1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 21 KSchG enthält eine Sonderregelung hinsichtlich der Zuständigkeit für Massenentlassungen in Betrieben des Verkehrs- bzw. Post- und Telekommunikationswesens, die unmittelbar der Bundesregierung unterstehen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist das Massenentlassungsanzeigeverfahren hier nicht örtlich, sondern auf Ebene der Bundesagentur für Arbeit durchzuführen.

1.1 Regelungszweck

 

Rz. 2

Hintergrund der gegenüber § 20 KSchG geänderten Zuständigkeitszuordnung ist die Berücksichtigung überregionaler Gesichtspunkte unter Einbeziehung der beratenden Stimme des jeweils zuständigen Bundesministeriums. Die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit vermag am besten "die Gesamtlage des über viele Bundesländer sich erstreckenden Wirkungsbereichs von Betrieben aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und des Bundesministers für Post- und Fernmeldewesen" zu beachten.[1] Auf diese Weise soll ermöglicht werden, dass evtl. vorhandene Strukturprobleme in dem einen Bundesland in einem anderen aufgefangen werden können.[2]

[1] BAG, Urteil v. 4.3.1993, 2 AZR 451/92, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 60.
[2] Vgl. auch KR/Weigand/Heinkel, 13. Aufl. 2022, § 21 KSchG Rz. 2; APS/Moll, 7. Aufl. 2024, § 21 KSchG Rz. 2.

1.2 Bedeutung

 

Rz. 3

Die Regelung in § 21 KSchG hat nur noch eine geringe praktische Bedeutung.[1] Grund hierfür ist zunächst, dass das Bundesministerium für Post und Telekommunikation mit Wirkung zum 1.1.1998 aufgelöst wurde[2] und die Vorschrift derzeit nur Betriebe aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr erfasst.[3] Darüber hinaus wurden mittlerweile auch zahlreiche Betriebe, die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr gehörten, privatisiert und werden daher von § 21 KSchG nicht mehr erfasst.[4] Ferner sind die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Eingreifen der Zuständigkeitsverschiebung sehr eng formuliert, sodass § 21 KSchG ohnehin für nur sehr wenige Betriebe gilt.

[1] BeckOGK/Holthusen, § 21 KSchG Rz. 1.
[2] Organisationsbeschluss des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, BGBl. 1998 I S. 68.
[3] Vgl. in der inzwischen von den FW abgelösten GA KSchG 21.5.
[4] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 1.

2 Tatbestandsvoraussetzungen

2.1 Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke

 

Rz. 4

Voraussetzung für das Eingreifen der geänderten Zuständigkeitsregelung bei Massenentlassungen ist zunächst, dass es sich um einen Betrieb mit wirtschaftlicher Zwecksetzung handelt. Gem. § 23 Abs. 2 KSchG gelten die Vorschriften des 3. Abschnitts – d. h. die Regelungen zu anzeigepflichtigen Entlassungen nach §§ 17 ff. KSchG – im Hinblick auf die von der öffentlichen Verwaltung geführten Betriebe nur, soweit diese wirtschaftliche Zwecke verfolgen.[1] Hiervon ist in Abgrenzung zu hoheitlichen Zwecken dann auszugehen, wenn der Betrieb Aufgaben verfolgt, die ein privates Unternehmen in gleicher Weise wahrnehmen könnte.[2]

[1] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 3.
[2] Zu weiteren Einzelheiten vgl. Thüsing, § 23 Rz. 11 ff.

2.2 Geschäftsbereich der beiden Bundesministerien

 

Rz. 5

Der von der geplanten Entlassung betroffene Betrieb muss ferner zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr oder – derzeit ohne Anwendungsbereich (vgl. Rz. 3) – für Post und Telekommunikation gehören. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Betrieb aufgrund einer dem Eigentum vergleichbaren Rechtsposition[1] unmittelbar dem jeweiligen Bundesministerium untersteht und damit die Entlassungen durch ministerielle Weisung erfolgen können.[2] Das ist z. B. bei den für Bundeswasserstraßen, Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen zuständigen Verkehrsanstalten des öffentlichen Rechts der Fall.[3] Nicht ausreichend ist dagegen, dass lediglich ein beherrschender Einfluss aufgrund einer Konzernbeziehung besteht, da es insbesondere bei Aktiengesellschaften ohne Beherrschungsvertrag angesichts der Weisungsfreiheit des Vorstands (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) am erforderlichen direkten Zugriff des jeweiligen Bundesministeriums fehlt.[4] Ebenso wenig genügt eine öffentlich-rechtliche Zuständigkeit für die Erteilung der Betriebserlaubnis und/oder die Überwachung der Betriebsführung. Demnach fallen Betriebe von privaten Verkehrsunternehmen (Luftlinien, Privatbahnen, Regionalverkehrslinien), private Paket- und Briefdienste sowie Telekommunikationsgesellschaften nicht unter § 21 KSchG.[5] Konkret bedeutet dies, dass es im Hinblick auf die Deutsche Lufthansa AG, die Deutsche Bahn AG, die Deutsche Post AG, die Deutsche Postbank AG oder die Deutsche Telekom AG bei der Zuständigkeitsregelung des § 20 KSchG verbleibt.[6]

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 4.3.1993, 2 AZR 451/92, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 60.
[2] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 3; APS/Moll, § 21 KSchG Rz. 7.
[3] Vgl. in der inzwischen von den FW abgelösten GA KSchG 21.5; KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 1, 3.
[4] APS/Moll, § 21 KSchG Rz. 7; a. A LKB/Bayreuther, KSchG, 15. Aufl. 2013, § 21 KSchG Rz. 2.
[5] Vgl. in der inzwischen von den FW abgelösten GA KSchG 21.5.
[6] APS/Moll, 21 KSchG Rz. 7; a. A. LKB/Bayreuther, KSchG, § 21 KSchG Rz. 2.

2.3 Überschreiten des Schwellenwerts

 

Rz. 6

Voraussetzung für die Anwendung des § 21 KSchG ist schließlich auch, dass es sich um...

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