
Der Frauenanteil in Vorständen ist so hoch wie nie zuvor, denn auch im vergangenen Jahr gelang vielen Frauen der Sprung in die oberste Führungsebene. Dennoch dominieren die Männer dort weiterhin und in einigen Bereichen stagniert der Zuwachs. Aktuelle Zahlen zum Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten zeigen Analysen von DIW, EY und Fidar.
In den Topetagen börsennotierter deutscher Unternehmen gibt es nach einem erneuten Zuwachs so viele Frauen wie nie zuvor. Nach einer Auswertung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) erhöhte sich die Zahl weiblicher Vorstandsmitglieder in den 160 Unternehmen der Dax-Familie um 17 auf 109 Top-Managerinnen. Das heißt, jedes siebte Vorstandsmitglied ist derzeit weiblich.
Der Frauenanteil in den Vorständen ist damit auf den höchsten bislang verzeichneten Wert gestiegen. Erstmals ist in der Mehrheit aller Vorstände eine Frau vertreten: In 83 der 160 untersuchten Unternehmen ist aktuell mindestens ein Vorstandsmitglied weiblich. In 20 Unternehmen, das heißt jedem achten untersuchten Konzern, sind sogar mindestens zwei Frauen im Vorstand.
In den 160 #Dax-Unternehmen gibt es 109 weibliche #Vorstandsmitglieder (+17). In den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland gibt es 146 Vorständinnen (+7). @DIW_Berlin @EYnews
Click to tweet
Frauenanteil auf Höchststand: 17 neue Frauen in Dax-Vorständen
"Es tut sich etwas in den Vorständen, immer mehr Top-Managerinnen schaffen es in die Spitzengremien der börsennotierten Unternehmen Deutschlands. Das ist enorm wichtig für die Vielfalt und damit letztlich auch für die erfolgreiche Arbeit der Konzerne.", erläutert EY-Experte Markus Heinen. Allerdings geht es nur langsam voran mit dem Fortschritt: Aktuell sieht sich in den Vorständen eine Frau sieben Männern gegenüber.
Grund für den Fortschritt ist sicher die seit 2021 im FüPoG II festgelegte Frauenquote für Vorstände. Bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Firmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mehr als drei Vorstandsmitgliedern muss bei Neubesetzungen darauf geachtet werden, dass mindestens eine Frau im Vorstand sitzt. Andere börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen, die nicht unter die Mindestvorgabe fallen, müssen es begründen, wenn sie ihren Vorstand ohne Frauen planen - wenn sie also eine "Zielgröße Null" in ihren Berichten angeben. Geschieht das nicht, drohen Bußgelder.
Der #Frauenanteil in #Führungspositionen steigt. In den #Vorständen sitzen so viele Frauen wie nie zuvor. @DIW_Berlin @EYnews
Click to tweet
Aktuelle Zahlen zum Frauenanteil in Vorstand und Aufsichtsrat
Verschiedene Studien verfolgen seit Jahren die Entwicklung der Frauenanteile in Führungspositionen. Das DIW in Berlin analysiert in seinem "DIW Managerinnen-Barometer" seit 2010 jährlich die Frauenanteile in den 200 umsatzstärksten deutschen Unternehmen. Die Beratungsgesellschaft EY betrachtet in ihrem "Mixed Leadership Barometer" halbjährlich die 160 börsennotierten deutschen Unternehmen (DAX, MDax, SDax). Ebenfalls jährlich veröffentlicht "Fidar – Die Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte" ihren "Women-on-Board-Index". Hier stehen die Frauenanteile in den Aufsichtsräten im Fokus, betrachtet werden aber auch die Quoten in den Vorständen.
Nach der zum Jahreswechsel 2022/2023 in Kraft getretenen EU-Führungspositionen-Richtlinie sollen in Aufsichtsräten großer Börsenunternehmen in der EU künftig mindestens 40 Prozent Frauen oder Männer vertreten sein. Alternativ gilt für Aufsichtsrat und Vorstand eine Geschlechterquote von 33 Prozent. Nach den Zahlen des aktuellen Women-on-Board-Index (Stand Februar 2023) erreichen derzeit nur 54 der 183 Unternehmen in ihren Aufsichtsräten einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent. Werden Aufsichtsräte und Vorstände gemeinsam betrachtet, erreichen erst 37 einen Frauenanteil von mindestens 33 Prozent.
"Wir sehen, dass mehr Frauen in Führungsetagen einziehen. Gesetzliche Quoten wirken in den großen Unternehmen. Jenseits davon gibt es aber noch sehr viel Aufholbedarf.", erläutert Bundesfrauenministerin Lisa Paus. Sie beobachtet, dass Diversität auch für mehr und mehr Investoren ein wichtiges Anlagekriterium wird, da sich Vielfalt nachweislich in allen Führungsebenen auszahle.
Dem aktuellen Women-on-Board-Index zufolge hat der Frauenanteil in deutschen Dax-Vorständen einen neuen Höchststand erreicht. 22,8 Prozent, also 59 der 259 Vorstandsposten, sind mit Frauen besetzt. Gleichzeitig stieg der durchschnittliche Frauenanteil in den Vorständen im Vergleich zu 2021 auf 17,1 Prozent (plus 4,1 Prozentpunkte). Ausgewertet wurden Konzerne in den Börsenindizes Dax, MDax und SDax sowie die im regulierten Markt an der Börse notierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen zum Stichtag 15. Januar 2022 und aktualisiert bis zum 30. April 2022.
Frauenanteil in Vorständen steigt leicht, aber stetig
Das DIW Managerinnen-Barometer verzeichnet aktuell (Stand: Januar 2023) 146 Vorständinnen – sieben mehr als ein Jahr zuvor. Von 2021 auf 2022 betrug der Zuwachs noch 38 Frauen. Damit stieg der Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen auf 15,6 Prozent. Das entspricht einem Plus von 0,9 Prozentpunkten.
