Interview zum Start-up Digital School Story

In agilen Teams Kurzvideos zu relevanten Lerninhalten kreieren: Das klingt nicht nach Schule oder Ausbildung. Soll es aber werden, so der Plan des gemeinnützigen Start-ups Digital School Story. Wir sprachen mit Gründerin Nina Mülhens und Bettina Schmid, Personalerin bei der SGL Carbon, die als Unternehmen die Projektumsetzung an einer Schule finanziell unterstützt hat.

Personalmagazin: Frau Mülhens, worum geht es bei Digital School Story?

Nina Mülhens: Wir haben eine Lernmethode entwickelt, die agile Methoden, Storytelling und Medienkompetenz in die Schulen bringt. Damit wollen wir Skills vermitteln, die Organisationen später brauchen. Das Projekt lässt sich in jedem Schulfach durchführen und dauert zwölf bis 18 Schulstunden. Es gibt ein fachspezifisches Thema, das die Klassen in kleinen Teams erarbeiten. Die Gruppe kreiert im Anschluss eine eigene Story dazu, die sie in einem Kurzvideo von maximal 90 Sekunden festhält. 

Das Projekt lässt sich in jedem Schulfach durchführen und dauert zwölf bis 18 Schulstunden. - Nina Mühlhens

Personalmagazin: Wie entstand die Idee zur "Digital School Story"?

Mülhens: Die Projektinitiative ging aus dem Hackathon #WirfürSchule im Juni 2020 hervor. Dort entstanden 216 Projekte, allesamt auf der Suche nach kreativen Ideen für Schule. Unser Projekt wurde im Bereich Zukunftskompetenz zu einem der insgesamt 15 Gewinnerprojekte. Nach dem Hackathon haben wir die Idee in zwei Pilot-Cases in drei Klassen getestet. Das funktionierte so gut, dass mein Co-Founder und ich gegründet haben. 

Unternehmen werden durch Förderung regional präsent

Personalmagazin: Wie werden die Projekte finanziert?

Mülhens: Die Projektumsetzung wird von Schulen bezahlt oder über Fördermitteltöpfe der jeweiligen Bundesländer. Darüber hinaus sprechen Schulen aber auch eigene Förderpartner oder lokale Unternehmen an, die dieses Projekt finanziell unterstützen. Das hat den Vorteil, die Region attraktiver zu machen und in die Fachkräfte von morgen zu investieren. Die Kosten betragen von 890 bis 1.300 Euro für eine Klasse oder Jahrgangsstufe, bei einer ganzen Schule sprechen wir von circa 3.000 bis 4.000 Euro.

Personalmagazin: Frau Schmid, Ihr Unternehmen, die SGL Carbon, unterstützt das Projekt finanziell. Warum?

Bettina Schmid: Wir haben das Projekt an einer Schule in der Nähe eines unserer Standorte finanziert, mit der wir bereits eine Patenschaft hatten. Digital School Story hat uns überzeugt, weil es wichtige Kompetenzen schult, nämlich digitales, agiles Arbeiten und Präsentationskompetenz. Für uns als Arbeitgeber bietet die Patenschaft außerdem die Möglichkeit, auf unsere Ausbildungsangebote aufmerksam zu machen und präsent zu sein. Wir machen keinen expliziten Werbeblock, ich war aber live während des Projekts und der Abschlusspräsentation dabei. 

Zusammenarbeit mit Influencerinnen und Influencern

Personalmagazin: Wie läuft denn so ein Projekt konkret ab?

Mülhens: Nach Projektanfrage und Rahmengespräch machen die Lehrkräfte den ersten Schritt. In einem eigenen Video erklären sie jeweils ihren Klassen, was hinter dem Projekt steckt, welche Ziele es gibt und welches Thema die Gruppe bearbeiten soll. Daraufhin bildet die Klasse kleine Teams von vier bis sechs Schülerinnen und Schülern. Jede Gruppe bearbeitet einen Aspekt des Themas und recherchiert dazu. Das funktioniert in jedem Fach, von Chemie bis Französisch. Sie erarbeiten ihre Story, die sie in 90-Sekunden-Videos packen – bewusst in ein Kurzformat, um sich zu fokussieren. Wir bieten für die einzelnen Schritte der Lernmethode Material, auch Creator-Videos, die dabei unterstützen. Die Creator sind Influencerinnen und Influencer, die ihre Erfahrung mit digitalen Kanälen und Inhalten weitergeben. Beim ersten Videotake sollen die Gruppen einfach probieren und kreativ sein. Danach gibt es eine Session mit einem Influencer oder einer Influencerin, die wir für das jeweilige Projekt vorab gewinnen. Die Gruppen sehen ein Beispielvideo eines Creators und überarbeiten meist ihre Storyline und das Video noch einmal komplett, bevor sie dann ihre Videos mit dem Influencer oder der Influencerin in einer digitalen Runde feedbacken. Im Anschluss daran können Gruppen die Videos final überarbeiten und am Ende präsentieren. Sowohl jede und jeder Einzelne aus der Klasse, die Lehrkraft als auch die Schule erhalten daraufhin ein Zertifikat. 

