Rz. 854

Die Wiedereinstellungschancen des Arbeitnehmers stellen ein Merkmal dar, das im Rahmen der Sozialauswahl grds. berücksichtigt werden kann. Allerdings ist Vorsicht geboten: Der kündigende Arbeitgeber wird aufgrund der Komplexität des Arbeitsmarktes meistens nicht in der Lage sein, die Entwicklung auf dem Stellenmarkt hinreichend konkret zu prognostizieren, und zwar selbst dann nicht, wenn er mit den Daten und Zahlen seiner Branche vertraut ist. Voraussetzung für die Berücksichtigung der Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt im Rahmen der Sozialauswahl ist aber gerade, dass die Einschätzung des Arbeitgebers realistisch und nachvollziehbar und nicht etwa eine vage Vorhersage mit unsicherem Aussagegehalt ist.

 

Rz. 855

Gegen die Einbeziehung der Arbeitsmarktchancen der Arbeitnehmer sprechen gute Argumente. Folge einer Berücksichtigung der Wiedereinstellungschancen auf dem freien Arbeitsmarkt ist zum einen die Privilegierung der Unqualifizierten – gut ausgebildete Arbeitnehmer, die leichter zu vermitteln sind, hätten mithin unter ihrer Qualifikation zu leiden. Zum anderen ist die Berücksichtigung arbeitsmarktpolitischer Erwägungen teilweise ausdrücklich im Kündigungsschutzgesetz verankert, z. B. in §§ 17 f. KSchG. Eine entsprechende Regelung, die auf den Willen des Gesetzgebers, die Chancen eines Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt in die Sozialauswahl mit einfließen zu lassen, schließen ließe, fehlt in § 1 Abs. 3 KSchG. Zudem werden die Wiedereinstellungschancen des Arbeitnehmers über die Merkmale des Lebensalters und der Dauer der Betriebszugehörigkeit indirekt mit berücksichtigt.[1]

 
Hinweis

Die Wiedereinstellungschancen des Arbeitnehmers können im Rahmen der Sozialauswahl grds. berücksichtigt werden. Allerdings müssen die Erwägungen des Arbeitgebers nachvollziehbar und realistisch sein. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Sozialauswahl von den Gerichten als (grob) fehlerhaft angesehen wird. In der Praxis ist – um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden – von einer Berücksichtigung der Arbeitsmarktchancen der Arbeitnehmer abzuraten.

[1] SPV/Preis, 11. Aufl. 2015, Rz. 1084 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

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