1 Begriff der Zusätzlichkeit

Viele Vergütungsbestandteile werden nur dann steuerlich begünstigt (durch Steuerfreiheit, Pauschalbesteuerung und ggf. Sozialversicherungsfreiheit), wenn sie tatsächlich zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist der Arbeitslohn, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet.[1]

2 Kriterien der Zusätzlichkeit

2.1 Gesetzesregelung ab 2020

Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung von Dritten erbrachte Leistungen (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung werden nur dann zusätzlich zum ohnehin erbrachten Arbeitslohn erbracht, wenn

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet wird,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt wird,
  3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.[1]

Unter den vorstehenden Voraussetzungen ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung aber ausdrücklich auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.

Anwendungszeitpunkt

Die Regelung ist erstmals auf nach dem 31.12.2019 zugewendete Bezüge anzuwenden.

Keine Tarifbindung

Die vorstehende Gesetzesregelung gilt unabhängig davon, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist. Tarifgebundener verwendungsfreier Arbeitslohn kann nicht zugunsten bestimmter anderer steuerbegünstigter verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen herabgesetzt oder zugunsten dieser umgewandelt werden, weil der tarifliche Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wiederauflebt. Das wäre auch nach der Rechtsprechung begünstigungsschädlich.[2]

2.2 Altfälle aus Zeiträumen bis einschließlich 2019

Der BFH hatte – für Zeiträume vor der Gesetzesänderung – verneint, dass bestimmte Steuervergünstigungen für Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder -umwandlung (je nach arbeitsvertraglicher Ausgestaltung) durch die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ausgeschlossen werden. Voraussetzung sei nur, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (sog. Lohnformwechsel). Ansonsten liege eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor.[1]

Nach Auffassung des BFH ist das Zusätzlichkeitserfordernis auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen. Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel sei deshalb nicht begünstigungsschädlich.

Durch die gesetzliche Neuregelung ist diese Rechtsprechung mit Wirkung ab 2020 überholt. Für noch offene Lohnzahlungszeiträume des Jahres 2019 oder früher kommt eine Anwendung jedoch in Betracht.

Die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ist in diesen Fällen erfüllt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird. Die Verwaltung wendet diese Rechtsprechung für Altfälle entsprechend an.[2] Tarifgebundener verwendungsfreier Arbeitslohn kann jedoch auch für Altfälle nicht zugunsten bestimmter anderer steuerbegünstigter verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen herabgesetzt oder zugunsten dieser umgewandelt werden.

3 Änderung des Arbeitsvertrags

Werden unbefristete Arbeitsverträge geändert bzw. Änderungskündigungen ausgesprochen, ist das Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" nicht erfüllt, da durch die im gegenseitigen Einvernehmen abgeschlossenen Änderungsverträge arbeitsrechtlich geschuldeter Arbeitslohn lediglich umgewandelt wird.

Sofern beim Auslaufen befristeter Arbeitsverträge in neuen Arbeitsverträgen entsprechende Regelungen getroffen werden, kann das Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" jedoch nach Verwaltungsauffassung erfüllt sein, wenn und soweit keine Rückfallklauseln vereinbart werden.[1]

[1] OFD Nordrhein-Westfalen v. 9.7.2015, Kurzinfo LSt 05/2015,

Weitere Ausführungen zu arbeitsrechtlichen Regelungen, s. Ressort Arbeitsrecht, Abschn. 2.

4 Keine Freiwilligkeit erforderlich

Die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ist bereits erfüllt, wenn die zweckbestimmte Leistung zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet.[1] Das Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" kann auch dann erfüllt sein, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich einen Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung hat.

Der BFH hat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der nur freiwillige Arbeitgeberleistungen – also Leistungen, die der Arbeitgeber arbeitsrechtlich nicht schuldet – zusätzlich in diesem Sinne erbracht werden konnten.[2]

Eine Anpassung der Verwaltungsauffassung war insowe...

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