Workforce Management - mehr als Personal­einsatz­planung

Sehr häufig wird Workforce Management (WFM) mit Personaleinsatz­planung gleich­gesetzt. Das ist ungefähr so, wie wenn ein Medi­kament für eine gesamte medi­zinische Behandlung steht. Doch das Medikament ist nur ein kleiner Teil des medi­zi­ni­schen Leistungs­spektrums. Und genauso ist Personal­einsatz­planung nur ein operativer Teil eines strate­gisch ausgerichteten WFM. 

Workforce Management (WFM) ist ein Gesamtprozess, der viele Einzelthemen und Prozessschritte beinhaltet, die unterschiedliche zeitliche Dimensionen abdecken. Eine Personaleinsatzplanung sorgt operativ dafür, dass der richtig qualifizierte Mitarbeitende zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Ein WFM sorgt strategisch dafür, dass die Grundlagen vorhanden sind, damit eine operative Personaleinsatzplanung funktionieren kann. Dazu gehört der Aufbau einer flexiblen Personalkapazität mit entsprechender Qualifikation und Arbeitszeitmodellen, die eine bedarfs- und mitarbeitergerechte Planung ermöglichen. Folgende Kriterien müssen innerhalb eines WFM berücksichtigt werden: 

1. Transparenz über den Bedarf 

Was bringt eine Personaleinsatzplanung, wenn man gegen einen falschen Bedarf plant? Eine Bedarfsanalyse hilft, den betrieblichen Bedarf quantitativ und qualitativ zu verstehen. Innerhalb der Bedarfsanalyse sind folgende Fragen zu beantworten:

  • Anhand welcher Bedarfstreiber kann ein Bedarf ermittelt werden? Beispiele für Bedarfstreiber sind Kundenfrequenz, Telefonate, Stück, Tonnage, Umsatz.
  • Welche Leistung soll erbracht werden? Wie viele Einheiten sollen produziert werden? Wie viele Anrufe oder Kunden sind zu erwarten?
  • Wie verteilt sich dieser Bedarf auf die Kalenderwochen, die einzelnen Wochentage oder innerhalb eines Tages?
  • Wie flexibel muss ein Arbeitszeitsystem sein, um den Bedarf zu decken? Wie stark schwankt der Bedarf von Woche zu Woche, von Tag zu Tag oder innerhalb eines Tages?
  • Wie gut ist der Bedarf für welchen Zeitraum prognostizierbar?

2. Die Kapazität prognostizieren

Als nächstes werden die Bedarfstreiber in eine benötigte Personalkapazität umgerechnet: Wie viele Arbeitsstunden sind nötig, um die gewünschte Leistung zu erbringen? Dieser Umrechnungsschritt kann sehr einfach sein. Wenn man zum Beispiel weiß, dass für die Produktion von 100 Stück an einer Maschine zwei Personen eine Stunde arbeiten müssen, kann man den benötigten Personalbedarf für beliebige Produktionsmengen ableiten. Komplizierter wird es in Callcentern, in der Logistik oder dem Handel. In diesen sehr volatilen Bedarfsumfeldern können Umrechnungsfaktoren auf Basis von Vergangenheitsdaten (zum Beispiel Arbeitszeiten oder Umsatz) mit speziellen Algorithmen dynamisch ermittelt werden. In Verbindung mit leistungsfähigen Forecast-Algorithmen, die zunehmend KI-basiert sind und zukünftige Bedarfe immer besser prognostizieren können, wird so das Fundament für eine bedarfsorientierte Personaleinsatzplanung gelegt.

In einer Bedarfsanalyse kann ebenfalls ermittelt werden, wie sich eine erforderliche Kapazität zusammensetzen sollte: Wie hoch soll der Anteil der Stammbelegschaft sein? Wie viele Aushilfen oder Leiharbeitskräfte werden benötigt und wie soll das Verhältnis von Voll- und Teilzeit sein? Oftmals sind diese Verhältnisse historisch gewachsen, obwohl das Unternehmen die benötigten Verhältnisse aus dem Bedarf ableiten kann. 

3. Flexible Arbeitszeitmodelle entwickeln

Nach der Bedarfsermittlung wäre der nächste Schritt im Prozess die Personaleinsatzplanung. Wir haben in unseren Beratungsprojekten aber oft die Erfahrung gemacht, dass Kunden eine Personaleinsatzplanung einführen und erst dann merken, dass sie nicht flexibel planen können, weil es die Arbeitszeitmodelle oder die Betriebsvereinbarung nicht erlauben. Eine flexible Personaleinsatzplanung ist nur sehr eingeschränkt möglich, wenn zum Beispiel Vollzeitkräfte immer die volle Wochenarbeitszeit arbeiten müssen. Daher sollte bei der Entwicklung von Arbeitszeitmodellen der betriebliche Bedarf die Basis sein.

Gleichzeitig müssen auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Ist der Bedarf gleichbleibend konstant, dann kann ein rollierender Schichtplan eine gute Lösung sein, zumal er ihnen auch viel Planungssicherheit gibt. Wird etwas mehr Flexibilität benötigt, kann die Basis ein Schichtplan sein, der beispielsweise nur 70 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit beinhaltet und die restlichen 30 Prozent werden bedarfsorientiert verplant. Oder das Unternehmen entscheidet sich für eine vollflexible Planung, in der Tages- und Wochenarbeitszeiten, Beginn und Ende flexibel schwanken können.

