Agile Methoden in HR: Business Model Canvas

Der Business Model Canvas hilft agilen Teams, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder bestehende zu visualisieren. Die Methode eignet sich für Startups, aber auch für etablierte Unternehmen und deren HR-Abteilungen.

Strategische Überlegungen ziehen gegenüber dem Tagesgeschäft in vielen Unternehmen und Abteilungen den Kürzeren. Dann erscheint es oft zu aufwendig, eine neues Konzept oder gar einen neuen Business-Plan detailgenau niederzuschreiben. Der Business Model Canvas kann Abhilfe schaffen: Auf dem aus neun Elementen bestehenden Plakat können Teams sowohl den Ist-, als auch den Soll-Zustand eines Geschäftsmodells visualisieren. Sie können so einfach und wirkungsvoll eine Idee unter Berücksichtigung aller wichtigen Faktoren erarbeiten und erproben.

Geschichte des Business Model Canvas

Der Business Model Canvas wurde von Alexander Osterwalder entwickelt. Zunächst skizzierte der Schweizer die Methode 2008 in Grundzügen, ehe er zusammen mit Yves Pigneur 2010 das Buch "Business Model Generation. A Handbook for Visionaries, Game Changers and Challengers" veröffentlichte. In diesem beschreibt Osterwalder die Methode im Detail. Die Idee, einen Managementzusammenhang auf einem strukturierten Plakat darzustellen, kam in der Szene gut an. Heute gibt es zahlreiche neue Konzeptualisierungen der Methode, die sich an das Referenzmodell von Osterwalder anlehnen, zum Beispiel Project Canvas, Product Canvas und Role Model Canvas. In diesem Beitrag wird auf den gängigsten Business Model Canvas von Osterwalder Bezug genommen. (Osterwalder ist mittlerweile als wichtiger Social-Media-Influencer bekannt. Kürzlich belegte er unter den HR-Beratern Platz eins der Influencer-Liste des Personalmagazins.)

Business Model Canvas: Definition

Beim Business Model Canvas handelt es sich um eine strategische Managementvorlage, mit deren Hilfe Teams bestehende Geschäftsmodelle dokumentieren und weiterentwickeln sowie neue Projekte visualisieren können. Im Zentrum steht ein Plakat oder digitales Board, das aus neun Elementen besteht. Dort halten Teams die Schlüsselfaktoren einer Ist- oder Soll-Geschäftsidee fest. Dadurch bringen sie Struktur in die wesentlichen Faktoren eines Geschäftsmodells. Im Mittelpunkt der Methode steht das Leistungsversprechen, beziehungsweise die Frage, wie sich für den Kunden ein größtmöglicher Mehrwert generieren lässt. Die neun Blöcke bauen aufeinander auf und sind voneinander abhängig. Mit der Methode visualisieren Teams Abhängigkeiten und Kompromisse hinsichtlich der Schlüsselfaktoren.

Der Business Model Canvas schafft relativ schnell und mit geringem Aufwand Klarheit darüber, ob sich eine Idee umsetzen lässt oder nicht. Die Methode eignet sich vor allem dann, wenn Teammitglieder ein gemeinsames Verständnis über den Aufbau eines Geschäftsmodells entwickeln sollen. Das Team kann sich dann neu ausrichten und klären, wie es weiter vorgehen wird.

Vor allem agile Teams aus Startups, aber auch aus etablierten Unternehmen greifen auf den Business Model Canvas zurück. Die Methode gibt agilen Techniken eine Gesamtstruktur und lässt sich mit anderen agilen Methoden gut kombinieren (eine Definition agiler Methoden und die Abgrenzung zu agilen Techniken und Prinzipien finden Sie hier).

Ablauf der agilen Business-Model-Canvas-Methode

Beim Business Model Canvas wird eine bereits konkrete neue oder bestehende Geschäftsidee visualisiert, durchgeplant und auf Verbesserungspotenzial untersucht. Hierzu notiert das Team zu jedem der neun Schlüsselfaktoren Ideen und füllt die einzelnen Felder mit Inhalten. Dabei bieten sich Post-its an, da die Teilnehmer im Laufe des Prozesses Ideen ändern oder auch wieder verwerfen. Die Einzelheiten eines Geschäftsmodells werden für alle ersichtlich, lassen sich baukastenartig zusammenzufügen und zueinander in Beziehung setzen, bis ein marktfähiges Modell gefunden ist. Um einen Gesamtüberblick zu erhalten, bietet es sich an, dass interdisziplinäre Gruppen zusammenarbeiten. Wird die Methode im Rahmen eines Workshops umgesetzt, kann ein externer Moderator die teilnehmenden Personen insofern entlasten, als dass sie sich auf ihre inhaltlichen Aufgabenstellungen konzentrieren können. Außerdem kann der Moderator selbst neue Sichtweisen einbringen und Teilnehmer unterbrechen, falls sie einen zu hohen Redeanteil aufweisen.

