Berufsausbildung: Tipps fürs Azubi-Recruiting in der Krise

Mit nicht einmal 500.000 neuen Ausbildungsverträgen rechnet das Bundesinstitut für Berufsbildung für 2020 – das wären mindestens 25.000 weniger als im Vorjahr. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung hilft nur bedingt, denn es bleibt schwierig, neue Azubis zu finden. Die traditionellen Recruitingwege wie Azubi-Messen oder Schulvorträge fallen weg.

Wie stark das duale Ausbildungssystem unter der Corona-Krise leidet, hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in einer Szenarien-Analyse errechnet: Es sei anzunehmen, dass vor allem die besser qualifizierten Jugendlichen ihr Interesse an einer Ausbildung zurückziehen, weil sie nach Alternativen suchen. Je mehr Jugendliche von einer Ausbildung absehen, desto weniger Ausbildungsverträge kommen zustande und desto eher werden auch Besetzungsprobleme für Betriebe wahrscheinlich.

Anzahl neuer Ausbildungsverträge sinkt deutlich

Bei einem Rückgang des Wirtschaftswachstums um sieben Prozent und einem gleichzeitigen Rückgang des Nachfragepotenzials könnte die Zahl der Neuabschlüsse auf bis zu 460.000 Verträge fallen, prophezeien die BIBB-Experten. Bei einem Wirtschaftseinbruch im zweistelligen Prozentbereich werde die Zahl der Neuabschlüsse voraussichtlich unter 460.000 Verträgen liegen. Im Vergleich dazu lag die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2019 bei 525.100 – bei 578.200 angebotenen Ausbildungsplätzen. 

Konjunkturpaket sieht Prämien für neue Ausbildungsverträge vor

Um einen starken Rückgang der Ausbildungsverträge zu verhindern und zu vermeiden, dass den Unternehmen in drei Jahren die dringend benötigten Nachwuchskräfte fehlen, sieht das am 16. Juni beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung auch Prämien für Ausbildungsbetriebe vor: Kleine und mittlere Unternehmen, die 2020 ihr Ausbildungsangebot im Vergleich zu den Vorjahren konstant halten, sollen für jeden neuen Ausbildungsvertrag eine Prämie von 2.000 Euro erhalten. Betriebe, die sogar mehr Ausbildungsplätze anbieten, erhalten für jeden zusätzlichen Vertrag 3.000 Euro Prämie. Die Prämien werden am Ende der Probezeit ausgezahlt.

Weitere Prämien sind vorgesehen für Unternehmen, die zusätzliche Azubis aus insolventen Unternehmen übernehmen. Unterstützung gibt es zudem für Ausbildungsbetriebe, die ihre Azubis nicht in Kurzarbeit schicken oder im Auftrag anderer Unternehmen ausbilden. (Mehr zu den im Konjunkturpaket vorgesehenen Prämien für Ausbildungsbetriebe finden Sie hier.)

Fünf Tipps für digitales Azubi-Recruiting

Doch wie können Unternehmen kurzfristig neue Auszubildende rekrutieren, wenn bereits zugesagte Vereinbarungen gelöst werden und wenn bis zum Ausbildungsstart am 1. August oder 1. September 2020 die üblichen Rekrutierungswege wie Azubi-Messen, Betriebspraktika oder Tage der offenen Tür nicht stattfinden können? Hilfestellung gibt die Initiative Autoberufe der Automobilhersteller, der internationalen Kraftfahrzeughersteller, der Robert Bosch GmbH sowie des Zentralverbands des deutschen KFZ-Gewerbes, die einen Leitfaden zum digitalen Azubi-Recruiting erstellt hat:

  1. Kommunizieren Sie explizit, dass sie auch in diesem Jahr Auszubildende suchen. Das kann über einen Unterpunkt "Wir bilden aus" auf der Webseite erfolgen und über Social Media. Über eine gute Verschlagwortung werden diese Informationen besser über die gängigen Suchmaschinen gefunden.
  2. Geben Sie Orientierung über Inhalte und Ablauf der Ausbildung und informieren Sie über die Bewerbungsmodalitäten. Junge Menschen sind im Moment verunsichert, was die Ausbildungssuche und Bewerbung angeht. Berufsorientierungsunterricht und Praktika finden seit vielen Wochen nicht statt. Der Kontakt zu den Lehrern und Beratern fehlt. Geben Sie in Ihren Stellenanzeigen und auf der Webseite immer einen Ansprechpartner für Fragen an.
  3. Bereiten Sie einen digitalen Auswahltest vor, in dem für sie entscheidende Kriterien abgefragt werden. Dieser Test kann an ausgewählte Bewerber versandt werden. Die Teilnahme erfolgt über einen Link.
  4. Setzen Sie auf digitale Events wie virtuelle Berufswahlmessen, um ihre Ausbildungsangebote bekannt zu machen. Auch Schulvorträge, Betriebserkundungen oder Tage der offenen Tür können über Videokonferenzen möglich gemacht werden. Praktika können unter bestimmten Voraussetzungen (Hygiene- und Abstandsregeln, stunden- oder tageweise) durchgeführt werden.
  5. Sprechen Sie die Jugendlichen auf Augenhöhe an. Bewerber erwarten keine Jugendsprache. Sie wollen in ihrer Berufssuche ernst genommen werden und erwarten authentische Informationen zu Berufsbildung und Ausbildungsbetrieb. Das kann am besten ein Azubi ihres Unternehmens vermitteln, zum Beispiel in einem Video.


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Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Ausbildung, Coronavirus