6.1 Reichweite der übertragbaren Aufgaben

 

Rz. 19

Im Hinblick auf die übertragbaren Aufgaben regelt § 28a Abs. 1 Satz 2 BetrVG lediglich, dass diese im Zusammenhang mit den von der Arbeitsgruppe zu erledigenden Tätigkeiten stehen müssen. Viel Klarheit besteht damit nicht. Arbeitgeber und Betriebsrat kommt aber eine Einschätzungsprärogrative zu, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden kann[1]. Folgende Beispiele gelten als zulässig[2]:

  • Arbeitszeitfragen
  • Pausenregelungen
  • Urlaubsplanung
  • Arbeitsgestaltung
  • Regelung gruppenspezifischer Überwachungseinrichtungen
  • Lohngestaltung
  • Berufsbildungsmaßnahmen
  • Ordnung der Arbeitsgruppe
 

Rz. 20

Die Arbeitsgruppe kann hierzu gruppenbezogene Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte geltend machen; insbesondere können mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen geschlossen werden. Für den Bereich der Arbeitsgruppe tritt diese somit an die Stelle des Betriebsrats und hat – soweit nicht im Übertragungsbeschluss anderweitig festgelegt – die gleichen Befugnisse und Rechte wie der Betriebsrat. Im Regelfall hat die Betriebsgruppe kein Recht, einen Sachverständigen oder einen sachkundigen Arbeitgeber zu beauftragen bzw. hinzuzuziehen.

 

Rz. 21

Unzulässig ist allerdings, bei einer Betriebsänderung dem davon betroffenen Arbeitsbereich die Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG zu übertragen[3].

 

Rz. 22

Anders als bei der Übertragung von Aufgaben an Ausschüsse können personenbezogene Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitsgruppe nicht übertragen werden[4].

 
Praxis-Beispiel

Die Mitwirkung/Zustimmung zu personellen Maßnahmen nach §§ 99 und 102 BetrVG kann der Arbeitsgruppe nicht übertragen werden.

 

Rz. 23

Wie weit der Arbeitsgruppe Aufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen werden, entscheidet der Betriebsrat nach pflichtgemäßem Ermessen[5]. Die Grenzen, die für die Übertragung an den Betriebsausschuss sowie die weiteren Ausschüsse gelten[6], finden hier keine Anwendung. Insbesondere darf die Arbeitsgruppe mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen schließen (§ 28a Abs. 2 BetrVG). Der Betriebsrat kann sich aber auch die Letztentscheidung vorbehalten.

[2] BT-Drucksache 14/5741, S. 40; Richardi/Thüsing, § 28a BetrVG Rz. 23; Däubler/Wedde, § 28a BetrVG Rz. 30; Fitting, § 28a BetrVG Rz. 23a.
[3] BT-Drucksache 14/5741, S. 40.
[4] Richardi/Thüsing, § 28a BetrVG Rz. 24; Fitting, § 28a BetrVG Rz. 24.
[6] Vgl. § 27 BetrVGRz. 62 ff.

6.2 Abschluss von Vereinbarungen

 

Rz. 24

Nach § 28a Abs. 2 BetrVG kann die Arbeitsgruppe im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen schließen. Es handelt sich dabei um "Betriebsvereinbarungen" der Arbeitsgruppe. § 77 BetrVG gilt entsprechend. Dennoch ist die Vereinbarung nicht gleichzusetzen mit einer Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG. Regelungsabreden sind dagegen zwischen Arbeitsgruppe und Arbeitgeber nicht möglich[1].

 

Rz. 25

Die Vereinbarung ist schriftlich abzuschließen, von beiden Seiten zu unterzeichnen und im Betrieb bekannt zu machen. Zum Beschluss ist die Mehrheit der Stimmen der Gruppenmitglieder erforderlich. Es genügt daher nicht die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder.

 

Rz. 26

Da § 77 BetrVG entsprechend gilt, entfaltet die Vereinbarung normative Wirkung, schafft also unmittelbare und zwingende Rechte und Pflichten für die Gruppenmitglieder. Die Vereinbarung kann vom Arbeitgeber oder der Arbeitsgruppe mit Dreimonatsfrist gekündigt werden oder endet mit Ablauf der Zeit, für die sie geschlossen wurde. Solange der Betriebsrat die Übertragung nicht widerrufen hat, steht ihm selbst kein Kündigungsrecht zu. Nach Ablauf einer Vereinbarung wirkt diese nach[2].

 

Rz. 27

Das Verhältnis von Betriebsvereinbarung zur Vereinbarung nach § 28a Abs. 2 BetrVG ist nicht geklärt. Die wohl herrschende Meinung geht vom Spezialitätsprinzip aus: Die Vereinbarung geht einer allgemeinen Betriebsvereinbarung als speziellere Regelung vor[3]. Nach anderer Ansicht tritt die Vereinbarung nach § 28a Abs. 2 BetrVG gegenüber einer konkurrierenden Betriebsvereinbarung stets zurück[4].

 
Praxis-Beispiel

Nach Abschluss einer speziellen Arbeitszeitvereinbarung zwischen Arbeitsgruppe und Arbeitgeber schließt der Betriebsrat eine allgemeine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Nach h. M. fände die spezielle Vereinbarung weiterhin Anwendung; nach anderer Ansicht gälte nunmehr auch für die Arbeitsgruppe die allgemeine Betriebsvereinbarung.

 
Hinweis

Um von vornherein ungewollte Konkurrenzen zu verhindern, sollte bei Abschluss von Betriebsvereinbarungen sowie bei Übertragungsbeschlüssen darauf geachtet werden, ob eine Konkurrenz entstehen könnte und entschieden werden, welcher Regelung der Vorrang gebührt.

Erlischt die Arbeitsgruppe, endet auch die Wirkung der Vereinbarung[5].

 

Rz. 28

Können sich Arbeitgeber und Arbeitsgruppe in einer Angelegenheit nicht einigen, nimmt der Betriebsrat das Beteiligungsrecht wahr (§ 28a Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Die Situation ist dann die gleiche, wie wenn der Betriebsrat die Aufgaben der Arbeitsgruppe überhaupt nicht übertragen hätte. Eine eventuell ab...

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