Aufbau des Business Model Canvas

Der Business Model Canvas gliedert sich in neun Blöcke. Vereinfacht ausgedrückt bildet das Team auf der rechten Seite ab, wie das Geschäftsmodell Werte für den Kunden und das Unternehmen schaffen soll. Auf der linken Seite des Boards halten die Teammitglieder fest, welche Mittel ein Unternehmen benötigt, um das Geschäftsmodell umzusetzen.

Schlüsselpartner (Key Partners): Mit welchen strategischen Partnern lässt sich die Idee umsetzen beziehungsweise wird sie bereits umgesetzt? Welche Dienstleister steigern die Effektivität?

Schlüsselaktivitäten (Key Activities): Was sind die wichtigsten Aktivitäten der Geschäftsidee? Was wird elementar benötigt, um das Produkt herzustellen oder die Dienstleistung anzubieten?

Schlüsselressourcen (Key Resources): Welche Ressourcen sind für das Geschäftsmodell unverzichtbar? Zum Beispiel: Personal, Startkapital, Büroräume, Investoren.

Kosten (Cost Structure): Welche fixen und variablen Kosten sind zwingend erforderlich?

Nutzenversprechen (Value Propositions): Was ist der Nutzen des Produkts oder der Dienstleistung? Welches Bedürfnis des Kunden befriedigt das Produkt oder die Dienstleistung?

Kundenbeziehungen (Customer Relationships): Wie ist die Art des Kontaktes zum Kunden? Persönlich oder digital? Wie gewinnt man Kunden und wie bindet man sie an sich?

Vertriebs- und Kommunikationskanäle (Channels): Wie sieht der Vertrieb aus? Wie kann ich das Produkt oder die Dienstleitung bekannt machen?

Kunden (Customer Segments): Wie setzt sich die Zielgruppe zusammen? Wie alt ist der (potenzielle) Kunde, was sind seine Bedürfnisse, Interessen?

Einnahmen (Revenue Streams): Aus welchen Bestandteilen setzen sich die Einnahmen zusammen, mit denen man die Kosten deckt oder später einmal decken will?

Vorteile des Business Model Canvas

Der Aufbau des Plakates ist einfach. Teams können im Gegensatz zu einem aufwendig erstellten, ausführlichen Business-Plan, schnell und produktiv mit dem Business Model Canvas arbeiten. Die Methode stärkt das gegenseitige Verständnis der Beteiligten und regt kritische Diskussionen an. Für Startups bietet die Canvas-Methode den Vorteil, für das in der Regel noch nicht klar umrissene Geschäftsmodell verschiedene Varianten durchspielen zu können. Im Markt etablierte Unternehmen profitieren ebenso, indem sie neue Szenarien durchdenken und miteinander vergleichen können.

Ein weiterer Vorteil der Methode ist, dass die Teilnehmer keine Einarbeitung benötigen, sondern sie durch ihre Schlichtheit intuitiv verständlich ist. Die Zusammenhänge werden für jeden direkt ersichtlich. Außerdem eignet sich der Business Model Canvas dazu, Investoren, neuen Mitarbeitern und anderen Stakeholdern das Business-Modell vorzustellen. Deshalb ist der Business Model Canvas auch oftmals die Grundlage für Startups, wenn diese Investoren mit einer Präsentation von sich begeistern möchten.

Nachteile des Business Model Canvas

Die Methode ist stark vereinfacht. Aus diesem Grund kann das Business Model Canvas keinen Business-Plan ersetzen, sondern dient lediglich als Vorarbeit dafür. Nicht enthalten im Canvas ist unter anderem eine umfassende Analyse des Gründers oder des Teams. Die Teilnehmer betrachten die Konkurrenz am Markt sowie die Finanzierung der Geschäftsidee nur bedingt, da der Business Model Canvas die Ausgaben und Einnahmen nur grob skizziert. Mitbewerber, Trends und das weitere Umfeld sollten in einer separaten Analyse beziehungsweise im Business-Plan ausführlich dargestellt werden.

Templates und Tools für den Business Model Canvas

Neben einem analogen, großen Plakat bieten sich auch digitale Templates oder Tools für die Methode an. Ein Vorteil der analogen Vorgehensweise ist, dass die Beteiligten aufgrund der begrenzten Größe eines Plakates dazu gezwungen sind, auf den Punkt zu kommen. Dagegen können Mitarbeiter, die zum Beispiel remote oder im Homeoffice arbeiten, bei digitalen Varianten von überall auf das Board zugreifen. Anbieter kostenloser und kostenpflichtiger Templates und Tools sind unter anderem Strategyzer, Unternehmerheld, Canvanizer, Tuzzit, Creatlr, Miro, Upboard und Tivity.

