Confirmation Bias hindert uns am lebenslangen Lernen

Lebenslanges Lernen als Ausgleich gegen mangelnde Fachkompetenz - klingt logisch. Doch so einfach ist das nicht, denn: Unsere eigene Selbstüberschätzung hindert uns häufig daran, etwas Neues zu lernen. Wirtschaftspsychologe und Kolumnist Uwe P. Kanning geht dem Phänomen auf den Grund.

In einer Zeit, in der die Forderung nach lebenslangem Lernen zu einem Allgemeinplatz geworden ist, müssten wir uns eigentlich nicht sorgen, wenn es bei der nächsten Stellenbesetzung mal wieder ein klein wenig an der Fachkompetenz hapert. Das lässt sich ja bekanntlich schnell zurechtbiegen. Schicken Sie den Betroffenen einfach einen Link zu Ihrem superprofessionellen Online-Lernsystem oder – noch besser – lassen Sie die Neu-Eingestellten selbst im Internet auf die Suche gehen. ChatGPT macht es schließlich auch nicht anders und ist schlauer als wir alle zusammen.

Beauftragen Sie daher im Personalwesen ruhig jemanden mit der Personalauswahl, der hiervon nicht mehr versteht, als der durchschnittliche Fußballfan vom Trainergeschäft. Das ist kein Problem. Viel wichtiger als die Fachkompetenz ist bekanntlich die richtige Haltung (Ich kann das!) und noch mehr die Passung ins Team (Ich habe euch alle lieb!).

Selbstüberschätzung hindert uns am Lernen

Regelmäßige Leserinnen und Leser dieser Kolumne vermuten bereits, dass es leider nicht ganz so leicht sein wird. Recht haben sie! Selbst, wenn jemand kein fundiertes Wissen in einem Bereich besitzt, hält ihn dies natürlich nicht davon ab, das Gegenteil zu glauben. Vielleicht fällt Ihnen auch gleich schon der eine Kollege oder die andere Kollegin ein, auf die dies zutreffen mag. Das eigentliche Problem besteht darin, dass die Betroffenen ihre Unzulänglichkeit nicht erkennen und – schlimmer noch –, dass ihre eigene Selbstüberschätzung sie daran hindert, etwas Neues zu lernen. Schauen wir uns hierzu zwei aktuelle Studien an.

Die erste Studie bezieht sich auf den Einsatz von Intelligenztests in der Personalauswahl. Seit vielen Jahrzehnten ist in der Forschung bekannt, dass der Intelligenztest ein sehr wichtiger Baustein der Personalauswahl ist, mit dem sich insbesondere bezogen auf Managementfunktionen die berufliche Leistung gut prognostizieren lässt. Dennoch ist der Intelligenztest ein eher selten anzutreffender Kollege im Personalwesen. An der Studie nehmen Personalerinnen und Personaler teil, die zunächst nach ihrer Einstellung zum Intelligenztest befragt werden. Erwartungsgemäß steht nur eine Minderheit auf der Pro-Seite, während sich auf der Kontra-Seite die Mehrheit versammelt. Im zweiten Schritt werden alle gebeten, aus zehn Artikel-Überschriften fünf Artikel auszuwählen, die sie gerne lesen würden. Jeweils die Hälfte der Artikel setzt sich dabei positiv bzw. negativ mit dem Intelligenztest auseinander. Im dritten und letzten Schritt müssen alle einen Pro- und einen Contra-Text zur Aussagekraft der Intelligenztests in der Personalauswahl lesen und beide Artikel bewerten.

Die zweite Studie läuft mit anderen Personen analog ab. Allerdings bezieht sie sich auf den Einsatz hoch strukturierter Einstellungsinterviews, die in Deutschland leider immer noch eine Ausnahme sind, obwohl sie um ein Vielfaches besser die berufliche Leistung prognostizieren können als das gute alte Vorstellungsgespräch.

Die eigene Überzeugung aufrechterhalten, statt Neues zu lernen

Im Ergebnis zeigt sich in beiden Studien dasselbe Muster: Je weniger die Befragten an den Intelligenztest oder das hoch strukturierte Einstellungsinterview glauben, desto weniger Interesse haben sie an Informationen, die beide Methoden in ein positives Licht rücken. Werden sie dennoch genötigt, einen wissenschaftlich fundierten Artikel zu lesen, der ihrer eigenen Überzeugung zuwiderläuft, halten sie die Informationen für wenig glaubwürdig, wenig nützlich und wenig überzeugend.

In der Psychologie bezeichnen wir ein solches Phänomen als "Confirmation Bias": Die Betroffenen versuchen alle zur Verfügung stehenden Spielräume auszunutzen, um ihre eigenen Überzeugungen aufrechterhalten zu können. Wer falsche Überzeugungen aufgebaut hat, geht unangenehmen Wahrheiten einfach aus dem Weg. Lassen sich die Fakten dummerweise nicht umgehen, so nimmt er oder sie diese einfach nicht ernst.

So macht lebenslanges Lernen Spaß!


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.