Kolumne Wirtschaftspsychologie: Wenn Personaler rot sehen

So mancher Mythos geistert durch die Personalabteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt in seiner Kolumne über die Fakten auf. Heute: Lichtsprache – wie Sie die Kraft des Göttlichen im Personalwesen nutzen.

Für unverbesserliche Ignoranten ist Licht nichts anderes als eine elektromagnetische Welle mit einer Länge irgendwo zwischen 380 bis 780 Nanometern. Doch kann das schon die ganze Wahrheit sein? Ist Licht nicht vielmehr ein Quell unseres irdischen Lebens? Und schreiten wir nicht dereinst am Ende unserer Tage dem gleißenden Licht entgegen? Licht muss also viel mehr sein als banale Physik. Das wussten die großen Weisen, Seher und Schamanen schon von jeher. Dem Licht wohnt eine übernatürliche Kraft inne. Dieser ewigen Wahrheit konnte sich nicht einmal das Christentum verschließen: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war." (1. Mose 1)

HR-Manager als Wunderheiler?

Eigentlich merkwürdig, dass bislang noch niemand auf die Idee gekommen ist, das Göttliche des Lichts auch im Personalwesen zu nutzen, ist man hier doch allzu gern bereit zu glauben – auch dort, wo man eigentlich wissen könnte. Gesagt, getan. Seit wenigen Jahren wird auch im Personalwesen eine Methode angeboten, die vormals nur professionellen Heilpraktikern und Jüngern der Esoterikkultur vorbehalten war – die Lichtsprache.

Wer als Esoteriker tief in die Jagdgründe der Phantasie eingestiegen ist, der weiß, dass all unsere Gedanken sich vermittelt über die heilige Geometrie und verbunden mit der Kraft des Lichts in Materie manifestierten. Klar, wer hätte auch etwas anderes erwartet. Aber mehr noch: in der Aura eines jeden Menschen spiegelt sich seine Seele in Form und Farbe. Läuft etwas schief im Leben, so liest dies der erleuchtete Heiler in der Aura seines Patienten, so wie ein Radiologe die verschwundene Schere des Assistenten auf dem Röntgenbild erkennt. Nach dem Grundsatz "gleiches mit gleichen bekämpfen" – "par pari referre", wie der Lateiner sagt – konfrontiert er nach der tiefschürfenden Diagnose den Leidenden mit geometrischen Mustern unterschiedlicher Farbe. Und siehe da, alsbald tritt Heilung ein: Dort, wo bislang ein schwarzes Quadrat das Karma störte, wird fürderhin ein roter Kreis für Labsal sorgen. Was den Normalsterblichen wie ein Wunder scheinen mag, ist des versierten Heilers täglich Brot. Über die geheime Sprache des Lichts wirkt er auf die Seele seines Gegenübers ein und verändert damit letztlich die ganze Welt. Halleluja!

Bunte Mischung für jedes Anliegen

Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis eine solchermaßen stringente Intervention ihren Weg in die Personalabteilungen, in Führungskräfteseminare und Coachings fand. Sie bringt all das mit, was man hier von einer guten Methode erwartet. Sie ist schnell, unterhaltsam und fordert den Intellekt der Teilnehmer nicht über Gebühr heraus. Natürlich muss alles ein wenig vereinfacht werden, damit Manager sich darauf einlassen. Während in der Wunderheilung nicht weniger als 80 geometrische Formen mit 144 Farben kombiniert werden, arbeitet der Lichtsprache-Businesscoach mit gerade einmal 70 Bildern, die Form und Farbe miteinander kombinieren. Und so wird es gemacht:

  • Die Zeremonie beginnt mit einem Gespräch, in dem der Coach die Schwäche in der Aura eines Managers ("Mich nimmt niemand ernst."), eines Teams ("Wie leben in unterschiedlichen Welten.") oder eines ganzen Unternehmens ("Uns laufen die Kunden davon.") analysiert.
  • Anschließend wird die passende Kombination aus Form und Farbe ausgewählt, beispielsweise eine grüne Kugel oder ein gelber Tetraeder.
  • Jetzt muss nur noch das Medium ausgewählt werden, über das sich die Wirkung entfaltet. Das Angebot lässt kaum Wünsche offen. Kommunizieren die Mitarbeiter nicht richtig miteinander, so hängt man kurzerhand ein großes Bild mit einer blauen Kugel im Besprechungsraum auf. Kreative Ideen entfalten sich am besten in Anwesenheit eines orangefarbenen Donuts, den man sich auch als Skulptur in den Raum stellen kann. Als Häppchen für zwischendurch gibt es das Hintergrundbild für das Smartphone und wer so richtig viel Geld investieren will, der richtet gleich einen ganzen Meditationsraum ein, der komplett in eine Farbe gehüllt ist und einen Zylinder an der Wand zeigt.
  • Jetzt kann das eigentliche Wunder beginnen. Über geheime Energieflüsse – irgendein Quantengedöns, das bislang niemand so richtig kennt – werden zunächst die Auren der Beteiligten, kurz darauf ihr Geist und schon bald die Realität selbst verändert. Und siehe da, mit einem Mal findet der Chef Anerkennung, alle im Team haben sich lieb und die Kunden reißen ihnen die Produkte aus den Händen.

Der Pfad der Einfalt ist der Weg zum Glück!

Vielleicht probieren Sie das auch einmal in Ihrem Unternehmen aus. Nun, gewiss wird nicht jeder einer solchen Methode mit der gebotenen Unvoreingenommenheit begegnen. Ich aber sage euch: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nie Erleuchtung erfahren. Siehe, der Schritt zur grenzenlosen Sorglosigkeit ist nur ein winziger. Folget jenen Brüdern und Schwestern, welche unter uns die geringsten im Geiste sind und es wird euch wohlgetan. Und wandert ihr auch durchs finstre Tal und lasst euch schelten ob eurer beispiellosen Naivität, wahrlich, ihr wisset, der Pfad der Einfalt ist der Weg zum Glück. Jetzt und immerdar.


Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" rein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel,  warum Manager scheitern oder  warum die Aussagekraft von graphologischen Gutachten ein Mythos ist.