Rz. 3

§ 6 Satz 1 KSchG ist unmittelbar nur anwendbar, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung rechtzeitig im Klagewege angegriffen hat. Nur in diesem Fall hat der Arbeitnehmer ausreichend klar zu erkennen gegeben, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinnimmt.[1] Ein bloßes Bestreiten der Wirksamkeit der Kündigung durch den Arbeitnehmer außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens rechtfertigt die Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nicht.[2] Es genügt jedoch, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will.[3]

 
Hinweis

Die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 Satz 1 KSchG entbindet den Arbeitnehmer nicht von der Pflicht, jede Kündigung mit einer gesonderten Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG anzugreifen.

[2] HWK/Quecke, Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2022, § 6 KSchG Rz. 3.

2.1 Kündigungsschutzklage

 

Rz. 4

Nach dem Wortlaut des § 6 Satz 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer auf die verlängerte Anrufungsfrist berufen, wenn er innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung die Unwirksamkeit der Kündigung im Klageweg geltend macht, d. h. fristgemäß Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG erhebt.[1]

Hat der Arbeitnehmer gegen eine (Folge-)Kündigung – zulässigerweise – eine Kündigungsschutzklage im Wege der Anschlussberufung in ein zweitinstanzliches Verfahren eingeführt und die Anschließung infolge einer Berufungsrücknahme durch den Arbeitgeber ihre Wirkung verloren (§ 524 Abs. 4 ZPO), kann er mit einer die nämliche Kündigung betreffenden weiteren Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht in analoger Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten Frist durchdringen, wenn er die neue Klage innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis vom Wirkungsverlust anhängig macht. Dies folgt auch aus dem Rechtsgedanken des § 6 KSchG.[2]

[1] Ausführlich zur Kündigungsschutzklage Wiehe, § 4 Rz. 121, 130 ff.

2.2 Allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO

 

Rz. 5

Hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung erhoben und zusätzlich einen zulässigen allgemeinen Feststellungsantrag[1] nach § 256 ZPO gestellt, kann er etwaige weitere Kündigungen auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG in das gerichtliche Verfahren einbringen. Ein Rückgriff auf § 6 Satz 1 KSchG ist nicht erforderlich.[2]

 

Rz. 6

Eine Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG kommt aber in Betracht, wenn der Arbeitnehmer von vornherein statt des Kündigungsschutzantrags nach § 4 Satz 1 KSchG nur einen allgemeinen Feststellungsantrag stellt und die allgemeine Feststellungsklage nachträglich auf eine Kündigungsschutzklage umstellen will.[3] Das BAG hat dies bislang allerdings nur für die Entfristungsklage nach § 17 Satz 1 TzBfG entschieden.[4]

[1] Dieser Antrag wäre nicht auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, sondern auf die Feststellung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses gerichtet, vgl. Wiehe, § 4 Rz. 123 ff., 133 ff., 176.
[2] Vgl. BAG, Urteil v. 12.5.2005, 2 AZR 426/04, NZA 2005, 1259, 1261.
[3] APS/Hesse, 6. Aufl. 2021, § 6 KSchG Rz. 11; Linck/Krause/Bayreuther/Linck, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 6 KSchG Rz. 12.

2.3 Leistungsklage und Klage auf Weiterbeschäftigung

 

Rz. 7

Nach der Rechtsprechung des BAG war § 6 Satz 1 KSchG in seiner bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung auch dann entsprechend anwendbar, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der 3-Wochen-Frist nur eine Klage auf Weiterbeschäftigung bzw. auf Zahlung der Vergütung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist erhoben hatte. Der Arbeitnehmer konnte den Kündigungsschutzantrag dann auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist stellen.[1] Die Rechtsprechung[2] hat hieran ebenso wie der überwiegende Teil der Literatur[3] auch nach der Neufassung des § 6 Satz 1 KSchG festgehalten.

 

Beispiel[4]

Der Arbeitnehmer erhält am 15.9. eine außerordentliche und fristlose Kündigung. Am 2.10. reicht der Arbeitnehmer eine Klage beim Arbeitsgericht ein, mit der er seine Vergütung für den gesamten September einklagt. In der letzten mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht am 20.12. erweitert der Arbeitnehmer seine Zahlungsklage auf die Vergütung für den Zeitraum vom 1.10. bis zum 30.11. Zusätzlich beantragt der Arbeitnehmer in dieser Verhandlung die Feststellung, dass die Kündigung vom 15.9. das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.

Das Arbeitsgericht wird der Kündigungsschutzklage stattgeben, wenn die Kündigung nach materiellem Recht unwirksam ist. Zwar hat der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage erst nach Ablauf der 3-Wochen-Frist der §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG erhoben. Er hat mit der innerhalb dieser Frist eingereichten Klage auf Zahlung der Vergütung für den gesamten September aber erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er die Kündigung nicht anerkennt. Damit ist der Ablauf der 3-Wochen-Frist in Bezug auf die Kündigungsschutzklage nach § 6 Sa...

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