Rz. 760

Der Arbeitgeber hat im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Dazu zählt grds. auch der Umstand, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Da das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit jedoch eine negative Tatbestandsvoraussetzung ist, gilt im Kündigungsschutzprozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Auf nähere Darlegungen des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (BAG, Urteil v. 20.6.2013, 6 AZR 805/11[1]), muss der Arbeitgeber dann eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen ist (BAG, Urteil v. 10.4.2014, 2 AZR 812/12[2]; BAG, Urteil v. 29.8.2013, 2 AZR 721/12[3]). Auch Tatsachen, die gegen die Zumutbarkeit einer Qualifizierungs- oder Fortbildungsmaßnahme sprechen, sind vom Arbeitgeber darzulegen.

 

Rz. 761

Bestreitet der Arbeitnehmer nur allgemein den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, genügt dagegen der allgemeine Vortrag, wegen der Betriebsänderung sei eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht möglich (BAG, Urteil v. 24.3.1983, 2 AZR 21/82[4]). An den Arbeitnehmervortrag zur anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit stellt die Rechtsprechung keine hohen Anforderungen. Es genügt für die Darlegungen des Arbeitnehmers, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist; er muss keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen (BAG, Urteil v. 10.4.2014, 2 AZR 812/12[5]; BAG, Urteil v. 6.11.1997, 2 AZR 253/97[6]). Allerdings genügt er den Anforderungen nicht, wenn er nur allgemein auf die Personalfluktuation im Unternehmen hinweist.[7] Er muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit angeben.

 

Beispiel

Die Bäckereiverkäuferin U erhält aufgrund der Stilllegung der Filiale, in der sie tätig war, eine Beendigungskündigung. Im Kündigungsrechtsstreit weist sie darauf hin, dass ihr Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung per Zeitungsannonce Bäckereiverkäufer/innen für seine im Nachbarort gelegene Filiale gesucht hat. Damit hat U hinreichende Anhaltspunkte für eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zum Zeitpunkt der Kündigung vorgetragen. Es ist jetzt Sache des Arbeitgebers darzulegen, dass er entweder gar keine Beschäftigungsmöglichkeit hatte oder zumindest U auf der freien Stelle nach ihrer Qualifikation nicht hätte beschäftigt werden können.

 

Rz. 762

Die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten unabhängig davon, ob eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben oder einem anderen Betrieb des Unternehmens, zu geänderten Vertragsbedingungen oder nach einer Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme in Betracht kommt (BAG, Urteil v. 24.3.1983, 2 AZR 21/82[8]). Bei einem ausnahmsweise zu bejahenden Konzernbezug trifft den Arbeitgeber im Bestreitensfall eine gesteigerte und den Arbeitnehmer eine geringere Darlegungslast hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten bei anderen zum Konzern gehörenden Unternehmen, bei denen der Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß beschäftigt werden könnte. Der Arbeitnehmer hat allerdings zumindest anzugeben, wie er sich eine anderweitige konzernweite Beschäftigung auf einem zudem freien Arbeitsplatz vorstellt (BAG, Urteil v. 24.5.2012, 2 AZR 62/11[9]). Beruft sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess auf die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung, drückt er damit regelmäßig auch seine Bereitschaft aus, zu geänderten Vertragsbedingungen oder nach einer erforderlichen Schulung weiterzuarbeiten.[10] Hat er allerdings vor Erhalt der Beendigungskündigung ein Angebot des Arbeitgebers zu einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen endgültig und vorbehaltlos abgelehnt, kann er sich im Rahmen eines späteren Kündigungsschutzprozesses nicht mehr auf diese Weiterbeschäftigungsmöglichkeit berufen (BAG, Urteil v. 21.4.2005, 2 AZR 132/04[11]).

[1] NZA 2013 S. 1137.
[2] NZA 2014 S. 653.
[3] NZA-RR 2014 S. 325.
[4] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12.
[5] NZA 2014 S. 653
[6] NZA 1998 S. 833.
[7] v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause, KSchG, 15. Aufl. 2013, § 1 KSchG, Rz. 813; APS/Kiel, 5. Aufl. 2017, § 1 KSchG, Rz. 590; Gaul, BB 1995, S. 2422, 2423.
[8] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12.
[9] NZA 2013 S. 277.
[10] APS/Kiel, 5. Aufl. 2017, § 1 KSchG, Rz. 589; Dornbusch/Wolff/Volk, KSchG, 2. Aufl. 2007, § 1 KSchG, Rz. 423.
[11] AP KSchG 1969 § 2 Nr. 79, NZA 2005 S. 1289.

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