Steht das duale Ausbildungssystem vor dem Kollaps?

Auszubildende haben stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu leiden: Jeder dritte Azubi darf nicht mehr arbeiten, weil das Infektionsrisiko zu hoch ist, 14 Prozent können nicht arbeiten, weil zu wenig zu tun ist und 16 Prozent machen Kurzarbeit. 16 Prozent der Auszubildenden müssen jetzt mehr arbeiten. Zwölf Prozent der Lehrlinge gehen davon aus, dass sie ihren Ausbildungsplatz verlieren und 13 Prozent befürchten, dass sie voraussichtlich nicht übernommen werden. Rund ein Viertel der Azubis kann in der aktuellen Lage die Prüfungen nicht ablegen.
Berufswünsche verändern sich durch Corona
Dies sind Ergebnisse einer Umfrage des Ausbildungsportals Ausbildung.de zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Potentialpark unter 700 Auszubildenden und rund 1.700 Schülern. Besonders von der Krise betroffen sind laut der Auswertung die Branchen Gestaltung und Medien, Gesundheit und Pflege sowie Gastronomie und Touristik.
Zwölf Prozent der Azubi-Bewerber glauben, dass eine Ausbildung aktuell zu unsicher ist, und wollen sich deshalb umorientieren. 22 Prozent wollen sich wegen der Corona-Krise verstärkt mit systemrelevanten Berufen auseinandersetzen und 45 Prozent der Schüler nehmen Berufe im Bereich Gesundheit und Soziales als attraktiver wahr.
Bewerbung um Lehrstellen wird schwieriger
Für 56 Prozent der Bewerber verzögern sich laut Umfrage die Bewerbungsprozesse. Acht Prozent berichten, dass sie einen bereits zugesagten Lehrplatz verloren haben. 59 Prozent haben Angst, dass sie aufgrund der Corona-Krise keinen Ausbildungsplatz bekommen. Besonders groß sind die Befürchtungen bei den älteren Bewerbern: In der Gruppe der 24- bis 28-Jährigen sorgen sich 63 Prozent, dass nun weniger Unternehmen eine Ausbildung anbieten und sie nicht unterkommen.
Aber es gibt auch Lichtblicke: Das Azubi-Recruiting wird zunehmend digitaler. 18 Prozent der Bewerber hatten bereits Vorstellungsgespräche per Videocall. Auch die Bereitschaft zum "Remote Recruiting" ist vorhanden: Über zwei Drittel der Bewerber finden es nicht schlimm, wenn Jobinterviews als Videocall stattfinden. 64 Prozent wollen mit Unternehmen chatten, um Fragen zu klären. Vier von zehn Schülern würden an digitalen Bewerbertagen teilnehmen und 32 Prozent an digitalen Jobmessen.
Unternehmen tun sich bei Einführung digitaler Formate schwer
Auch die Unternehmen setzen verstärkt auf digitale Formate, wie eine Erhebung von U-Form Testsysteme aufzeigt: Im März 2020 wurden zwei Drittel mehr Online-Testverfahren nachgefragt als im Vorjahresmonat. Auch die Anzahl der Neukunden, die Online-Testverfahren einsetzen wollen, ist um ein Drittel angestiegen.
Dennoch warnt Felicia Ullrich, Mitgründerin von U-Form Testsysteme, vor einem möglichen Kollaps der dualen Ausbildung. In vielen Unternehmen gerate das Azubi-Recruiting derzeit ins Stocken, weil die Firmen damit überfordert seien, auf virtuelle Varianten umzustellen.
Bleiben viele Plätze im neuen Berufsbildungsjahr unbesetzt?
Das bestätigt die aktuelle Umfrage "Azubi Recruiting-Trends" unter 1.180 Ausbildungsverantwortlichen und Azubis: 17 Prozent der Ausbildungsbetriebe wollen die Zahl ihrer Ausbildungsplätze reduzieren. Fast die Hälfte von ihnen erhalten weniger Bewerbungen. Ihre Recruitingprozesse auf Social-Distancing-Maßnahmen umgestellt haben erst 30 Prozent der Betriebe. Für Ausbildungsbetriebe habe der Stillstand in der Personalgewinnung fatale Folgen, denn sie könnten nicht einfach nach einigen Monaten Pause wieder anfangen, so Felicia Ullrich.
Diese Problematik ergibt sich aus dem Start der Berufsschulen Anfang September. Azubis, die nicht bis zum 1. August oder spätestens zum 1. September eingestellt werden, sind für das Ausbildungsjahr so gut wie verloren. "Wenn Unternehmen jetzt nicht einstellen, bleiben die Ausbildungsplätze für 2020/21 unbesetzt", so Ullrich. "Die Auszubildenden, die Sie jetzt nicht einstellen, fehlen Ihnen in drei Jahren als Fachkräfte."
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