4. Der Personaleinsatzplanungsprozess 

Je flexibler die Arbeitszeitmodelle sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie nicht mitarbeiterfreundlich sind. Über die geeignete Definition eines Personaleinsatzplanungsprozesses kann sichergestellt werden, dass die Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht zu kurz kommen. Tatsächlich definiert das Unternehmen mit dem Personaleinsatzplanungsprozess immer auch ein Stück Firmenkultur: Wie wollen wir mit unseren Mitarbeitenden umgehen? Sie können ungefragt verplant oder umfangreich am Einsatzplanungsprozess beteiligt werden. 

Es gibt zwei Dinge, die für Mitarbeitende bei einer Personaleinsatzplanung wichtig sind: Planungssicherheit und/oder Einfluss auf die eigene Arbeitszeit. Ein Schichtplan gibt auf lange Sicht Planungssicherheit. Eine vollflexible Planung gibt diese jeweils nur innerhalb einer Ankündigungsfrist für eine oder mehrere Wochen. Dies sieht zunächst danach aus, dass eine vollflexible Planung gegenüber einer Schichtplanung für Mitarbeitende eher nachteilig ist. Und genau hier greift der Personaleinsatzplanungsprozess. Wenn sich Mitarbeitende im Vorfeld Verfügbarkeiten und Präferenzen wünschen dürfen, die bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden, und danach beliebig Schichten tauschen dürfen, kann es durchaus sein, dass dies für Mitarbeitende vorteilhafter ist als ein fixer Schichtplan. Denn bei einer flexiblen Planung ist es eher möglich, öfter bei fixen Vereinsterminen teilzunehmen, als im rollierenden Zweischichtplan, in dem dies definitiv nur jede zweite Woche in der Frühschichtphase möglich ist. 

Immer beliebter wird eine selbstorganisierte Personaleinsatzplanung in Form von Gruppenarbeit. Hier haben die Beschäftigten den mit Abstand höchsten Einfluss auf die eigene Arbeitszeit. Die Erfahrung aus unseren Arbeitszeitprojekten zeigt: Je höher der Einfluss auf die eigene Arbeitszeit wird, umso weniger wichtig wird die Planungssicherheit.

5. Auf die Realität reagieren

In der Personaleinsatzplanung wird dafür gesorgt, dass auf Basis eines erwarteten Bedarfs die benötigte Anzahl an Mitarbeitenden mit der jeweiligen Qualifikation zum richtigen Zeitpunkt im Unternehmen ist. Nun hat die Realität die unangenehme Eigenschaft, von dieser Erwartung abzuweichen. Beschäftigte werden krank oder die Bedarfssituation ändert sich kurzfristig. In der Disposition wird genau darauf reagiert, indem anwesende Mitarbeitende umgeplant (Kannst Du etwa länger bleiben?) oder auf anderen Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Auch hier ist es vorteilhaft, wenn das Unternehmen klare Prozesse und Werkzeuge definiert hat, wie es auf etwaige Abweichungen reagieren kann.

6. Das Arbeitszeitmanagement

Während die Personaleinsatzplanung die Zukunft betrifft, betrachtet das Arbeitszeitmanagement die Vergangenheit. Welche Fehlzeiten sind angefallen? Wie haben die Mitarbeitenden real gearbeitet? Wie sollen Zeiten erfasst werden? Welche Zeitkontenstände und Lohnarten beziehungsweise Zuschläge resultieren daraus? Spätestens seit dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung muss sich jedes Unternehmen mit dieser Thematik auseinandersetzen.

7. Abweichungen analysieren

Im Nachgang kann analysiert werden, inwieweit Forecast und Ist-Bedarf sowie Personaleinsatzplanung und Ist-Einsatz übereinstimmen. Bei größeren Abweichungen sollte analysiert werden, woher diese kamen. Gab es ein bestimmtes Ereignis, das für eine Bedarfsabweichung verantwortlich war und ist es möglich, diese Art von Ereignis in Zukunft vorherzusehen? Dann sollte es künftig eingeplant werden, wodurch der Bedarf in der Prognose angepasst wird. Wurden die Beschäftigten völlig anders eingesetzt als geplant? Warum war dies so? Was können wir daraus für künftige Planungen lernen? Ziel des Controllings ist es, die Qualität von Forecast und Planung mit jedem Durchlauf des Gesamtprozesses zu verbessern, wodurch ein sich selbst optimierender Kreislauf entsteht.

Professionelle Tools als Basis

Nach wie vor ist in Deutschland Excel das beliebteste Tool für die Personaleinsatzplanung. Hat ein Unternehmen starre Schichtpläne mit fixen Besetzungsvorgaben und wenig Bedarfsschwankungen, dann kann auch in Zukunft eine einfache Personaleinsatzplanung ausreichen, eventuell sogar auf Excelbasis. 

