Rz. 63

Die vorstehend genannten, in §§ 13 ff. AGG normierten Rechte der Beschäftigten bestehen gegenüber dem Arbeitgeber. Unstreitig haftet der Arbeitgeber nach diesen Vorschriften, wenn er selbst oder sein gesetzlicher Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe die Benachteiligung begangen hat.[1] Das Verschulden der gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen wird dem Arbeitgeber gemäß § 31 BGB, § 278 BGB zugerechnet, es trifft ihn wie eigenes Verschulden.

 

Rz. 64

Fraglich ist, ob der Arbeitgeber auch für Benachteiligungen, die der Betriebsrat bzw. einzelne Mitglieder des Betriebsrats begehen, einzustehen hat. Eine unmittelbare Haftung des Arbeitgebers scheidet aus, weil weder der Betriebsrat noch seine Mitglieder Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen des Arbeitgebers sind[2], mithin eine Zurechnung seines Verschuldens zulasten des Arbeitgebers nicht stattfindet.

In Betracht kommt aber eine mittelbare Haftung nach den Regelungen des § 12 AGG.

 

Rz. 65

§ 12 Abs. 3 AGG ordnet an, dass der Arbeitgeber Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen hat, wenn die Benachteiligung durch einen Beschäftigten erfolgt ist. Unterlässt der Arbeitgeber dies, kommt grundsätzlich eine Haftung in Betracht. Da es sich bei den Mitgliedern des Betriebsrates um Beschäftigte handelt, hätte danach der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 AGG zumindest bei Benachteiligungen, die sie in ihrer Eigenschaft als Beschäftigte begehen, einzustehen. Bei Benachteiligungen, die die Mitglieder des Betriebsrats in ihrer Eigenschaft als solche begehen, ergibt sich eine Haftung des Arbeitgebers aus § 12 Abs. 3 AGG dagegen nicht. Diese Regelung spricht ausschließlich von Benachteiligungen durch "Beschäftigte". Das AGG stellt zudem in § 7 Abs. 3 klar, dass eine unzulässige Benachteiligung durch einen Beschäftigten eine vertragliche Pflichtverletzung ist. Eine solche kann aber ein Beschäftigter, der (ausschließlich) in seiner Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats handelt, nicht begehen. Zwischen Arbeitgeber und dem Mitglied des Betriebsrats fehlt es insoweit an einer vertraglichen Beziehung. Ihr Verhältnis beruht nicht auf vertraglichen Vereinbarungen, sondern fußt auf den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Für einen Verstoß gegen solche gesetzlichen Verhältnisse enthält § 7 Abs. 3 AGG keine Regelung, sodass eine Haftung des Arbeitgebers nach § 12 Abs. 3 AGG insoweit ausscheidet.

 

Rz. 66

In Betracht kommt allerdings eine Haftung des Arbeitgebers gemäß § 12 Abs. 4 AGG. Danach hat der Arbeitgeber dann, wenn Beschäftigte in Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte benachteiligt werden, im Einzelfall geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. Der Betriebsrat und seine Mitglieder, sofern sie in dieser Eigenschaft tätig werden, sind als "Dritte" im Sinne des § 12 Abs. 4 AGG anzusehen.

Gemäß § 12 Abs. 4 AGG haftet der Arbeitgeber jedoch nur für eigenes Verschulden. Haftungsauslösend ist deshalb nicht die eigentliche Benachteiligung durch den Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder, sondern nur ein Verstoß des Arbeitgebers. Infolgedessen hat der Beschäftigte, der durch den Betriebsrat bzw. eines seiner Mitglieder diskriminiert wird, nicht etwa bereits aufgrund dieser Diskriminierung ein Recht nach §§ 14 ff. AGG. Diese Rechte stehen ihm allenfalls dann zu, wenn der Arbeitgeber nicht entsprechend den Vorgaben des § 12 Abs. 4 AGG tätig geworden ist, mithin keine im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz des Beschäftigten ergriffen hat.

Da die Möglichkeiten des Arbeitgebers, Maßnahmen gegen den Betriebsrat und einzelner seiner Mitglieder zu ergreifen, nach den Regelungen des BetrVG sehr beschränkt sind, dürfte für eine Haftung des Arbeitgebers wegen Unterlassens solcher Maßnahmen in der Praxis kaum Raum sein. Allenfalls bei groben Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot dürfte ein Haftungsrisiko des Arbeitgebers bestehen. In diesen Fällen kann in Betracht kommen, dass der Arbeitgeber als angemessene Maßnahme auf die Mittel des § 23 Abs. 1 BetrVG zurückgreift, mithin beim zuständigen Arbeitsgericht beantragt, das handelnde Mitglied aus dem Betriebsrat auszuschließen oder den Betriebsrat aufzulösen. Eine derartige Maßnahme, insbesondere der Antrag auf Auflösung des Betriebsrats, dürfte allerdings nur in Ausnahmefällen bei schwerwiegenden Verstößen erforderlich und angemessen sein. Unterhalb dieser Schwelle, die mangels klarer gesetzlicher Vorgaben im Einzelfall durch die Gerichte festzusetzen ist, dürfte eine Haftung des Arbeitgebers für Benachteiligungen durch den Betriebsrat bzw. einzelne Betriebsratsmitglieder mangels Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers ausscheiden.

 

Rz. 67

Beweispflichtig dafür, dass der Arbeitgeber seiner Handlungspflicht nach § 12 Abs. 4 AGG nicht oder nicht hinreichend nachgekommen ist, mithin keine im Einzelfall geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme gegen den Betriebsrat bzw. das betreffende Betriebsratsmitgl...

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