Rz. 158

Im Gegensatz zu anderen Einschreiben wirft der Postzusteller das Einwurf-Einschreiben in den Hausbriefkasten des Empfängers ein und bestätigt die Zustellung durch seine Unterschrift auf dem Auslieferungsbeleg. Damit entfällt für den Arbeitgeber das Risiko, dass der Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben trotz entsprechender Benachrichtigung nicht bei der Post abholt. Das Einwurf-Einschreiben wird daher teilweise als taugliches Mittel zur Übermittlung von Kündigungen angesehen.[1] Ob die ordnungsgemäße Aufgabe eines Einwurf-Einschreibens zur Post einen Anscheinsbeweis für den Zugang begründet, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.[2] Für die Annahme eines Anscheinsbeweises spricht angesichts niedriger Verlust- und Fehlzustellungsquoten nicht nur eine statistische Wahrscheinlichkeit als Grundlage eines Rückschlusses auf den Zugang, sondern auch die Identität von Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg.[3] Auch bei Annahme eines Anscheinsbeweises obliegt dem Absender weiterhin die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang; der Empfänger braucht den Anschein nur durch den Vortrag der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs zu erschüttern.[4] Das Einwurf-Einschreiben ist damit nicht geeignet, Beweisschwierigkeiten in Bezug auf den Zugang der Kündigung auszuschließen.

 
Hinweis

Es ist dringend davon abzuraten, Kündigungen postalisch zu versenden, da der Zugang der Kündigung nicht nachgewiesen werden kann. Auch die verschiedenen Formen des Einschreibens helfen dem Arbeitgeber im Ergebnis nicht weiter. Falls der Zugang eines Briefumschlags im Einzelfall nachgewiesen werden kann, sagt dies über den Zugang einer konkreten Kündigung nichts aus. Behauptet der Arbeitnehmer z. B., er habe nur einen leeren Briefumschlag erhalten, kann der Arbeitgeber den Gegenbeweis nicht führen. Schließlich erhalten die Postzusteller nur einen verschlossenen Umschlag und können über dessen Inhalt keine Auskunft geben. Nichts anderes gilt im Übrigen bei der Einschaltung von Kurierdiensten. In der Praxis wird auch bei der Übermittlung durch einen Kurier nur selten der lückenlose Nachweis gelingen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Briefumschlag in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen wurde, der das Kündigungsschreiben enthielt.

[1] Neuvians/Mensler, BB 1998, 1206, 1207.
[2] Für einen Anscheinsbeweis BGH, Urteil v. 27.9.2016, II ZR 299/15, NJW 2017, 68, 70; AG Erfurt, Urteil v. 20.6.2007, 5 C 1734/06, MDR 2007, 1338; AG Hannover, Urteil v. 4.2.2003, 543 C 16601/02, NJOZ 2004, 67, 68; AG Paderborn, Urteil v. 3.8.2000, 51 C 76/00, NJW 2000, 3722, 3723; dagegen ArbG Düsseldorf, Urteil v. 22.2.2019, 14 Ca 465/19, Rz. 33; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.9.2013, 5 Sa 18/13, LAG Hamm, Urteil v. 16.11.2011, 10 Sa 884/11, n. v.; AG Kempen, Urteil v. 22.8.2006, 11 C 432/05, NJW 2007, 1215; LG Potsdam, Urteil v. 27.7.2000, 11 S 233/99, NJW 2000, 3722; BGH, Urteil v. 27.9.2016, II ZR 299/15, NJW 2017, 68; für zumindest eine starke Indizwirkung, LAG Köln, Urteil v. 22.11.2010, 5 Sa 900/10, NZA-RR 2011, 244, 246; LAG Köln, Urteil v. 14.8.2009, 10 Sa 84/09, n. v.; siehe zum Streitstand Ante in NJW 2020, 3487.
[4] Vgl. Zöller/Greger, ZPO, vor § 284 ZPO Rz. 29.

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