Personalmagazin: Welche Rolle haben die Creator?

Mülhens: Unsere Creator geben Feedback und Tipps und teilen ihre Erfahrungen. Sie zeigen, wie Wissenstransfer in Kurzformaten funktionieren kann. Alle engagieren sich ehrenamtlich. Auch sie sehen Relevanz darin, dass junge Leute mit digitalen Kanälen umgehen lernen und sie dafür zu stärken. Manche Creator spreche ich gezielt an, um sie für uns zu gewinnen, inzwischen kennt man uns auch schon.

Digital School Story schult digitale Zusammenarbeit

Personalmagazin: Welche Methoden setzen Sie im Projektverlauf ein?

Mülhens: Die Gruppen arbeiten eigenverantwortlich mit dem Daily Stand-up und am Ende einer Phase mit der Retrospektive. Jedes Mal, wenn sich die Klasse in ihren Gruppen trifft, besprechen sie im Daily den aktuellen Stand und die aktuellen Aufgaben. Die Retro hilft, den Prozess gemeinsam zu reflektieren. Die Rollenverteilung in den Teams spielt eine große Rolle und kann sich aufgrund der Stärken der Schülerinnen und Schüler noch mal ändern, um sich bestmöglich einzubringen. Mit dem Storytelling wollen wir dazu beitragen, dass die jungen Leute erkennen, wie wirkungsvoller gerade Fakten in Geschichten sind, und Inhalte so sprachfähiger werden. 

Schmid: Es hat sich auch gezeigt, dass es sehr gewinnbringend ist, wenn die Jugendlichen kreativ sind und nicht jeden Arbeitsschritt serviert bekommen. So erfahren sie Selbstwirksamkeit.

Es hat sich auch gezeigt, dass es sehr gewinnbringend ist, wenn die Jugendlichen kreativ sind und nicht jeden Arbeitsschritt serviert bekommen. So erfahren sie Selbstwirksamkeit. - Bettina Schmid

Personalmagazin: Möchten Sie das Repertoire noch ausbauen?

Mülhens: Ja, unser Ziel ist es, dass das Projekt einen Scrum-Prozess abbildet. Nicht von Beginn an, aber wenn die Klassen von Jahrgangsstufe fünf an solche Projekte durchführen, sind sie irgendwann mit Daily und Retro vertraut. Auch Gamification-Elemente sollen noch integriert werden.

Nicht alle jungen Menschen sind automatisch Digital Natives

Personalmagazin: Wie lief Digital School Story bislang an?

Mülhens: Wir haben im vergangenen Jahr 27 Projekte umgesetzt in neun Bundesländern. Wir bringen Digital School Story nicht nur in Schulen als Lernmethode ein, sondern auch in Berufsschulen und Hochschulen sowie in Organisationen, um auch mit Auszubildenden zu arbeiten. Schon in der Schule damit zu starten, halte ich aber für essenziell. Wir gehen zu stark davon aus, dass junge Menschen Digital Natives sind. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Das aufzuholen, heißt später für Organisationen, mehr in Weiterbildungen investieren zu müssen. 

Personalmagazin: Im Juni haben Sie ein Pilotprojekt mit Funk "Your Money" gestartet. Was steckt dahinter?

Mülhens: 75 Schüler und Schülerinnen der zwölften Klasse setzten sich im Schulfach Politik und Wirtschaft mit den Themen Deflation und Inflation auseinander und erstellten entsprechende Kurzvideos mit unserer Lernmethode. Die Redakteure von "Your Money" ersetzten hier die Creator.


Dieses Interview erschien zuvor in Personalmagazin Ausgabe 10/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.

Schlagworte zum Thema:  Lernmethoden, Agilität