wand aus, so ist er nicht schon deswegen als Betrieb des Glaserhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen (Aufgabe von BAG Urteil vom 13. 3. 1991 - 4 AZR 436/90 - AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § 1 Abs. 2 Abschn. II; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § Abschn. V Nr. 16; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § Abschn. VII Nr. 4

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 05.09.1994; Aktenzeichen 16 Sa 656/94)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.03.1994; Aktenzeichen 3 Ca 829/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb i.S. der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und daher zur Beitragszahlung und Auskunftserteilung an die Klägerin verpflichtet ist.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Diese ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Regelung die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge auf Auskunftserteilung für die Zeit von Februar 1992 bis Oktober 1993 und auf Beitragszahlung für den Monat Januar 1992 in Anspruch.

Die Beklagte unterhält einen Betrieb, der im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand “Fugenabdichtung und wasserdichte Oberflächenbehandlung” eingetragen ist. Im Verzeichnis der handwerksähnlichen Berufe ist sie als “Fugergewerbe” eingetragen. Die Beklagte ist Mitglied der Bauberufsgenossenschaft und wird zur produktiven Winterbauförderung herangezogen.

Die Tätigkeit der Beklagten bestand in den Jahren 1992 und 1993 darin, als Subunternehmerin von Fensterfirmen bereits eingebaute Fenster- und Türelemente gegen Witterungseinflüsse abzudichten. Dabei werden sowohl die Zwischenräume zwischen Mauerwerk und Rahmen (Anschlußverfugungen) als auch die Zwischenräume zwischen Rahmen und Glasscheibe (Glasversiegelung) mit Kunststoffmasse verfugt.

Die ZVK behauptet, die betriebliche Gesamtarbeitszeit sei zu 90 v.H. auf Anschlußverfugungsarbeiten entfallen.

Die ZVK ist der Ansicht, die Beklagte unterfalle mit dieser Tätigkeit dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Sie erbringe damit bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV bzw. Fugarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 16 VTV in der ab 1. Juli 1992 geltenden Fassung. Es handele sich nicht um einen Betrieb des Glaserhandwerks.

Zum betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten VTV heißt es in der im Klagezeitraum geltenden Fassung:

  • § 1
  • Geltungsbereich
  • Betrieblicher Geltungsbereich:
  • Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Leiferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

  • Fugarbeiten an Bauwerken, insbesondere Verfugung von Verblendmauerwerk und von Anschlüssen zwischen Einbauteilen und Mauerwerk sowie dauerelastische und dauerplastische Verfugungen aller Art;
  • (Ab 1. Juli 1992)

Abschnitt VII

Nicht erfaßt werden Betriebe:

  • des Glaserhandwerks,

Die ZVK hat hinsichtlich der Auskünfte für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für den Zeitraum von Februar bis Dezember 1992 und Januar 1993 am 10. November 1993 und hinsichtlich der Auskünfte für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum von Mai bis August 1993 am 31. Januar 1994 erstinstanzlich ein Versäumnisurteil erwirkt.

Die ZVK hat zuletzt beantragt,

  • Die Versäumnisurteile vom 10. November 1993 und 31. Januar 1994 werden aufrechterhalten.
  • Die Beklagte wird im übrigen verurteilt,

    • der ZVK auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

      • wieviele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (bis 31.12.1991) bzw. ab dem 01.01.1992 nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI) über die gesetzliche Rentenversicherung versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten

        Februar bis April 1993 und September, Oktober 1993

        in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den jeweils genannten Monaten angefallen sind.

      • wieviele Angestellte insgesamt und wieviele Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt (bis 31.12.1989) bzw. ab 01.01.1990 wieviele Angestellte insgesamt mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV ausüben, in den Monaten

        Februar bis Oktober 1993

        in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen (gilt nur für den Zeitraum 01.01.1987 bis 30.04.1992) und in welcher Höhe Vorruhestands- (bis 30.04.1992) sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den jeweils genannten Monaten angefallen sind.

    • Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die ZVK folgende Entschädigung zu zahlen:

      zu Nr. 1.1 23.200,-- DM

      zu Nr. 1.2 752,94 DM

      Gesamtbetrag 23.952,94 DM

    • Die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.283,43 DM zu zahlen (Beitrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für den Monat Januar 1992).

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, ihr Betrieb sei als ein Betrieb des Glaserhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 ausgenommen.

Die Beklagte behauptet dazu, 25 bis 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien auf Reparaturverfugungen an Fenstern entfallen. Dabei sei die Abdichtung zwischen Rahmen und Glasscheibe erneuert worden. Die übrige betriebliche Tätigkeit sei je zur Hälfte auf Anschlußverfugungen zwischen Mauerwerk und Rahmen und Verfugungen zwischen Rahmen und Glasscheibe bei neu eingebauten Fenstern entfallen. Glasversiegelungsarbeiten seien typische Tätigkeiten des Glaserhandwerks. Auch die damit zusammenhängenden Anschlußverfugungsarbeiten seien dem Glaserhandwerk zuzuordnen.

