Kolumne Talent Management: Wenn Talent und Team nicht passen

Da kann der Mitarbeiter noch so tolle Leistungen gebracht haben. Passt er nicht in sein neues Team, können die Superstarqualitäten schnell versiegen. Das hat Kolumnist Martin Claßen schon oft beobachtet. Er rät strikt davon ab, in solchen Situationen auf Teambuilding zu setzen.

Nach meiner Erfahrung wird im Talent Management die Einsatzbreite von Spitzenkräften deutlich überschätzt. Es gibt zwar eine landläufige These, dass die wirklich Guten ihre Qualität überall zeigen würden. Doch selbst wenn dieser Allrounder-Lehrsatz halbwegs stimmt, gibt es zahlreiche Ausnahmen. Die Guten scheitern oftmals nicht am fachlichen Können, sondern an ihrer menschlichen Passung in der spezifischen Organisation. Oder wie man sagt: Die Chemie bei den Akteuren muss stimmen.

In seiner bekannten Studie zu Unterschieden von großartigen zu bloß guten Unternehmen fand Jim Collins genau dies heraus. Zuerst das Wer und dann das Wie lautet seine wichtigste Erkenntnis: "First who, then what – get the right people on the bus, then figure out where to go."

Grenzen beim Teambuilding von Talenten

Man muss nicht einmal unzählige Beispiele aus dem Sport heranziehen, bei denen eingeschworene Mannschaften mittelmäßig talentierter Akteure die kapriziösen Egos vermeintlich überlegener Superstars weit in den Schatten stellten. Auch Business ist Teamsport. Oft – zu oft – werden deshalb große Erwartungen an das Teambuilding gestellt, mit dem selbstbewusste Charaktere auf ein gemeinsames Vorgehen und pflegliches Miteinander eingeschworen werden sollen. Talente sollen „teamy“ werden.

Doch die Grenzen von Teamentwicklung sind – so habe ich es erlebt – recht früh zu ziehen. Bei Hilferufen aus Unternehmen, wenn sich ein Team gerade in der "Storming"-Phase befindet und über "Norming" in den "Performing"-Status gebracht werden soll, halte ich mich freundlich zurück. Aus einem unrund funktionierenden Talente-Konglomerat ist, erst recht in ruppigen Zeiten von Veränderung, keine gut geschmierte Gemeinschaft zu formen.

Fokus auf die Zusammensetzung des Teams

Deshalb ist von Beginn an der Fokus auf die Zusammensetzung zu legen, selbst unter Verzicht auf manches schwer integrierbare Talent. Und nicht darauf zu bauen, dass mittels gruppendynamischer Kniffe und einiger Griffe in die sozialpsychologische Trickkiste ein zusammengewürfelter Haufen erstklassiger Sunnyboys und -girls zur schlagkräftigen Truppe geformt wird. Viel zu lange wird auf langfristig wirksame Einsicht schwieriger Akteure gehofft.

Natürlich gibt es konträre Sichtweisen zu dieser Erfahrung. Viele Dienstleister leben prächtig von ihren Teambuilding-Angeboten, mit zunehmend skurrilen Formaten. Ein Beispiel in Kurzfassung aus der Zeitschrift "Training Aktuell": Jedes Teammitglied bekommt einen Kartoffelschäler und drei bis vier Kartoffeln. Das ganze Team wird "mit operativer Befehlshektik" zum Kartoffelschälen aufgefordert. Wichtig ist professionelles "Debriefing" als Team von Kartoffelschälern. Verschärft werden kann die Übung, indem verschiedene Teams um die Wette schnippeln. Eine Superverschärfung ist es, wenn nicht für jeden im Team ein Kartoffelschäler zur Verfügung steht. Dann geht es um die hohe Kunst von Teamfähigkeit: Arbeitsteilung, Vertrauenskultur, Aufgabendelegation. Das Endergebnis kann übrigens die Küche des Seminarhotels, je nachdem als Kartoffelsalat oder Kartoffelbrei, zum Abendessen anbieten.

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.