Software und Tools zur strategischen Personalplanung

Wer ernsthaft strategische Personalplanung (SPP) betreiben möchte, kommt um digitale Unterstützung heutzutage nicht herum. Doch Unternehmen treffen dabei auf einen sehr unübersichtlichen Softwaremarkt. Welche Lösungen wirklich passen, hängt unter anderem vom Geschäftsmodell, dem Status quo der SPP-Entwicklung und bereits implementierten Softwaresystemen ab. Ein Überblick über die Möglichkeiten und Anbieter am Markt.

Das Ziel strategischer Personalplanung ist klar: Mitarbeitende genau dann am rechten Fleck an Bord zu haben, wenn Unternehmen sie benötigen. Wie schön wäre es da, man könnte einfach die Kompetenzen des Personalbestands automatisch erfassen, einige Daten über den Markt hineinkippen und systematische Bedarfsanalysen mit passenden Maßnahmen erhalten. Glaubt man den Softwareanbietern, ist das heute mit ihren Lösungen sehr einfach möglich. Im Marketing der Personalplanungstools ist der Zusatz "strategisch" beliebt. Sie versprechen intuitives Handling und individuelle Anpassungsmöglichkeiten der Szenarien. Und die Dashboards sind ein Hingucker. 

Softwarelösungen für die strategische Personalplanung

Doch der Softwaremarkt für strategische Personalplanung ist nur schwer zu durchschauen. Deshalb lassen sich viele Unternehmen bei der Auswahl von Expertinnen und Experten beraten. Benedikt von Kettler, Managing Partner der SPP-Beratung Human Consulting, hat schon viele Anforderungskataloge für Kunden geschrieben. Er unterteilt die Softwarelösungen in drei Kategorien – nach der Zeit, die es für die Einführung braucht: die Schnellboote, die Spezialschiffe und die großen Tanker. 

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Die Schnellboote: Excel, Access & Co

Zu den Schnellbooten zählt Benedikt von Kettler alle Lösungen, die Unternehmen schnell und einfach an den Start bringen können. Dazu gehört für ihn Alteryx + Tableau, eine Plattform, die schöne Präsentationen zaubern kann. Wie viele Unternehmensberatungen, die im Feld der strategischen Personalplanung unterwegs sind, hat Human Consulting selbst ein Grundlagentool, das auf Excel und Access basiert. Schon derart einfache Programmierungen spuckten eine "Heat­map" aus, um Personalrisiken zu erkennen und entsprechende Aktivitäten für Recruiting oder Weiterbildung abzuleiten. "Viele SPP-Tools bieten in ihren Funktionalitäten nicht viel mehr, als mit geringem Aufwand in Excel abgebildet werden kann", sagt der Berater.

Mit Excel ist auch das Tool Pythia programmiert. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit INQA des Bundesarbeitsministeriums ließ es 2018 für KMU entwickeln – vom Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen um Professorin Dr. Jutta Rump sowie einem Kreis von SPP-Fachexpertinnen und -experten aus verschiedenen Organisationen. Denn eine langfristige Personalplanung wurde zu dem Zeitpunkt in KMU in der Regel nicht umgesetzt. Die Lösung, die nach der amtierenden weissagenden Priesterin im Orakel von Delphi benannt ist, steht kostenfrei zum Download zur Verfügung. Eine Registrierung ist nicht vonnöten.

"Wir erhalten Rückfragen aus Unternehmen jeder Größenordnung, auch aus Konzernen und aus ganz verschiedenen Branchen", erzählt David Zapp, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IBE. Inzwischen sind einige Branchenversionen des Tools hinzugekommen für die öffentliche Verwaltung, Automotive und die Chemieindustrie. Auftraggeber sind dabei häufig die Branchenverbände. "Excel klingt vielleicht nicht so sexy, aber das kennt und nutzt jeder." Die Oberfläche erinnere nur noch wenig an eine klassische Excel-Tabelle. Da sämtliche Eingaben lokal gespeichert werden, muss man sich zudem keine Sorgen um seine sensiblen Daten machen. Die herkömmlichen Anbieter punkteten vor allem in der Live-Visualisierung von Szenarien und mit ausgefeilter Darstellung, erklärt David Zapp. Viele Unternehmen schätzen aber an Pythia, dass man sofort loslegen kann, ohne sich in die Fänge eines Anbietervertriebs zu begeben. 