Das Arbeitsgericht hat unter Aufhebung der Versäumnisurteile die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr unter Aufrechterhaltung der Versäumnisurteile stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte Klageabweisung. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wurde.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb unterfalle dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV und sei nicht als ein Betrieb des Glaserhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 VTV ausgenommen.

Die von der Beklagten ausgeführten Arbeiten seien als bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV bzw. ab 1. Juli 1992 als Fugarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 16 VTV anzusehen. Bei dem Betrieb handele es sich nicht um einen Betrieb des Glaserhandwerks. Ein solcher liege nur dann vor, wenn im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten verrichtet werden, die dem Glaserhandwerk zuzuordnen seien, die betriebliche Tätigkeit handwerksmäßig und nicht in industrieller Form durchgeführt werde und es sich bei den arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Tätigkeiten um wesentliche (Teil-) tätigkeiten des Glaserhandwerks handele.

Die letztere Voraussetzung sei vorliegend nicht gegeben, weil sowohl die Anschlußverfugungs- als auch die Glasversiegelungsarbeiten keine wesentlichen Teiltätigkeiten des Glaserhandwerks seien. Dies folge daraus, daß Anschlußverfugungen auch zum Tätigkeitsbereich des handwerksähnlich betriebenen Fugergewerbes zählten. Damit könnten sie nicht als eine für das Glaserhandwerk wesentliche Teiltätigkeit angesehen werden.

Gleiches gelte, entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auch für Glasversiegelungsarbeiten. Die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten gehörten auch zum Berufsbild des Ausbaufacharbeiters mit Schwerpunkt Trockenbauarbeiten. Sie seien deshalb für das Glaserhandwerk nicht wesentlich. Weitere Indizien dafür, daß die Beklagte einen Betrieb des Glaserhandwerks unterhalte, wie etwa ihre entsprechende Eintragung in die Handwerksrolle oder die Beschäftigung gelernter Glaser, seien nicht ersichtlich.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu folgen.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, wonach Betriebe als Ganzes unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (vgl. BAG Urteil vom 24. August 1994 - 10 AZR 67/94 - AP Nr. 182 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Anschlußverfugungs- und Glasversiegelungsarbeiten durchgeführt.

Mit der Zuordnung derartiger Tätigkeiten zum betrieblichen Geltungsbereich des VTV hat sich der Senat - ausgehend vom Urteil des Vierten Senats vom 13. März 1991 (- 4 AZR 436/90 - AP Nr. 139 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) - in zahlreichen Urteilen befaßt (Urteil vom 27. Januar 1993 - 10 AZR 203/91 -, n.v., vom 26. Januar 1994 - 10 AZR 40/93 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, vom 18. Mai 1994 - 10 AZR 646/93 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, vom 28. Juli 1993 - 10 AZR 556/92 -, n.v. und vom 12. Oktober 1994 - 10 AZR 4/94 -, n.v.). Danach sind sowohl Anschlußverfugungen, d.h. Verfugungen zwischen Mauer und Fenster- oder Türrahmen als auch … Glasversiegelungsarbeiten, d.h. Verfugungen zwischen Glasscheibe und Rahmen als bauliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV anzusehen, da sie zur Herstellung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs eines

Bauwerks führen. Seit dem 1. Juli 1992 haben die Tarifvertragsparteien derartige Arbeiten als Fugarbeiten ausdrücklich als Tätigkeitsbeispiel in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 16 VTV aufgenommen.

3. Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII allerdings Betriebe, die die dort genannten baulichen Leistungen ausführen, vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Zur Prüfung der Frage, ob ein Betrieb danach vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht erfaßt wird, sind in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgende Kriterien entwickelt worden:

Führt ein Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten aus, die einem in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV genannten Gewerk zuzurechnen sind, so wird der Betrieb als Ganzes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht erfaßt.

Werden Arbeiten ausgeführt, die sowohl als bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis V VTV als auch als solche eines der in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV genannten Gewerke anzusehen sind, so kommt es für eine Ausnahme aus dem betrieblichen Geltungsbereich darauf an, ob neben diesen Arbeiten in nicht unerheblichem Umfang (mindestens 20 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit) Arbeiten ausgeführt werden, die ausschließlich dem vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommenen Gewerke zuzuordnen sind, die also für dieses Gewerk typisch sind, oder ob diese Arbeiten in nicht unerheblichem Umfang von gelernten Arbeitnehmern dieses Gewerks ausgeführt werden oder eine entsprechende Aufsicht durch einen Fachmann, z.B. einen Meister, dieses Gewerks besteht (vgl. BAG Urteil vom 10. Oktober 1987, BAGE 56, 214 = AP Nr. 87 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau und Urteile vom 24. Februar 1988- 4 AZR 640/87 - und vom 23. November 1988 - 4 AZR 314/88 - AP Nr. 2 u. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker). Diese Rechtsprechung hat der Senat im Urteil vom 7. April 1993 (- 10 AZR 618/90 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler) und im Urteil vom 19. Juli 1995 (- 10 AZR 107/95 -, n.v.) fortgeführt.

