Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame außerordentliche Kündigung wegen unterlassener Rückgabe des Dienstwagens. Unzureichender Nachweis des Zugangs der Kündigung durch Einwurf-Einschreiben. Abmahnungserfordernis für verhaltensbedingte Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Arbeitgeberin hat den vollen Beweis des Zugangs einer Kündigung unter Abwesenden zu führen, da es für die Beförderung eines gewöhnlichen Briefes per Post keinen Anscheinsbeweis für den Zugang gibt; für die Zugangsvereitelung einer Kündigungserklärung hat die Kündigende beweisen, dass die gescheiterte Übermittlung auf ein Verhalten des Adressaten zurückzuführen ist, was den Nachweis voraussetzt, dass der Adressat von einer unmittelbar bevorstehenden Kündigung Kenntnis hatte.

2. Das Einwurf-Einschreiben weist hinsichtlich des Zeitpunkts des Zugangs keine Besonderheiten zur gewöhnlichen Briefsendung auf, da es ebenfalls in den Briefkasten geworfen und lediglich der Nachweis des Zugangs dadurch erleichtert wird, dass der Einwurf von Beschäftigten der Post AG dokumentiert wird; allein aufgrund des Einlieferungsbeleges sowie eines von der Arbeitgeberin vorgelegten Screen-Shots (Bildschirmausdruck) ist nicht davon auszugehen, dass der Zugang in der nach dem Gesetz erforderlichen Weise erfolgt ist.

3. Ist der Arbeitnehmer nach der vertraglichen Dienstwagenvereinbarung zur Herausgabe des Firmenwagens nicht verpflichtet, da zu dem maßgeblichen Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbestand, liegt eine zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung taugliche Vertragspflichtverletzung nicht vor.

4. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose und ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann.

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1 S. 1, § 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 29.11.2012; Aktenzeichen 2 Ca 959/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.11.2012 - 2 Ca 959/12 - aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die mündliche Kündigung vom 02.07.2012, die schriftliche Kündigung vom 28.06.2012, noch durch die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2012 noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 31.07.2012 sein Ende gefunden hat.

Die erstinstanzlichen Kosten hat der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5, die Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10 zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren zuletzt nur noch) darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund mehrerer Arbeitgeberkündigungen sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits haben am 08.12.2011 einen schriftlich abgefassten Einstellungsvertrag abgeschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis zum 01.01.2012 beginnt. Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit mit 14 Tagen Kündigungsfrist. Danach gilt die gesetzliche Kündigungsfrist (Ziffer 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages). Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 5, 6 d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich des beweglichen Anteils des Gehalts ab 01.01.2012 haben die Parteien zwei schriftliche Anlagen am 08.12.2011 und am 09.02.2011 vereinbart, hinsichtlich deren Inhalt auf Bl. 7, 8 d. A. Bezug genommen wird.

Des Weiteren haben die Parteien am 02.01.2012 eine schriftliche "Dienstwagenvereinbarung" abgeschlossen, die u. a. folgenden Wortlaut hat:

"§ 1 Überlassung

Die Firma überlässt dem Mitarbeiter ihr Kraftfahrzeug der Marke Mercedes Benz Modell C-Klasse mit dem amtl. Kennzeichen XY und der Fgst.Nr. XY zur Benutzung. Bei einem Wechsel des überlassenen Fahrzeugs gilt diese Vereinbarung entsprechend. Anspruch auf bestimmtes Zubehör/Ausstattung besteht nicht.

§ 2 Benutzung des Firmenwagens

Das Fahrzeug darf grundsätzlich nur für betriebliche Zwecke im Zusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag, bzw. gemäß sonstiger Vereinbarung oder nach Anweisung der Geschäftsleistung benutzt werden.

Zur Nutzung des Firmenswagens muss der Mitarbeiter einen auf sich ausgestellten gültigen Führerschein gemäß Straßenverkehrordnung besitzen.

Beim Tanken mit der Tankkarte hat der Mitarbeiter immer den km-Stand anzugeben.

...

§ 10 Widerruf und Rückgabe des Fahrzeugs

Der Mitarbeiter ist verpflichtet, das Fahrzeug auf Aufforderung der Firma jederzeit zurückzugeben, ungeachtet evtl. Gegenansprüche (Lohn, Spesen, etc.), insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und/oder einer Freistellung. Erfolgt dies nicht, sind hiermit Ersatzansprüche vereinbart. Im Fall des Widerrufs hat der Mitarbeiter das Fahrzeug sowie Papiere und Schlüssel ...

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