Aber es gibt immer weniger Betriebe, auf die diese Bedingungen zutreffen. Die meisten müssen in Richtung Kunde flexibler werden und auch die Mitarbeitenden fordern immer häufiger flexible Modelle ein, die mit Excel nicht mehr zu verwalten sind. In der Praxis überrascht uns immer wieder, wie viele Firmen nach wie vor keine Personalbedarfsprognose machen, dann aber in Excel einen Personaleinsatzplan erstellen. Wenn ein Unternehmen seinen Bedarf nicht kennt: Gegen was plant es dann in der Personaleinsatzplanung? Unserer Meinung nach wird ein Großteil der Firmen in den operativen Einheiten früher oder später auf das gesamte Spektrum des WFM zurückgreifen müssen und hierfür die Unterstützung durch eine professionelle Software benötigen. Ein gutes WFM-Tool sollte folgende Themen unterstützen:

  • Workforce Analytics für die Arbeitszeit- und Bedarfsanalyse sowie das Controlling von Kennzahlen
  • Forecast und Personalbedarfsermittlung
  • Manuelle Personaleinsatzplanung mit einem variablen Einsatzplanungsdialog, der alle planungsrelevanten Informationen darstellt (Bedarfe, Mitarbeitende, Arbeitsplätze, Zeitkonten, Abwesenheiten, Qualifikationen et cetera)
  • Algorithmus zur optimierten Planerstellung, der einen Einsatzplan errechnet, der gesetzliche, tarifliche und betriebliche Rahmenbedingungen einhält, Bedarfe deckt, Mitarbeiterwünsche berücksichtigt, Zeitkonten steuert et cetera
  • Idealerweise eine integrierte Zeitwirtschaft oder die Möglichkeit, eine Zeitwirtschaft über Schnittstellen anzubinden
  • Employee Self Service oder eine App, damit die Mitarbeitenden über Workflows am Planungsprozess beteiligt werden: Schichten tauschen, Fehlzeiten beantragen, ihren Einsatzplan einsehen

Erst das Workforce Management, dann die Software

Bei Forecast, Bedarfsermittlung und der Errechnung optimierter Personaleinsatzpläne kommt zunehmend KI zum Einsatz. Aktuell nehmen wir nicht wahr, dass KI-Algorithmen bessere Ergebnisse liefern als klassische Regressions- und Optimierungsverfahren, aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch in diesem Segment deren Überlegenheit zeigen wird. Immer wichtiger wird die Einbindung der Mitarbeitenden. Daher wird eine gute, intuitive Self-Service-App immer öfter zur Voraussetzung für moderne und mitarbeiterorientierte Personaleinsatzplanungsprozesse.

Wir bekommen immer wieder Anfragen von Unternehmen, bei denen die Einführung einer WFM-Software stockt. Ursache ist häufig, dass zuerst eine Software gekauft und dann auf Basis der Software versucht wird, die Prozesse zu definieren. Erst dann merkt das Unternehmen, dass es die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit anpassen müsste. Der ideale Prozess zur Einführung eines WFM ist wie folgt:

  • Analyse von Arbeitszeiten und Bedarfsdaten
  • Definition von Arbeitszeitmodellen/Schichtplänen auf Basis der Analysen
  • Definition von Prozessen zur Jahresplanung, Bedarfsermittlung, Personaleinsatzplanung und Zeitwirtschaft
  • Erstellen/Anpassen einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit und Personaleinsatzplanung
  • Voraussetzungen für neue flexible Modelle schaffen 
  • Ableitung der Anforderungen an ein WFM-Tool (je nach Personaleinsatzplanungsprozess können diese sehr unterschiedlich sein)
  • Auswahl eines WFM-Tools
  • Einführung eines WFM-Tools beziehungsweise Umsetzung der neuen Regelungen im bestehenden System

Die Branche mit der größten Dichte im Einsatz von WFM-Systemen ist die Callcenter-Branche, gefolgt vom Handel. Während in Callcentern schon seit Langem die Bedarfe prognostiziert werden, kommt das Thema im Handel erst jetzt richtig in Gang. Die aktuell größte Nachfrage nach WFM-Systemen kommt aus dem produzierenden Gewerbe. Hier ist mit über 90 Prozent immer noch Excel „Marktführer“. Doch durch Lieferengpässe und Fachkräftemangel gibt es einen enormen Veränderungsdruck von klassischen Schichtsystemen hin zu einer flexiblen und auch mitarbeiterorientierten Schichtplanung, was mit Excel nur bedingt administrierbar ist. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen werden seit Längerem auch Personaleinsatzplanungssysteme eingesetzt, von einem umfassenden WFM ist aber auch diese Branche noch ein gutes Stück entfernt. 

Aktuell haben die Tools im Markt die Nase vorne, die den WFM-Ansatz umfassend bedienen können. Aber Vorsicht: Nicht überall, wo WFM draufsteht, ist dies auch drin. Es gibt auch Softwarehersteller, die ein einfache Personaleinsatzplanung unter dem Label WFM verkaufen.

Dieser Beitrag stammt aus dem Personalmagazin Ausgabe 10/2023, die am 12. September erscheint. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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