Vergleich: Business Model Canvas und andere agile Methoden

Im Vergleich zu anderen agilen Methoden verschaffen sich die Teilnehmer an der Canvas-Methode einen Überblick über ein Geschäftsmodell. Danach wird dieses, wie bei Scrum oder Kanban, iterativ verbessert. Der Unterschied zu Scrum liegt darin, dass zu dem Zeitpunkt, an dem der Business Model Canvas startet, bereits ein konkretes Verständnis der Geschäftsidee oder eines bestehenden Geschäftsmodells vorliegt. Scrum und Design Thinking setzen dagegen vorher an, indem die Teams zunächst einmal die Kundenanforderungen an das Produkt sammeln. Diese Anforderungen müssen beim Start des Business Model Canvas dagegen bekannt sein, da das Team sonst nicht alle Blöcke füllen kann und das Canvas dadurch unvollständig bleiben würde. Außerdem schreibt die Methode im Gegensatz zu Scrum mit seinen festgelegten Sprintzyklen nicht vor, in welcher Form das agile Team die Geschäftsidee weiterentwickeln soll.

Kombination von Business Model Canvas, Scrum und Design Thinking

Einige Teams setzen eine Kombination der verschiedenen agilen Methoden ein. Zum Beispiel können sie mithilfe der Design-Thinking-Methode zunächst einen Prototyp entwickeln. Dann könnte die Projektgruppe den Prototypen in Form eines Business Model Canvas visualisieren und diesen mit der Scrum-Methode testen (Phase fünf von Design Thinking). Außerdem könnte der Business Model Canvas bereits nach dem ausführlichen Sammeln des Kundenfeedbacks an die Design-Thinking-Methode ansetzen. Dann füttert der Design-Thinking-Prozess den Business Model Canvas mit den Wertversprechen und der Zielgruppe. Das iterative Prototyping und Testen könnte dann wieder mittels Scrum erfolgen.

HR-Abteilungen profitieren vom Business Model Canvas

HR-Abteilungen können sich mit dem Business Model Canvas strategisch aufstellen. Die Grundfrage lautet dann: Welchen Mehrwert generiert die Personalabteilung für das Unternehmen und wie vermittelt sie diesen? HR kann mithilfe der Methode die Geschäftsprozesse im Personalbereich hinterfragen und stärker auf den Kunden ausrichten, also Mitarbeiter, Fachbereiche oder das Gesamtunternehmen.

Expandiert ein Unternehmen zum Beispiel in einen neuen Markt, könnte das Nutzenversprechen für HR-Abteilungen lauten, neue Mitarbeiter mit anderen Fähigkeiten bereitzustellen. Kunde wäre dann die entsprechende Abteilung, in der das Unternehmen die neuen Angestellten einsetzen möchte. Die Kundenbeziehung könnte "persönlicher Kontakt" und der Kommunikationskanal "täglicher E-Mail-Verkehr zwischen den beiden Abteilungen" lauten. Auf der anderen Seite könnten Recruiting und Onboarding als Schlüsselaktivität stehen, als Schlüsselressourcen etwa "neue Recruiting-Software". Schlüsselpartner wäre dann der Anbieter der neuen Recruiting-Software. Kosten wären der Preis für die Recruiting-Software und die Arbeitsstunden der Recruiter, die diese aussuchen und implementieren. Die Spalte "Einnahmen" wäre in diesem Fall leer, da es in diesem Fall keinen Geldzufluss gäbe.

Bei diesem vereinfachten Beispiel bekäme die HR-Abteilung anhand des Business Model Canvas visualisiert, was zu tun ist und könnte Aufgaben priorisieren und an die Personaler verteilen. Gleichzeitig wird anhand der Schlüsselfaktoren deutlich, welche Aufgaben eng miteinander zusammenhängen und wo gegebenenfalls Trade-offs bestehen. Die HR-Abteilung kann dadurch agil auf sich verändernde Bedingungen reagieren. Wird die neue Recruiting-Software beispielsweise teurer als gedacht, könnte eine neue Schlüsselressource "einen neuen, mit Unternehmensexpansionen vertrauten Recruiter einstellen" lauten. Ist absehbar, dass das Recruiting an sich zu viele Ressourcen verbraucht, könnte das Team die komplette linke Seite des Boards umändern, indem es die Schlüsselaktivität von Recruiting und Onboarding hin zur Weiterbildung des bestehenden Personals verschiebt.