Die Spezialschiffe: Stand-alone-Lösungen für SPP

Stand-alone-Lösungen für die strategische Personalplanung integrieren ähnliche Funktionalitäten. Viele Unternehmen setzen auf Smartplan von HR Forecast oder Dynaplan. Daneben sind auch 4plan von Software 4you, Anaplan, Cubeserve, Macomi, Valsight oder Visier häufig genannte Namen. Einige Softwarehersteller kommen aus der Schichtplanung, wie etwa Quinyx Strategic Planning. Im Blue-Collar-Bereich lassen sich damit Einsatzpläne erstellen und Kompetenz- und Planungslücken in der Zukunft eruieren. Auch Atoss ist auf Workforce Planning spezialisiert, hat aber für die Planung neuer Standorte ein strategisches Tool aufgesetzt. Der Workforce Evolution Designer der Zukunftsagenten setzt auf eine Gap-Analyse zwischen dem Status quo der tatsächlichen Aufgaben und Prozesse und einem aufgabenbasierten Profil der zukünftigen Organisation.

"Moderne Werkzeuge sollten eine strategische und operative Sicht integrieren", findet Dr. Kai Berendes, bislang geschäftsführender Gesellschafter von Dynaplan und Leiter des SPP-Expertenzirkels im Demographie Netzwerk e.V. (ddn). Strategische Szenarien brächten nichts, wenn es nicht gelinge, sie mit der Umsetzung zu verbinden – und zwar qualitativ und quantitativ. Strategische Personalplanung müsse in der Unternehmensstrategie verankert sein und gleichzeitig den Markt im Blick behalten. "Es braucht ein ausgewogenes Wechselspiel von Innen- und Außensicht", so Kai Berendes. Auch das Zusammenspiel zwischen Organisationsentwicklung und Personalplanung werde vor dem Hintergrund kontinuierlicher Veränderung immer wichtiger. Eine agile Organisation habe andere Prozesse und Aktivitäten als hierarchische und gestalte deshalb auch andere Rollen mit den zugehörigen Kompetenzen. Da trifft es sich gut, dass Dynaplan im Dezember 2021 von Orgvue übernommen wurde. Denn der Anbieter hat genau hier seinen Schwerpunkt. Nun wolle man laut Kai Berendes, der nun Vice President Methods & Content von Orgvue ist, gemeinsam eine SaaS-Plattform bieten, die Organisationsdesign und Personalplanung vereint. 

Tools für strategisches Kompetenzmanagement sind gefragt

In einer volatilen Planungsumwelt erwarten Unternehmen zudem, dass ihre SPP-Software schnell Szenarien berechnen kann. "Viele Tools haben allerdings keine differenzierten Darstellungsmöglichkeiten zur Bedarfsabbildung", hat SPP-Berater Benedikt von Kettler beobachtet. Sie funktionierten gut in einer sehr stabilen Umgebung und könnten da berechnen, wie viel mehr Full Time Equivalents (FTEs) Unternehmen in einem bestimmten Szenario brauchen. Doch die Tools müssen auch Kompetenzen abbilden können, findet er. Diesen Bedarf sieht auch David Zapp von der Hochschule Ludwigshafen. Auf das IBE seien zuletzt immer mehr Unternehmen zugekommen, in denen Führungskräfte stärker mit den Mitarbeitenden an den Kompetenzplänen arbeiten möchten. "Zwar weiß man mithilfe klassischer SPP-Tools, welche Kompetenzen grundsätzlich innerhalb einer Jobgruppe benötigt werden. Aber die Menschen in einer Jobgruppe ticken nicht alle gleich", so der wissenschaftliche Mitarbeiter.

Das IBE hat deshalb nach Pythia ein Schwesterprodukt namens Sibyl entwickelt, das die strategische Kompetenzplanung fokussiert. Bei der strategischen Kompetenzplanung dürfe der Detailgrad nicht zu hoch sein, aber auch nicht zu gering. Das IBE verfolgt daher bei Sibyl bewusst das Motto "weniger ist mehr". So kann man für die einzelnen Mitarbeitenden jeweils drei Zukunftskompetenzen hinterlegen, die am wichtigsten für die Strategie erscheinen. Die Unternehmen haben die Möglichkeit, diese individuell einzugeben oder sie aus einem mitgelieferten Kompetenztableau auszuwählen. Seit Anfang dieses Jahres ist eine kostenfreie Automotive-Version verfügbar, an weiteren Branchenlösungen arbeitet das IBE aktuell. 

KI-Lösungen für das Skillmanagement

Der Trend kommt auch bei den kommerziellen Anbietern an. HR Forecast etwa hat mit Smartpeople eine Talent-Marketplace-Plattform im Portfolio. Ein KI-Algorithmus soll Mitarbeitende mit offenen Jobs abgleichen, Skills-Gaps ermitteln und Mitarbeitenden individuelle Learning Journeys vorschlagen. Die Plattform ist mit externen Marktdaten verbunden, um Arbeitsmarkttrends dabei zu berücksichtigen. Die "Platzhirsche" unter den KI-Lösungen für Talent- und Skillplattformen sind Anbieter aus Nordamerika wie etwa Skyhive. Das B-Corp-Unternehmen kombiniert seine globalen Echtzeit-Arbeitsmarktdaten mit künstlicher Intelligenz. Denn ein Problem, das viele Unternehmen umtreibt: Sie kämpfen damit, ihre Definitionen von Jobs und Fähigkeiten zu vereinheitlichen. Die Stellenbezeichnungen sind nicht immer aussagekräftig.