4. Nach den genannten Kriterien hat der Senat auch beurteilt, ob ein Betrieb, der Anschlußverfugungs- und Glasversiegelungsarbeiten ausführt, als Betrieb des Glaserhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen ist. Dabei ist der Senat - ausgehend vom Urteil des Vierten Senats vom 13. März 1991 - stets davon ausgegangen, daß Glasversiegelungsarbeiten als eine typische Tätigkeit des Glaserhandwerks anzusehen und damit allein dem Glaserhandwerk zuzuordnen sind. Anhaltspunkte für eine anderweitige Zuordnung lagen dem Senat in den entschiedenen Rechtsstreitigkeiten nicht vor.

Anschlußverfugungsarbeiten, die für das Glaserhandwerk nicht typisch sind, da sie sowohl zum Berufsbild des Glasers als auch zu anderen baugewerblichen wie z.B. des Berufsbildes des Ausbaufacharbeiters gehören, hat der Senat nur dann arbeitszeitlich den Glasversiegelungsarbeiten zugerechnet, wenn ein Zusammenhang zwischen den Glasversiegelungsarbeiten und den Anschlußverfugungsarbeiten bestand, wenn also beide Arbeiten an denselben Fenstern oder Türen in einem Arbeitsgang durchgeführt wurden.

5. Diese Rechtsprechung läßt sich nicht aufrechterhalten.

a) Entgegen der bisherigen Beurteilung durch den Senat können Glasversiegelungsarbeiten nicht als Arbeiten angesehen werden, die für das Glaserhandwerk typisch sind und deshalb i.S. der Senatsrechtsprechung allein diesem Handwerk zuzuordnen sind.

Mit Recht verweist nämlich das Landesarbeitsgericht darauf, daß Glasversiegelungsarbeiten nicht nur zum Berufsbild des Glasers, sondern auch zum Berufsbild des Ausbaufacharbeiters mit Schwerpunkt Trockenbauarbeiten gehören. Nach dem Ausbildungsrahmenplan für den Ausbaufacharbeiter, Abschnitt G, Schwerpunkt Trockenbauarbeiten Nr. 4 Buchst. c (BGBl. I 1984 S. 1626) gehört das “Einsetzen von Fenstern und Türen einschließlich ihrer Verglasung unter Beachtung der im Trockenbau gegebenen Funktionen” zu den zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnissen. Zur Verglasung gehört notwendigerweise, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, die Abdichtung zwischen Scheibe und Fenster- oder Türrahmen gegen Feuchtigkeit, Zugluft und Schall. Dies sind Glasversiegelungsarbeiten i.S. der bisherigen Senatsrechtsprechung.

b) Sind Glasversiegelungsarbeiten damit nicht als typische Tätigkeiten des Glaserhandwerks diesem allein zuzuordnen, sondern stellen sie ebenso bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV bzw. Fugarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 16 VTV dar, die auch von baugewerblichen Betrieben des Ausbaugewerbes durchgeführt werden, so sind sie allein nicht geeignet, einen Betrieb als solchen des Glaserhandwerks i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 VTV zu qualifizieren.

Damit kommt auch der arbeitszeitlichen Zurechnung von Anschlußverfugungsarbeiten, die schon nach der bisherigen Senatsrechtsprechung auch dem Ausbaugewerbe zugerechnet wurden, keine Bedeutung mehr zu. Sind Glasversiegelungsarbeiten nicht als typische Tätigkeiten des Glaserhandwerks anzusehen, so rechtfertigt auch ein Zusammenhang mit Anschlußverfugungsarbeiten nicht den Schluß, daß es sich um einen Betrieb des Glaserhandwerks handelt.

Ein Betrieb, der arbeitszeitlich überwiegend Anschlußverfugungs- und Glasversiegelungsarbeiten ausführt, kann daher unter Anwendung der aufgezeigten Grundsätze nur dann als Betrieb des Glaserhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen sein, wenn er im übrigen in nicht unerheblichem Umfang Tätigkeiten ausführt, die ausschließlich dem Glaserhandwerk vorbehalten sind (z.B. Glasschleifen) oder wenn die Arbeiten in nicht unerheblichem Umfang von gelernten Arbeitnehmern des Glaserhandwerks (Glasergesellen) ausgeführt oder von einem Fachmann des Glaserhandwerks (Glasermeister) beaufsichtigt werden.

6. Daraus folgt, daß der Betrieb der Beklagten nicht als Betrieb des Glaserhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen ist.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden im Betrieb Anschlußverfugungs- und Glasversiegelungsarbeiten ausgeführt. Darüber hinaus fallen weitere Arbeiten, die ausschließlich dem Glaserhandwerk zugerechnet werden könnten, nicht an. Die Beklagte beschäftigt zudem keine gelernten Glaser und auch keinen Fachmann des Glaserhandwerks. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme aus dem betrieblichen Geltungsbereich nicht vor.

III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Lindemann, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI871604

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