Rz. 733

Die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz des Beschäftigungsbetriebs oder eines anderen Betriebs im Unternehmen muss sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu zumutbar geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (BAG, Urteil v. 25.4.2002, 2 AZR 260/01[1]; BAG, Urteil v. 21.9.2000, 2 AZR 440/99[2]).

[1] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121, NZA 2003 S. 605.
[2] AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 112, NZA 2001 S. 255.

4.2.3.2.1 Freier Arbeitsplatz

 

Rz. 734

Als frei gilt ein Arbeitsplatz zunächst nur dann, wenn er zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs beim Arbeitnehmer unbesetzt ist (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[1]; BAG, Urteil v. 29.8.2013, 2 AZR 721/12[2]). Der Arbeitgeber muss keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten neu schaffen (BAG, Urteil v. 24.9.2015, 2 AZR 562/14[3]). Müsste der Arbeitgeber einem anderen Arbeitnehmer kündigen, um eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu schaffen, fehlt es an einem freien Arbeitsplatz.[4] Auch der mit einem Arbeitnehmer in der Probezeit besetzte Arbeitsplatz ist nicht frei. Die Verpflichtung zur Kündigung des anderen Arbeitnehmers kann sich allenfalls aus der Sozialauswahl ergeben. Allerdings hat ein unbefristet angestellter Arbeitnehmer bei der Besetzung freier Stellen nicht nur Vorrang vor externen Bewerbern, sondern auch vor solchen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis zeitgleich durch Befristung endet (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[5]).

 

Rz. 735

Sofern jedoch der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder in absehbarer Frist danach zur Verfügung stehen wird, ist der Arbeitsplatz ebenfalls als frei anzusehen (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[6]; BAG, Urteil v. 25.10.2012, 2 AZR 552/11[7]; BAG, Urteil v. 7.2.1991, 2 AZR 205/90[8]). Als einen zumutbar überbrückbaren Zeitraum zwischen dem Wegfall des einen und dem Freiwerden des anderen Arbeitsplatzes hat die Rechtsprechung keine bestimmte Dauer festgelegt. Da die Frage der Zumutbarkeit von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, wird z. B. eine Überbrückungsfrist umso eher zumutbar sein, je länger der Arbeitnehmer bereits im Unternehmen beschäftigt ist. Für zumutbar wird jedenfalls ein Zeitraum gehalten, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde (BAG, Urteil v. 15.12.1994, 2 AZR 327/94[9]). Allerdings steht allein die Chance eines frei werdenden Arbeitsplatzes der Kündigung nicht entgegen. Auf die normale Fluktuation in den Betrieben ist nicht abzustellen. Denn ansonsten würde der Arbeitgeber zur Haltung einer Personalreserve gezwungen, die das Gesetz von ihm nicht verlangt (BAG, Urteil v. 15.8.2002, 2 AZR 195/01[10]; BAG, Urteil v. 15.12.1994, 2 AZR 327/94[11]).

 

Rz. 736

Der Arbeitgeber darf zudem im Vorgriff auf eine betriebsbedingte Kündigung eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz nicht dadurch verhindern, dass er die Stelle zunächst besetzt und anschließend die Kündigung ausspricht. Hat der Arbeitgeber auf diese Weise das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit selbst herbeigeführt, ist es ihm nach dem in § 162 BGB normierten Rechtsgedanken verwehrt, sich hierauf zu berufen: Die Kündigung ist trotz fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigungserklärung sozialwidrig, da der Arbeitgeber diesen Zustand treuwidrig herbeigeführt hat (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[12]; BAG, Urteil v. 25.10.2012, 2 AZR 552/11[13]; BAG, Urteil v. 9.9.2010, 2 AZR 493/09[14]). Ein treuwidriges Verhalten ist anzunehmen, wenn für den Arbeitgeber das "Auslaufen" der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Kündigungszeitpunkt oder umgekehrt im Zeitpunkt der Stellenbesetzung ein Kündigungserfordernis vorhersehbar war und entsprechend der Kündigungsentschluss sowie die anderweitige Besetzung der freien Stelle "uno actu" erfolgten (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[15]; BAG, Urteil v. 29.8.2013, 2 AZR 721/12[16]).

 
Hinweis

Der Arbeitgeber hat zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht nur freie Arbeitsplätze zu berücksichtigen, sondern muss die Personalentwicklung vor und nach der Kündigung im Auge haben. Fallen die Kündigung und das Freiwerden bzw. die Neubesetzung eines anderen vergleichbaren Arbeitsplatzes zeitlich eng zusammen, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

 

Rz. 737

Vor diesem Hintergrund hat das BAG auch angenommen, dass der Arbeitgeber im Falle eines Teilbetriebsübergangs nach der Information der Betroffenen über den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse und ihr Widerspruchsrecht zunächst abwarten müsse, ob Arbeitnehmer von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machten, bevor er freie Arbeitsplätze in dem nicht übergehenden Betriebs...

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