Rz. 13

Zusätzlich zur regelmäßigen Betriebsversammlung kann der Betriebsrat nach § 43 Abs. 1 Satz 4 BetrVG in jedem Kalenderhalbjahr eine dritte Betriebsversammlung durchführen, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint.

 
Hinweis

Die zusätzliche Betriebsversammlung kann also je einmal im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6. sowie vom 1.7. bis 31.12. stattfinden.

 

Rz. 14

Die Durchführung einer zusätzlichen Betriebsversammlung setzt dabei, trotz des missverständlichen Wortlauts, nicht voraus, dass die Möglichkeiten zu regelmäßigen Betriebsversammlungen ausgeschöpft sind. So kann es etwa Fälle geben, in denen die Einberufung der Versammlung so eilbedürftig ist, dass sie der Abfassung des nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in einer regelmäßigen Betriebsversammlung zu erstattenden Tätigkeitsberichts entgegensteht.[1]

 

Rz. 15

Da der Betriebsrat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten über die Einberufung einer weiteren Betriebsversammlung entscheiden darf, steht ihm auch bei der Frage, ob eine zusätzliche Betriebsversammlung zweckmäßig erscheint, ein weiter Ermessensspielraum zu (BAG, Urteil v. 23.10.1991, 7 AZR 249/90[2]). Ermessen bedeutet jedoch dabei nicht freies Belieben; vielmehr hat er sich an dem Zweck der Betriebsversammlung, die Arbeitnehmer des Betriebs zu informieren und eine Aussprache unter ihnen mit dem Betriebsrat zu erreichen, auszurichten. Die Entscheidung des Betriebsrats unterliegt insoweit einer, wenn auch eingeschränkten, gerichtlichen Kontrolle (BAG, Urteil v. 23.10.1991, 7 AZR 249/90[3]).

 

Rz. 16

Die Voraussetzungen für eine weitere Betriebsversammlung nach § 43 Abs. 1 Satz 4 BetrVG liegen danach nur vor, wenn die Angelegenheit, die mit der Belegschaft erörtert werden soll, so bedeutend und dringend ist, dass ein sorgfältig amtierender Betriebsrat unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb die Einberufung einer weiteren Betriebsversammlung für sinnvoll und angemessen halten darf. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche Informationen der Belegschaft schon gegeben werden können, wie sinnvoll ein Meinungsaustausch im Zeitpunkt der vorgesehenen Betriebsversammlung ist und welche Folgen die Nichteinberufung der vorgesehenen Betriebsversammlung haben kann (BAG, Urteil v. 23.10.1991, 7 AZR 249/90[4]). Stets ist eine zusätzliche Betriebsversammlung nur dann anzuberaumen, wenn es in ihr um Fragen gehen soll, die für den Betrieb bzw. die Belegschaft von wesentlicher Bedeutung sind, sodass eine Aussprache mit und vor allen Belegschaftsangehörigen erforderlich erscheint (LAG Berlin, Urteil v. 12.12.1978, Ta BV 5/78[5]). Es muss insbesondere eine sofortige Aussprache geboten sein, weil ein Aufschub bis zur nächsten ordentlichen Betriebsversammlung ausgeschlossen ist.[6]

 
Hinweis

Grundsätzlich sind die die Arbeitnehmer betreffenden Themen in der regelmäßigen Betriebsversammlung zu erörtern. Nur, wenn es im Interesse der Belegschaft oder der Sache nicht sinnvoll erscheint, die nächste ordentliche Betriebsversammlung abzuwarten, kann eine zusätzliche Betriebsversammlung stattfinden.

 

Rz. 17

Angenommen wurde dies etwa bei der Anberaumung einer Betriebsversammlung mit der Absicht, dort die Kandidaten für die nächste Betriebsratswahl vorzustellen (LAG Berlin, Urteil v. 12.12.1978, Ta BV 5/78[7]). In Betracht kommen insbesondere Fälle, in denen kurzfristig wegen aktueller Ereignisse ein Informationsbedarf entsteht. Daneben kann sich das Erfordernis aber auch daraus ergeben, dass eine Angelegenheit in der regelmäßigen Betriebsversammlung, etwa aus Zeitnot, nicht ausreichend behandelt werden konnte.

 

Beispiele für besondere Gründe:

  • Unruhe in der Belegschaft wegen wirtschaftlicher Probleme des Unternehmens,
  • (drohende) Massenentlassungen,
  • Betriebseinschränkungen,
  • besondere Unfälle im Betrieb,
  • wesentliche Produktionsänderungen,
  • Wechsel des Betriebsinhabers,
  • Abschluss wichtiger Betriebsvereinbarungen,
  • Einführung von Kurzarbeit.
 

Rz. 18

Nicht aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint aber etwa eine zusätzliche Betriebsversammlung mit der Tagesordnung "Berichterstattung und Diskussion über die Forderungen des Arbeitgebers zur Manteltarifverhandlung" (ArbG Wilhelmshaven, Beschluss v. 27.10.1998, 1 BVGa 5/88[8]) oder die Diskussion über mögliche Arbeitskampfmaßnahmen bei herannahendem Ende der Friedenspflicht (ArbG Neumünster, Beschluss v. 25.1.1994, 3a BVGa 3/94[9]). Nach § 45 Satz 1 BetrVG können in der Betriebsversammlung zwar auch Angelegenheiten tarifpolitischer Art behandelt werden, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen und dazu gehört auch die Unterrichtung über den Stand der laufenden Tarifverhandlungen (ArbG Wilhelmshaven, Beschluss v. 27.10.1998, 1 BVGa 5/88[10]). Da aber weder Betriebsrat noch die Betriebsversammlung eine Entscheidungskompetenz bei den Tarifverhandlungen besitzen, erscheint es nicht gerechtfertigt, über diese Fragen eine zusätzliche Betriebsversammlung durchzuführen (ArbG Wilhelmshaven, Beschluss v. 27.10.1998, 1 BVGa 5/88[11]). Eine besondere Zweckmäßigkeit besteht dah...

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