Nachdem es also im Jahr 2021 vor allem in den Vorständen einen relativ großen Sprung beim Frauenanteil gab, hat die Dynamik im vergangenen Jahr schon wieder nachgelassen. Das könnte mit der seit August 2022 definitiv verpflichtenden Geschlechtermindestbeteilung zusammenhängen: "Diese Bestimmung haben viele Unternehmen bereits im Jahr 2021 antizipiert und eine Vorständin berufen. Dadurch war der Anstieg damals relativ groß. Danach haben die Unternehmen mit ihren Bemühungen aber offenbar schon wieder nachgelassen." erläutert Virginia Sondergeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin.
"Das kann allerdings nicht der einzige Grund für die jetzt wieder nachlassende Dynamik sein.", ergänzt Sondergeld. "Auch in Unternehmensgruppen wie den Banken, bei denen praktisch kaum Unternehmen von der Mindestbeteiligung betroffen sind, ging es mit Blick auf den Anteil der Vorständinnen 2022 nur noch um gut einen Prozentpunkt nach oben, während wir im Jahr davor noch einen Anstieg von über drei Prozent gesehen haben.".
Mehr Frauen auch auf CEO-Positionen
Eine im Vergleich zum vergangenen Jahr sehr schwache Steigerung gab es beim Anteil von Frauen unter den Vorstandsvorsitzenden. In der Gruppe der Top-200-Unternehmen hatte sich dieser Anteil im Vorjahr verdoppelt - im Spätherbst 2022 lag er allerdings nur einen Prozent höher als im Vorjahr (16 Prozent).
Frauenanteil in Aufsichtsräten nur leicht gestiegen
Auch der Frauenanteil in Aufsichtsräten stagniert oder hat sich zuletzt nur leicht nach oben bewegt. Die aktuell 101 Unternehmen, die der verpflichtenden Frauenquote unterliegen, erreichen laut dem Women-on-Board-Index (Stand April 2022) im Aufsichtsrat mit durchschnittlich 35,6 Prozent Frauen (minus 0,3 Prozentpunkte). Der Frauenanteil der 82 nicht unter die Quote fallenden Dax-Unternehmen hat sich zwar auf 27,1 Prozent (plus 2,6) erhöht, liegt aber weiter unter der 30-Prozent-Marke.
Frauenanteil in den Vorständen der 160 börsennotierten Unternehmen
Der Anteil von Frauen in den Vorstandsetagen der Dax-, MDax- und SDax-Unternehmen stieg dem Mixed-Leadership-Barometer von EY zufolge 2022 auf einen neuen Höchststand und ist mit 15,5 Prozent (Vorjahr: 13,2 Prozent) sogar ungefähr doppelt so hoch wie vor vier Jahren (7,9 Prozent). In den 160 Konzernen arbeiteten zum Stichtag 1. Januar 2023 insgesamt 109 Frauen in den Vorstandsgremien – das sind 17 Frauen mehr als noch vor einem Jahr. Jedoch ist in fast jedem zweiten Unternehmen das Vorstandsgremium ausschließlich mit Männern besetzt.
Immerhin: Im Vergleich zu 2021 stieg der Anteil der Unternehmen, die wenigstens ein weibliches Vorstandsmitglied beschäftigen, von 48,1 auf 52 Prozent und somit zum ersten Mal über die 50-Prozent-Marke. Weiterhin eine absolute Ausnahme sind allerdings Unternehmen mit mehr als einem weiblichen Vorstandsmitglied: Ihr Anteil stieg von 8,8 Prozent auf 13 Prozent. Die Zahl der weiblichen CEOs hingegen stagniert: Genau wie im Vorjahr werden neun der 160 Unternehmen aus Dax, MDax und SDax von einer Frau als CEO geführt.
Frauenanteile in den Dax-40-Unternehmen, SDax und MDax
Der Frauenanteil im Dax stieg 2022 auf 21,2 Prozent. Inzwischen haben 85 Prozent der Dax-Unternehmen - also 34 Unternehmen - mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied. Fünfzehn Dax-Unternehmen haben mehr als eine Frau im Vorstand.
Aktueller #Frauenanteil in #Vorständen (Stand Januar 2023): #Dax 21,2 Prozent, #MDax 12 Prozent, #SDax 12,4 Prozent. @EYnews #Frauenquote #Diversity #Vorstand #Leadership #Gleichstellung
Click to tweet
Gestiegen ist auch der Frauenanteil im MDax: von 11,1 auf 12 Prozent. Im SDax legte der Anteil von 10,8 auf 12,4 Prozent zu. Aktuell beschäftigen 30 der 70 SDax-Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand, nur ein SDax-Unternehmen hat mehr als eine Frau (hier: drei Frauen) im Vorstand.
Ein Viertel der weiblichen Vorstandsmitglieder verantwortet HR-Bereich
Am häufigsten sind Frauen im Vorstand für Operatives zuständig: Aktuell stehen 32 Prozent der weiblichen Vorstandsmitglieder einem operativen Geschäftsbereich vor. Darunter sind sechs Prozent als COO tätig. Am zweithäufigsten verantworten Frauen den Bereich Human Resources (25 Prozent) gefolgt vom Finanzressort (20 Prozent).
Das könnte Sie auch interessieren:
Kaum Veränderung des typischen Dax-Vorstandsprofils
Frauen besitzen zum Renteneintritt nur drei Viertel des Vermögens von Männern
Meilensteine der Frauenförderung
Weil wir gemeinsam stärker sind x