1 Allgemeines

 

Rz. 1

Nach § 46 BetrVG haben die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Anspruch auf Teilnahme an der Betriebsversammlung und auf rechtzeitige Benachrichtigung über den Zeitpunkt und die Tagesordnung der Betriebsversammlung. Überdies sieht § 46 Abs. 1 Satz 2 ein Recht des Arbeitgebers vor, bei eigener Teilnahme an der Betriebsversammlung einen Beauftragten seiner Arbeitgebervereinigung hinzuzuziehen.

2 Teilnahme von Gewerkschaftsvertretern

2.1 Allgemeines

 

Rz. 2

Den Gewerkschaftsbeauftragten kommt nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein originäres Zugangs- und Teilnahmerecht zu, dass weder von einer Einladung des Betriebsrats oder der Betriebsratsversammlung noch von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängt. Es besteht daher selbst dann, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber die Teilnahme nicht wünschen. Das Teilnahmerecht ist nicht abdingbar.[1]

Das Teilnahmerecht gilt für alle Betriebs- und Abteilungsversammlungen, gleichgültig, ob sie als Voll- oder als Teilversammlungen stattfinden.

 

Rz. 3

Der Anspruch auf Teilnahme an Betriebsversammlungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht allerdings nur den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zu. Der Begriff "Gewerkschaft" ist gesetzlich nicht definiert. Seine Bedeutung ist deshalb nach Maßgabe des allgemeinen fachsprachlichen Verständnisses festzustellen (BAG, Beschluss v. 19.9.2006, 1 ABR 53/05[2]). Eine Gewerkschaft ist danach eine auf freiwilliger Basis errichtete privatrechtliche Vereinigung von Arbeitnehmern, die als satzungsgemäße Aufgabe den Zweck der Wahrnehmung und Förderung jedenfalls auch der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder verfolgt, die gegnerfrei, in ihrer Willensbildung strukturell unabhängig von Einflüssen Dritter und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert ist und Tariffähigkeit, d. h. die rechtliche Fähigkeit besitzt, durch Vereinbarung mit dem sozialen Gegenspieler die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder tarifvertraglich mit normativer Wirkung zu regeln (BAG, Beschluss v. 14.12.2010, 1 ABR 19/10[3]; BAG, Beschluss v. 19.9.2006, 1 ABR 53/05[4]). Das für die Unterscheidung einer Gewerkschaft von sonstigen Arbeitnehmervereinigungen konstitutive Begriffsmerkmal ist damit die Tariffähigkeit, die § 46 Abs. 1 BetrVG zwingend voraussetzt (BAG, Beschluss v. 19.9.2006, 1 ABR 53/05[5]).

 

Rz. 4

Überdies muss die Gewerkschaft im Betrieb vertreten sein, d. h. mindestens ein Mitglied im Betrieb haben. Sind im Betrieb Arbeitnehmer in unterschiedlichen Gewerkschaften organisiert, so steht jeder dieser Gewerkschaften das Teilnahmerecht zu. Dabei kann die im Betrieb vertretene Gewerkschaft ihre Vertreter auch zu allen Teil- und Abteilungsversammlungen unabhängig davon entsenden, ob sie in der in der Teilversammlung oder Betriebsabteilung zusammengefassten Arbeitnehmergruppe vertreten ist.[6]

 

Rz. 5

Über die Person des zu Entsendenden entscheidet die Gewerkschaft. Weder dem Arbeitgeber noch dem Betriebsrat steht bei der Bestimmung ein Mitspracherecht zu.[7] Dem Wortlaut der Norm ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob es sich bei dem Beauftragten um ein Mitglied der Gewerkschaft oder ihres Spitzenverbands handeln muss. Da das in § 46 Abs. 1 BetrVG normierte Recht der aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden Betätigungsgarantie dient und sicherstellen soll, dass die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Betriebsrat und Arbeitnehmer beraten können, ist eine entsprechende Beschränkung jedoch anzunehmen.

 

Rz. 6

Die Gewerkschaft ist nicht darauf beschränkt, nur einen Beauftragten in die Betriebsversammlung zu entsenden. Bei der Bestimmung der Anzahl der zu entsendenden Beauftragten ist ihr bestehendes Ermessen jedoch durch den Zweck des Teilnahmerechts, d. h. die Erfüllung der Beratungs- und Unterstützungsfunktion begrenzt.[8] Die Gewerkschaften haben die Zahl der Beauftragten daher auf das für die Erfüllung dieser Funktion erforderliche Maß zu beschränken.[9] Mehrere Beauftragte dürften nur dann erforderlich sein, wenn die Tagesordnung umfassend ist und mehrere Spezialthemen zum Gegenstand hat.

[1] LAG Berlin-Berlin Brandenburg, Beschluss v. 19.9.2017, 7 TaBV 91/17.
[2] NJW 2007, 1018.
[3] NZA 2011, 289.
[4] NJW 2007, 1018.
[5] NJW 2007, 1018; kritisch hierzu aber etwa Rieble, RdA 2008, 35.
[7] ArbG Gießen, Beschluss v. 5.10.2018, 7 BV 15/17.
[8] GK-Weber, § 46 BetrVG Rz. 6; Fitting, § 46 BetrVG Rz. 7.
[9] GK-Weber, § 46 BetrVG Rz. 6.

2.2 Zugangsrecht

 

Rz. 7

Da der Gewerkschaftsbeauftragte ein gesetzliches Teilnahmerecht hat, darf der Arbeitgeber ihm den Zugang zum Veranstaltungsraum nicht versperren. Das Teilnahmerecht setzt eine Zutrittsrecht zum Betrieb zwangsläufig voraus.[1] Insofern ist das Hausrecht des Arbeitgebers eingeschränkt.[2] Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber weiß, welcher Person er Zutritt gewähren muss. Daher ist die Gewerkschaft verpflichtet, dem Arbeitgeber rechtzeitig den Namen ihres Beauftragten mitzuteilen.[3] Rechtzeitig ist die Mitteilung nur, wenn der Arbeitgeber ohne Probleme in der Lage ist, Pförtner oder sonstige Aufsichtspersonen im Betrieb von der Teilnahme zu unterricht...

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