Rz. 727

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung zunächst gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer "in diesem Betrieb" nicht weiterbeschäftigt werden kann.[1] Zu dem für die Weiterbeschäftigung relevanten Betrieb zählt ebenso wie beim Kündigungsgrund auch der Gemeinschaftsbetrieb.[2] Hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz im Gemeinschaftsbetrieb ist daher nicht darauf abzustellen, wer Vertragsarbeitgeber ist und welche Arbeitsplätze diesem zuzuordnen sind. Haben verschiedene Arbeitgeber einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet, ist vor Ausspruch einer Kündigung unabhängig von der konkreten vertraglichen Anbindung an einen Arbeitgeber zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem Arbeitsplatz in dem gesamten Betrieb möglich ist (BAG, Urteil v. 18.10.2000, 2 AZR 494/99[3]). Der Kündigungsschutz ist insoweit arbeitgeberübergreifend.[4] Allerdings bedarf es auf der Grundlage der jeweiligen Leitungs- und Führungsvereinbarung auch einer Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeit seitens des Vertragsarbeitgebers. Andernfalls fehlt es an der für die Erstreckung notwendigen Rechtsgrundlage. Eine solche fehlt insbesondere für eine Erstreckung der Prüfung auf andere Betriebe der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen.[5] Zudem entfällt die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Gemeinschaftsbetrieb, sobald dieser durch eine (Teil-)Stilllegung des Arbeitgebers aufgelöst wird (BAG, Urteil v. 18.10.2012, 6 AZR 41/11[6]).

 

Rz. 728

Anders als bei der Frage, ob die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb entfallen ist und der verringerte Beschäftigungsbedarf eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt, ist hinsichtlich der Prüfung einer anderweitigen zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit darüber hinaus auch auf andere Betriebe des Unternehmens abzustellen. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG gilt unternehmensbezogen. Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, ob eine Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers durch eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz seines Unternehmens abzuwenden ist (BAG, Urteil v. 17.5.1984, 2 AZR 109/83[7]). Daher hat der Arbeitgeber, der mit anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb unterhält, seine Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch nicht auf die sonstigen Betriebe der anderen Trägerunternehmen auszudehnen. Wenn der Arbeitsvertrag eines in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmers mit einer von allen Trägerunternehmen gebildeten Gesellschaft (JointVenture-Gesellschaft) abgeschlossen wurde, ist die Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sogar nur auf den Gemeinschaftsbetrieb zu begrenzen. Denn der Vertragsarbeitgeber unterhält keine anderen Betriebe, in denen er den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen könnte. Und die Gründung der Gesellschaft führt auch nicht zur Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens, das sich auf alle Betriebe der beteiligten Trägerunternehmen erstreckt.[8]

 

Rz. 729

Ein konzernweiter Kündigungsschutz kommt nicht in Betracht. Er widerspricht den eindeutigen Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes (BAG, Urteil v. 23.4.2008, 2 AZR 1110/06[9]). Er ist auch kaum mit dem Grundsatz der rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Konzernunternehmen in Einklang zu bringen. Ein Konzern ist ein Zusammenschluss von Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Arbeitsvertragspartner ist i. d. R. das einzelne Unternehmen als Arbeitgeber; nur diesem obliegt eine Beschäftigungspflicht. Grds. ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung daher nicht verpflichtet, eine anderweitige Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen zu versuchen (BAG, Urteil v. 14.10.1982, 2 AZR 568/80[10]).

 

Rz. 730

Gleichwohl kann ausnahmsweise im Hinblick auf eine besondere vertragliche Ausgestaltung der Leistungspflichten des Arbeitnehmers eine konzerndimensionale Betrachtungsweise angebracht sein. Die Rechtsprechung hat einen Konzernbezug zunächst bejaht, wenn ein anderes Konzernunternehmen sich ausdrücklich zur Übernahme des betroffenen Arbeitnehmers bereiterklärt hat (BAG, Urteil v. 18.10.1976, 3 AZR 576/75[11]). Die konzerndimensionale Betrachtungsweise ist aber auch dann angebracht, wenn sich eine Übernahmeverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer vertraglichen Absprache, einer Zusage des Arbeitgebers oder einer entsprechenden Übung ergibt (BAG, Urteil 23.11.2004, 2 AZR 24/04[12]). So nimmt die Rechtsprechung einen Konzernbezug an, wenn der Arbeitnehmer von vornherein für den gesamten Unternehmens- und Konzernbereich eingestellt wurde oder – obwohl nur für einen bestimmten Betrieb eingestellt – sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Unternehmens- bzw. Konzerngruppe einverstanden erklärt hat (BAG, Urteil v. 14.10.1982, 2 AZR 568/80[13]).

 

Rz. 731

Das Versetzungsrecht des Arbeitgebers korrespondiert aufgrund einer konkretisierten Fürsorge- und Gleichbehandlungspflicht bei einem Arbeitsplatzwegfall im Beschäftigungsbetrieb mit einer P...

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