Rz. 30

Gemäß § 84 Abs. 3 BetrVG dürfen dem Arbeitnehmer wegen der Erhebung der Beschwerde keine Nachteile entstehen (vgl. auch § 16 Abs. 1 AGG). Die Vorschrift richtet sich in erster Linie an den Arbeitgeber, geht aber über das allgemeine Maßregelungsverbot des § 612a BGB hinaus, da es auch die Zufügung von Nachteilen durch andere Personen verbietet.[1] § 84 Abs. 3 BetrVG ist eine Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB, so dass verbotswidrige nachteilige rechtsgeschäftliche Handlungen wie Kündigungen oder Versetzungen unwirksam sind. Da § 84 Abs. 3 BetrVG auch ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt, können verbotswidrige Maßnahmen auch zu einer Schadensersatzpflicht führen.[2] Das Benachteiligungsverbot gilt auch bei Erhebung letztlich unberechtigter Beschwerden.[3]

 

Rz. 31

Als Folge des Benachteiligungsverbotes darf der Arbeitnehmer die Beschwerde während der Arbeitszeit einlegen, ohne dass das Arbeitsentgelt für die dafür aufgewendete Arbeitszeit gekürzt werden darf.[4]

 

Rz. 32

Verboten ist die Zufügung von Nachteilen "wegen der Erhebung der Beschwerde". Arbeitsrechtliche Sanktionen aus anderen Gründen verstoßen hingegen nicht gegen § 84 Abs. 3 BetrVG. Bringt ein Arbeitnehmer mit seiner Beschwerde völlig haltlose, schwere Anschuldigungen oder Beleidigungen vor, so kann der Ausspruch einer Abmahnung (LAG Hamm Urteil v. 11.2.2004, 18 Sa 1847/03) oder Kündigung in Betracht kommen.[5] Dabei sind aber stets alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass insbesondere bei länger anhaltenden Spannungen eine Beschwerde mit persönlich herabwürdigenden Angriffen gegen den Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung nicht stets rechtfertigen kann (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 14.08.2012, 5 Sa 171/11[6]). Hat die Beschwerde des Arbeitnehmers zur Folge, dass Unregelmäßigkeiten ermittelt werden, an denen auch der Beschwerdeführer beteiligt war, so können auch gegen ihn die gebotenen Sanktionen erfolgen (LAG Köln, Urteil vom 20.1.1999, 8 Sa 1215/98[7]).

Die Beweislast hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen Beschwerde und Nachteil trägt – nach den allgemeinen Grundsätzen zur Beweislastverteilung – der Arbeitnehmer, der sich auf § 84 Abs. 3 BetrVG beruft.[8] In Betracht kommt für den beschwerdeführenden Arbeitnehmer bei typischen Geschehensabläufen eine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises[9], der eine Modifizierung der Darlegungslast nach Einflussbereichen zur Folge hat[10].

 

Rz. 33

Ein Arbeitnehmer, über den sich ein Arbeitskollege beschwert hat, kann von dem Arbeitskollegen nicht die Unterlassung von Behauptungen verlangen, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, es sei denn, die Behauptungen sind frei erfunden, bewusst unwahr oder leichtfertig aufgestellt (LAG Hessen, Urteil v. 28.6.2000, 8 Sa 195/99[11]).

[1] Ebenso GK-BetrVG/Wiese/Franzen, § 84 BetrVG Rz. 33.
[2] Fitting, § 84 BetrVG Rz. 21.
[3] Fitting, § 84 BetrVG Rz. 20.
[4] Fitting, § 84 BetrVG Rz. 20; Richardi/Thüsing, § 84 Rz. 19.
[5] ErfK/Kania, § 84 BetrVG Rz. 8; GK-BetrVG/Wiese/Franzen, § 84 BetrVG Rz. 34.
[6] NZA-RR 2013, 20.
[7] LAGE Nr. 128 § 626 BGB.
[8] HSWG/Hess, § 84 BetrVG Rz. 11; a. A. DKKW/Buschmann, § 84 BetrVG Rz. 23.
[9] Vgl. ErfK/Preis, § 612a BGB Rz. 22 m. w. N.
[10] Dazu Zöller/Greger, vor § 284 Rz. 34.
[11] AuR 2001, 272.

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