Rz. 837

Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist ein betriebsbezogenes Sozialdatum von erheblichem Gewicht und verleiht dem Arbeitsplatz besonderen Schutz (vgl. auch BAG, Urteil v. 19.5.1993, 2 AZR 584/92[1]). Grund dafür ist, dass mit zunehmender Betriebszugehörigkeit regelmäßig auch der Beitrag, den der Arbeitnehmer zum Wert des Unternehmens leistet, wächst. Zudem nimmt im Allgemeinen die persönliche Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb zu, die sich etwa durch die Wahl eines Wohnorts in der Nähe des Arbeitsplatzes und der Entwicklung von Freundschaften und Lebensgewohnheiten äußern kann. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses trifft deshalb den langjährig beschäftigten Arbeitnehmer oft besonders hart (s. aber auch BAG, Urteil v. 5.12.2002, 2 AZR 549/01[2]). Der soziale Gesichtspunkt der "Betriebszugehörigkeit" dient ferner dazu, die Treue des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber zu werten (BAG, Urteil v. 2.6.2005, 2 AZR 158/04[3]). Allerdings ist die Betriebszugehörigkeit als Sozialdatum im Rahmen der Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht mit derjenigen Zeitspanne identisch, die ein Arbeitnehmer in demselben Betrieb arbeitet: Ausschlaggebend ist vielmehr die Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber, auch wenn sie in verschiedenen Betrieben stattfand. Die genannten wirtschaftlichen und sozialen Bindungen können nämlich auch betriebsunabhängig entstehen, z. B. wenn der Arbeitgeber mehrere Betriebe in räumlicher Nähe führt. Insofern können zur Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit die Grundsätze zur Bestimmung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG herangezogen werden, für die der ununterbrochene rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber entscheidend ist (BAG, Urteil v. 20.8.1998, 2 AZR 83/98[4]). Es ist insoweit angemessen auf die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit abzustellen (BAG, Urteil v. 2.6.2005, 2 AZR 158/04[5]). Eine entsprechende Wertung findet sich auch in § 10 KSchG, der bei der Bestimmung der Höhe der Abfindung nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses differenziert. Bei der Sozialauswahl können demnach – ebenso wie bei der Berechnung der Wartezeit – auch frühere Beschäftigungszeiten berücksichtigt werden (BAG, Urteil v. 6.2.2003, 2 AZR 623/01[6]). Nach neuerer Rechtsprechung des BAG kann die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG im Übrigen auch durch solche Zeiten einer Beschäftigung erfüllt werden, die in demselben Betrieb oder Unternehmen geleistet worden sind. Unschädlich ist es in diesem Zusammenhang, sofern innerhalb des 6-Monats-Zeitraums 2 oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, welche ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen, sodass typischerweise von einem "ununterbrochenen" Arbeitsverhältnis auszugehen ist, wenn sich die Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers nahtlos fortsetzt (BAG, Urteil v. 7.7.2011, 2 AZR 12/10[7]

).

[1] BAGE 73, 151.
[2] NZA 2003 S. 791.
[3] NZA 2005 S. 1175.
[4] BAGE 89, 307; ferner BAG, Urteil v. 16.2.1995, 8 AZR 714/93, BAG 79, 193; KR/Rachor, 13. Aufl. 2022, § 1 KSchG, Rz. 115; SPV/Preis, 11. Aufl. 2015, Rz. 1079.
[5] NZA 2005 S. 1175.
[6] EzA Nr. 51 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl.

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