Auch der Anbieter Eightfold hat deshalb ein ähnliches Portfolio. Eightfold verspricht Unterstützung dabei, die aktuellen Kompetenzen im Betrieb mit dem künftigen, sich ständig ändernden Bedarf abzugleichen. Strategische Personalplanung bekommt über diese Lösungen einen kleinteiligeren Dreh, den KI handhabbar machen soll: Sie ist nicht mehr auf klassische Arbeitsplätze bezogen, sondern auf die tatsächlichen Fähigkeiten in der Organisation. Auch jenseits der USA gibt es einige neue Anbieter und Start-ups, die sich auf dem Gebiet "strategisches Skillmanagement" tummeln: darunter Cobrainer aus Deutschland, Gloat aus Israel, Neobrain aus Frankreich und People Analytix aus der Schweiz. 

"Viele Anbieter machen schicke Sachen, haben aber ein ganz spitzes Portfolio", erklärt die People-Analytics-Spezialistin Christine Balzer von Infomotion. Eine integrierte strategische Personalplanung erkennt sie dabei nicht. Vielmehr seien diese Tools gute Datenlieferanten. Viele Lösungen seien operational gedacht und könnten den Status quo gut abbilden. 

Die Tanker: Plattform- und "Eh-Da-Lösungen"

Bei der Auswahl von passender Software für strategische Personalplanung empfiehlt Balzer, erst einmal zu schauen, welche Analyse- und Planungstools das Unternehmen sowieso schon im Einsatz hat. Ein Großteil des Umsatzes der Beratungsagentur kommt aus dem SAP-Geschäft. Wenn Kunden und Kundinnen SAP nutzen, bleiben sie meistens auch dabei. Geht es dann um eine Planung für die Zukunft, ist sie kein Fan von firmeneigenen Excel-Lösungen. Diese brächten hohe manuelle Aufwände mit sich und seien häufig fehleranfällig. Sie favorisiert Analytics-Plattformen, die verschiedene Funktionen integrieren und neben einer Personalplanung beispielsweise auch eine Kosten- oder Vertriebsplanung abbilden können. Für ihre Kunden erstellt sie Konzepte, wie sie sinnvoll ihre Daten zusammenführen können und welche KPIs sie eigentlich brauchen, um sinnvolle Personalaktivitäten zu planen. 

Den Plattformgedanken verfolgen die meisten großen Player, die Speziallösungen für strategische Personalplanung auffahren können – darunter Board, IBM Planning Analytics powered by TM1, Oracle (Strategic Workforce Planning), SAP Success Factors (Analytics Cloud) oder Workday (Adaptive Planning). "Diese Systeme liefern gleich einen ganzen Werkzeugkasten, der verschiedene Funktionen liefert und bei Bedarf im ganzen Unternehmen eingesetzt werden kann", so Christine Balzer. Da sei manches Tool vielleicht nicht ganz so passgenau für ein Unternehmen wie ein "Spezialhammer". Aber man bräuchte auch die entsprechende Expertise im Haus, um mit verschiedenen Spezialtools umzugehen. Sind diese nicht an Bord, ergibt es laut Christine Balzer meist mehr Sinn, vielfach einsetzbare Werkzeuge zu nutzen. Und es gelte bei der Toolauswahl auch die Systemarchitektur des gesamten Unternehmens zu berücksichtigen.

Die Softwareauswahl: eine Frage der Philosophie

Wer die Software letztlich anwendet – das hält auch Benedikt von Kettler für einen wesentlichen Aspekt der Softwareauswahl: Wird ein Tool zentral durch ein Center of Expertise bedient oder soll es von jedem HR-Business Partner angewendet werden? Doch bei der Vorgehensweise im Auswahlprozess tun sich zwei mögliche Wege auf: Beratungen, die wie Human Consulting von der Konzeptseite kommen, setzen bei der unternehmenseigenen Methodik an. Erst müsse man einen SPP-Prozess etablieren, dann darauf aufbauend das passende Tool auswählen. Wer wie Christine Balzer von Infomotion den Fokus auf People Analytics legt, kann sich auch den umgedrehten Prozess vorstellen: Die im Unternehmen vorliegenden strukturierten Daten als Grundlage zu nutzen, um eine gute SPP zu etablieren. Welche Philosophie besser passt? Auch hier müssen Unternehmen sich entscheiden.

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Dieser Beitrag ist zuvor erschienen in Personalmagazin Ausgabe 11/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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